Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindschaftssache: Bestellung eines Ergänzungspflegers in Verfahren zur Personensorge

 

Leitsatz (amtlich)

Besteht zwischen Eltern ein erheblicher Interessengegensatz, ist für minderjährige Kinder in familiengerichtlichen Verfahren ein Ergänzungspfleger zu bestellen, da der Verfahrensbeistand als gesetzlicher Vertreter des Kindes ausscheidet. Dies gilt auch in Verfahren zur Personensorge.

 

Normenkette

FamFG §§ 158, 174; BGB § 1629 Abs. 2 S. 3, § 1796

 

Verfahrensgang

AG Leer (Beschluss vom 01.06.2010; Aktenzeichen 5c F 4237/10 PF)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 07.09.2011; Aktenzeichen XII ZB 12/11)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3) gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Leer vom 1.6.2010 wird zurückgewiesen.

Von der Erhebung der Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 900 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 3) und 4) sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des am 29.5.2006 geborenen Kindes M C und üben die elterliche Sorge aufgrund einer Sorgerechtserklärung gemeinsam aus. Zunächst lebten die Eltern mit dem Kind in einer gemeinsamen Wohnung in S. (Brandenburg). Nach einer Trennung der Eltern Anfang 2007 zog die Beschwerdeführerin mit dem Kind in eine eigene Wohnung. Anfang Mai 2008 wechselte das Kind mit Zustimmung der Mutter in den Haushalt des Vaters. Etwa zeitgleich änderte die Mutter ihren Wohnsitz und wohnt seit dieser Zeit zusammen mit ihrem Lebensgefährten in N. (Baden-Württemberg). Im September 2009 ist dann der Antragsgegner zusammen mit dem Kind nach L. (Niedersachsen) verzogen, wo beide auch heute noch wohnen. Das Kind besucht derzeit in Leer den Halbtagskindergarten.

Im Kindschaftsverfahren 5c F 4128/10 SO AG - Familiengericht - Leer streiten die Beteiligten zu 3) und 4) um das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil des Sorgerechts sowie über den zukünftigen Aufenthaltsort des Kindes. Die Beschwerdeführerin macht in diesem Verfahren geltend, das Kind habe nach wie vor eine starke emotionale Bindung zur Mutter. Daran habe auch die zurückliegende Zeit ihrer Trennung vom Kind nichts geändert. Hinzukomme, dass der Vater ihr zunehmend das Umgangsrecht mit dem Kind erschwere und sie überdies aus finanziellen Gründen wegen der weiten Anreise häufige Besuchskontakte nicht finanzieren könne. Im Mai 2008 habe sie das Kind nur vorübergehend dem Vater überlassen, ohne dadurch einen dauerhaften Aufenthalt des Kindes begründen zu wollen.

Mit Beschluss vom 7.6.2010 hat das Familiengericht im Kindschaftsverfahren für das Kind einen Verfahrensbeistand bestellt. Kurze Zeit zuvor hat die Rechtspflegerin des Familiengerichts im vorliegenden Verfahren mit Beschluss vom 1.6.2010 für das Kind Ergänzungspflegschaft angeordnet und den Landkreis Leer - Kreisjugendamt - zum Ergänzungspfleger bestellt. Der Wirkungskreis umfasst die Vertretung des Kindes im Kindschaftsverfahren 5c F 4128/10 und Wahrnehmung dessen Interessen.

Gegen den Beschluss zur Anordnung einer Ergänzungspflegschaft wendet sich die Beteiligte zu 3) mit ihrer fristgerecht beim AG - Familiengericht - Leer eingereichten und sogleich begründeten Beschwerde, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt.

Die Akte 5a F 4128/10 SO AG Leer lag vor.

II. Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 58 Abs. 1 FamFG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangene Endentscheidung des Familiengerichts zur Anordnung einer Ergänzungspflegschaft hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet gem. § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung. Nach einem entsprechenden Hinweis haben die Beteiligten dieser Verfahrensweise nicht widersprochen.

1. Beim Verfahren zur Regelung des Sorgerechts (5c F 4128/10 SO Familiengericht Leer) handelt sich nach § 151 Nr. 1 FamFG um eine Kindschaftssache, an der die 4-jährige Beteiligte zu 1) formell zu beteiligen und gegebenenfalls persönlich anzuhören ist (§§ 7 Abs. 2 Nr. 1, 159 Abs. 2 FamFG). Ein Kind ist in allen Kindschaftssachen, welche die Entziehung oder auch nur Einschränkung der elterlichen Sorge betreffen, Verfahrensbeteiligter i.S.v. § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Nach dieser Vorschrift sind diejenigen als Beteiligte hinzuzuziehen, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird. Auf die weitergehende Frage, ob das Verfahren tatsächlich zu einer Rechtsbeeinträchtigung führt, kommt es nicht an (BT-Drucks. 16/6308, 178; Prütting in Prütting/Helms, FamFG, § 7 Rz. 27). Mit dem Inkrafttreten des FamFG sind materiell Betroffene im Verfahren nicht mehr nur lediglich durch das Gericht persönlich anzuhören. Vielmehr erweitert § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG die formelle Beteiligung generell auf alle Personen, die von dem Verfahren materiell in ihren Rechten betroffen sind (BTDRs. 16/6903 S. 165). Das Gesetz hat sich bewusst von der früheren Rechtslage gelöst und die Beteili...

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