Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller vom 28.07.2016 wird die Zwischenverfügung des Rechtspflegers des Amtsgerichts Nordenham vom 20.07.2016 aufgehoben.

Das Amtsgericht Nordenham wird ersucht, den Grundbuchantrag 07.07.2016 nicht aus den Gründen der angefochtenen Zwischenverfügung zu beanstanden.

Der Beschwerdewert wird auf 19.500,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die nach § 71 Abs. 1 GBO zulässige Beschwerde ist begründet. Das Amtsgericht durfte den Antrag auf Eintragung der Erbteilsübertragungen hier nicht von der Vorlage eines Erbscheins abhängig machen.

Der Nachweis der Erbfolge nach dem im Grundbuch eingetragenen (Mit-) Eigentümer ...kann im vorliegenden Fall gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2, 1. HS GBO durch eine formgültige Vorlage des notariellen Testaments vom 29.01.2015 in Verbindung mit der Niederschrift über dessen Eröffnung erbracht werden. Aus dem notariellen Testament vom 29.01.2015 ist die Erbfolge nach Herrn ...unzweifelhaft zu entnehmen. Soweit die überlebende Ehefrau des Erblassers, die Beteiligte zu 5., mit Schreiben vom 24.02.2016 (Verfahren Amtsgericht Nordenham 1 AR 26/16) eine Anfechtung des Testaments "nach § 2078 und 2079 BGB" erklärt und eine Testierunfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung behauptet hat, vermag dies im vorliegenden Fall die Anforderung eines Erbscheins nicht zu rechtfertigen. Die bloße Behauptung, dass eine letztwillige Verfügung wegen Testierunfähigkeit oder infolge Anfechtung unwirksam sei, bildet regelmäßig keinen ausreichenden Grund, anstelle der öffentlichen Urkunde einen Erbschein zu verlangen (vgl. OLG München MittBayNot 2015; 221f; Meikel/Krause, GBO, 11. Aufl., § 35, Rn. 133/135; Hügel/Wilsch, GBO, 2. Aufl. § 35, Rn. 124). Ein Erbschein kann vielmehr nur dann verlangt werden, wenn sich bei der Prüfung der Verfügung hinsichtlich des behaupteten Erbrechts Zweifel ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen über den Willen des Erblassers oder die tatsächlichen Verhältnisse geklärt werden können (vgl. Demharter GBO, 30. Aufl. § 35, Rn. 39). Die generelle Gefahr oder etwaige Vermutungen, der Erblasser sei testierunfähig gewesen, reichen danach nicht aus, um einen Erbschein zu verlangen (vgl. OLG München, aaO., S. 222; Demharter, aaO.).

Soweit die Beteiligte zu 5. im Schreiben vom 24.02.2016 eine Anfechtung des Testaments des Erblassers "nach § 2078 und 2079 BGB" erklärt hat, sind von ihr keinerlei Grundlagen für eine Anfechtung dargelegt worden. Gleiches gilt für die von ihr behauptete Testierunfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 29.01.2015. Der bloße Verweis auf eine "Dokumentation des Pflegezentrums ...und ... GmbH" reicht insoweit nicht aus. Dies gilt um so mehr, als sich aus der vom Amtsgericht und auch vom Senat beigezogenen Betreuungsakte des Herrn ...(Amtsgericht Nordenham) deutlich ergibt, dass es bei Herrn ... im fraglichen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit bzw. eine von der Beteiligten zu 5. in anderem Zusammenhang behauptete Demenz gab. Nach einer ärztlichen Stellungnahme des behandelnden Hausarztes ... vom 08.09.2014 (Bl. 96 der Betreuungsakte) war Herr ... am 08.09.2014 nicht desorientiert, eine Demenz lag - dies wird ausdrücklich festgestellt - nicht vor. Ausweislich eines Anhörungsvermerks des Betreuungsgerichts vom 11.12.2014 (Bl. 122 der Betreuungsakte) war Herr ... am 09.12.2014 zwar körperlich geschwächt, aber "zur Person, zeitlich und örtlich uneingeschränkt orientiert". Nach einem 25-minütigen Gespräch verblieben bei dem Gericht "keine Zweifel daran, dass der Betroffene seinen Willen klar formulieren konnte". Aus zwei Berichten des Landkreises W. - Fachdienst Gesundheit - vom 31.07. und 23.12.2014 (Bl. 89f und 131f der Betreuungsakte) folgt schließlich, dass Herr ... zwar als leicht beeinflussbare Persönlichkeit angesehen wurde (Bericht vom 23.12.2014), dass er jedoch völlig klar und orientiert erschien (Bericht vom 31.07.2014) und in beiden Besprechungen in der Lage war, die (komplizierten) Eigentums-verhältnisse an seinen Immobilien zu beschreiben. Nach Lage der Akten kann daher weder von einer Anfechtbarkeit des Testaments vom 29.01.2015 ausgegangen werden, noch ist die Testierfähigkeit des Erblassers im fraglichen Zeitpunkt zweifelhaft.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Festsetzung des Beschwerde-wertes beruht auf § 36, 61 GNotKG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 11365809

FamRZ 2017, 1431

MittBayNot 2017, 500

ErbR 2018, 173

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