Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungswidrigkeit der geltenden BarwertVO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Umrechnungsfaktoren der BarwertVO i.d.F. vom 3.5.2006 sind verfassungswidrig. Die BarwertVO ist auch übergangsweise (bis zum 30.6.2008 bzw. bis zum In-Kraft-Treten der beabsichtigten Strukturreform des Versorgungsausgleichs) nicht anwendbar.

2. Zu möglichen Ersatzlösungen (im Anschluss an Bergner, NJW 2006, Beil. zu Heft 25).

 

Normenkette

BGB § 1587a Abs. 3-4; BarwertVO

 

Verfahrensgang

AG Osnabrück (Urteil vom 08.05.2006; Aktenzeichen 12 F 336/05)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird das Urteil des AG - FamG - Osnabrück vom 8.5.2006, berichtigt durch Beschluss vom 23.5.2006, im Ausspruch zum Versorgungsausgleich geändert und insoweit neu gefasst:

Auf dem Versicherungskonto Nr. 51 281267 S 589 der Antragsgegnerin bei der Beteiligten zu 1) werden Rentenanwartschaften i.H.v. monatlich 321,84 EUR, bezogen auf den 30.11.2005, begründet, davon

  • i.H.v. monatlich 221,18 EUR zu Lasten der Versorgungsanrechte des Antragstellers bei der Beteiligten zu 2) (Vers.-Nr. 1101025906) und
  • i.H.v. monatlich 100,66 EUR zu Lasten der Versorgungsanrechte des Antragstellers bei der Beteiligten zu 3) ((Vers.-Nr. 0833283.5).

Der Monatsbetrag der zu begründenden Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Die Parteien tragen ihre eigenen außergerichtlichen Kosten sowie je ½ der weiteren im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten nach einem Beschwerdewert von 2.000 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.1. Nach den vom AG im Einzelnen unter Bezugnahme auf die Auskünfte der Versorgungsträger dargelegten, vom Senat überprüften und von den Verfahrensbeteiligten nicht angegriffenen Feststellungen haben die Parteien in der Ehezeit (1.12.1994 bis 30.11.2005; § 1587 Abs. 2 BGB) die nachstehend aufgeführten, in Monatsbeträgen angegebenen Versorgungsanrechte erworben, die jeweils eine Altersversorgung ab dem 65. Lebensjahr vorsehen und das Risiko der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit abdecken. Ein Versicherungsfall ist bisher nicht eingetreten:

Antragsteller (Ehemann; geb. 1.2.1959):

  • Ärzteversorgung Westfalen-Lippe (Beteiligte zu 2)) 1.017,62 EUR,
  • Kirchliche Zusatzversorgung (Beteiligte zu 3)) 585,42 EUR

(im Urteil des AG irrtümlich mit 584,42 EUR angegeben).

Antragsgegnerin (Ehefrau; geb. 28.12.1967):

  • Rentenanwartschaften (Beteiligte zu 1)) 253,02 EUR,
  • Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst (Kommunale Versorgungskassen für Westfalen-Lippe; Beteiligte zu 4)) 84,24 EUR.

2. Die Anrechte bei der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe und die Rentenanwartschaften hat das AG als volldynamisch behandelt. Die Anrechte aus der jeweiligen Zusatzversorgung hat es als nur im Leistungsstadium dynamisch angesehen und nach Tabelle 1 der BarwertVO i.d.F. vom 26.5.2003 i.V.m. Anm. 2 (Erhöhung der Werte um 65 %) umgerechnet in Rentenanrechte von 209,76 EUR (Antragsteller) bzw. 18,90 EUR (Antragsgegnerin).

Das AG hat einen Ausgleichsbetrag i.H.v. insgesamt 477,73 EUR ermittelt, diesen Betrag jedoch mit Rücksicht auf den Höchstbetrag gem. § 1587b Abs. 5 BGB auf 321,84 EUR herabgesetzt und den Ausgleich durch Quasi-Splitting gem. § 1587b Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 VAHRG (gemeint wohl: § 1 Abs. 3 VAHRG) in vollem Umfang zu Lasten der Ärzteversorgung vorgenommen. Den weiter gehenden Ausgleich hat es dem schuldrechtlichen Ausgleich vorbehalten.

3. Mit der zulässigen Beschwerde rügt die Beteiligte zu 2), dass das AG die beim Ausgleich gem. § 1 Abs. 3 VAHRG gebotene Quotierung im Verhältnis der bei den beteiligten Versorgungsträgern begründeten Anrechte unterlassen habe.

II.1. Das AG hat in zutreffender Weise die Frage der Dynamik beurteilt (vgl. zur Ärzteversorgung BGH v. 20.9.1995 - XII ZB 15/94, MDR 1996, 71 = FamRZ 1996, 95; zur Zusatzversorgung u.a. BGH FamRZ 2005, 1532 m.w.N.) und den Höchstbetrag (in Übereinstimmung mit der Auskunft der Rentenversicherung Bund) ermittelt.

Die Beteiligte zu 2) rügt jedoch zu Recht, dass die gem. § 1 Abs. 3 VAHRG gebotene Quotierung fehle. Die Anrechte des ausgleichspflichtigen Ehemannes bei der Ärzteversorgung und der Zusatzversorgung sind, weil sich beide gegen öffentlich-rechtliche Versorgungsträger richten und die Voraussetzungen der Realteilung nicht vorliegen, gem. § 1 Abs. 3 VAHRG auszugleichen. Im Rahmen dieser einen Ausgleichsform ist bei mehreren beteiligten Versorgungsträgern eine Aufteilung des Höchstbetrages von 321,84 EUR nach dem Wertverhältnis der Anrechte vorzunehmen (BGH v. 19.9.1984 - IVb ZB 927/80, MDR 1985, 306 = FamRZ 1984, 1214 [1216]; v. 13.12.2000 - XII ZB 52/97, BGHReport 2001, 165 = FamRZ 2001, 477 [478]). Das ist schon deshalb geboten, um eine übermäßige Belastung eines Versorgungsträgers (hier der Beteiligten zu 2)) zu vermeiden. Das gilt unabhängig davon, dass der (auf den Höchstbetrag begrenzte) Ausgleichsbetrag zugunsten der Antragsgegnerin nicht verändert und demzufolge ihre wirtschaftlichen Interessen nicht berührt werden (weil sie insgesamt Rentenansprüche ggü. der Beteiligten zu 1)...

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