Leitsatz (amtlich)

Berufsunfähigkeitsversicherung: Voraussetzungen für Einstellung "kulanzweise" erbrachter Leistungen bei an sich bestehender Leistungspflicht.

 

Gründe

Da der Kläger nach ärztlichem Befund nach dem Unfall vom 04.07.1993 unstreitig mehr als sechs Monate zu mindestens 50 % arbeitsunfähig krank war und konkret nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, dass die Beklagte den Kläger schon damals auf einen so genannten Vergleichsberuf hätte verweisen können, ist davon auszugehen, dass die Leistungspflicht der Beklagten entstanden ist. Denn nach den von ihr gestellten Versicherungsbedingungen (im folgenden: BBUZ) wird für diesen Fall der Eintritt der Berufsunfähigkeit mit dem letzten Tag des sechsten Monats fingiert (§ 2 Nr. 3 BBUZ). Darauf hat auch das Landgericht zutreffend abgehoben.

Die einmal begründete Leistungspflicht der Beklagten ist nicht ohne weiteres von selbst in dem Zeitpunkt entfallen, in dem bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit des Versicherten nicht mehr bestand. § 7 BBUZ sieht vielmehr nach Anerkennung oder Feststellung der Leistungspflicht ein formelles Nachprüfungsverfahren vor, das grundsätzlich außergerichtlich durchzuführen ist und das die Leistungspflicht nicht vor Ablauf eines Monats nach Absenden der Mitteilung über die Einstellung der Leistungen entfallen lässt (Senat VersR 1996, 1486 m.w.N.).

Der Versicherer darf sich in einem Fall der vorliegenden Art selbst dann nur nach Maßgabe des § 7 BBUZ von seiner Leistungspflicht lösen, wenn er bisher zwar Leistungen erbracht, aber kein Anerkenntnis im Sinne von § 5 BBUZ abgegeben hat. Gibt er nämlich ein Anerkenntnis, das nach der Sachlage geboten wäre, nicht ab, so kann er sich damit nicht von den Regeln befreien, die er selbst in § 7 BBUZ für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit aufgestellt hat (BGH VersR 1989, 1182 = NJW-RR 1990, 31 = r + s 1990, 87; BGH VersR 1997, 436 = NJW-RR 1997, 529 = r + s 1997, 301). - So liegt der Fall hier: Die Beklagte hat über vier Jahre Leistungen erbracht. Sie hat gleichwohl ihre Leistungspflicht trotz der vorliegenden Voraussetzungen nach § 2 Nr. 3 BBUZ nicht anerkannt, sondern sich auf eine "kulanzweise" Handhabung zurückgezogen und den Kläger damit hingehalten. Sie ist deshalb an das von ihr selbst bedingungsgemäß als Voraussetzung für den Wegfall ihrer Leistungspflicht vorgesehene Nachprüfungsverfahren gebunden, das bislang durch die Schreiben vom 03.11.1998 und 16.02.1999 noch nicht ordnungsgemäß eingeleitet ist.

Entgegen der Auffassung der Berufung gilt nichts anderes, weil die Beklagte ihre "kulanzweisen" Leistungen entsprechend ihren Schreiben vom 09.12.1993, 02.03.1995, 21.08.1995 und 30.10.1995, wie die Berufung formuliert, "mit Rücksicht auf die von dem Kläger beabsichtigte und dann auch angetretene Umschulungsmaßnahme" für bestimmte Zeiträume zugesagt hat. Auch das widersprach den von ihr gestellten Bedingungen. Die Selbstbindung des Versicherers bewirkt, dass es ihm nicht gestattet ist, die Berufsunfähigkeit nur für einen begrenzten Zeitraum anzuerkennen, es sei denn, er hat dies in seinen speziellen AVB ausdrücklich vorgesehen (BGH VersR 1986, 277 = r + s 1986, 136). Das ist vorliegend nicht der Fall. Erklärt er gleichwohl ein solches Anerkenntnis nur mit zeitlicher Begrenzung, so ist ebenfalls nicht neu zu entscheiden, ob der Versicherungsfall eingetreten ist, sondern wiederum nur eine Nachprüfung gemäß § 7 BBUZ möglich (BGHZ 121, 284 = VersR 1993, 562 = NJW 1993, 1532 = r + s 1994, 72; BGH VersR 1993, 559 = NJW-RR 1993, 723 = r + s 1993, 434; vgl. auch Kummer r + s 1998, 309, 311). - Nichts anderes gilt nach den o. a. Grundsätzen, wenn der Versicherer - wie hier - überhaupt kein Anerkenntnis abgibt, obwohl er dazu verpflichtet wäre, und zeitlich begrenzte Leistungen nur auf Grund vorgeblicher Kulanz erbringt.

Anders als in dem vom Senat mit Urteil vom 14.02.1996 (VersR 1996, 1486) entschiedenen Fall liegt hier keine Sachlage vor, bei der es bloße Förmelei wäre, die Beklagte auf das außergerichtlich durchzuführende Nachprüfungsverfahren gemäß § 7 BBUZ zu verweisen. Die Parteien streiten nämlich auch nachhaltig darüber, ob die vom Kläger - nach einer Umschulung - jetzt ausgeübte Tätigkeit eine solche ist, die im Sinne von § 2 Nr. 1 und 3 BBUZ seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Diese Frage ist u.a. im Nachprüfungsverfahren zu entscheiden.

Auch aus der von der Berufung angeführten BGH-Entscheidung (VersR 1999, 1134) ergibt sich nichts anderes, weil dieser Entscheidung ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag. Der Kläger hat das in der Berufungserwiderung im einzelnen dargestellt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3030518

NVersZ 2000, 268

NVersZ 2000, 268-269

VersR 2000, 574

VersR 2000, 574 (amtl. Leitsatz)

OLGR-CBO 2000, 69

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