Leitsatz (amtlich)

Keine zusätzliche Verhandlungsgebühr nach § 15 Abs. 1 S. 1 BRAGO, wenn das Rechtsmittelgericht die Berufung gegen ein Grundurteil des erstinstanzlichen Gerichts zurückweist.

 

Verfahrensgang

LG Oldenburg (Aktenzeichen 4 O 1747/99)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Oldenburg vom 11.1.2002 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat das beklagte Land zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 655,37 Euro (= 1.281,80 DM).

 

Gründe

I. Der Kläger hat von dem beklagten Land Schadensersatz i.H.v. 27.669,38 DM verlangt. Das LG hat den Anspruch dem Grunde nach aus positiver Vertragsverletzung für gegeben angesehen und ein entsprechendes Grundurteil erlassen. Die dagegen gerichtete Berufung des beklagten Landes hat das OLG als unbegründet zurückgewiesen. Nach Abschluss des Betragsverfahrens begehrt das beklagte Land u.a. die Festsetzung einer (weiteren) Verhandlungsgebühr für die mündliche Verhandlung im Betragsverfahren vor dem LG. Der Rechtspfleger hat in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.1.2002 (Bd. I, Bl. 248 d.A.) eine entsprechende Gebühr (1.105 DM zzgl. 16 % Mwst.) berücksichtigt. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, der das LG nicht abgeholfen hat.

II. Die nach §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 2 S. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Das LG hat sich in dem angefochtenen Beschluss einer nicht veröffentlichten Entscheidung des OLG Oldenburg (OLG Oldenburg, Beschl. v. 30.6.1999 – 2 W 67/99, OLGReport Oldenburg 2000, 61) angeschlossen und für das Betragsverfahren eine weitere Verhandlungsgebühr mach § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO berücksichtigt. Dem ist nach Auffassung des Senats nicht zu folgen. Die Frage, ob eine Zurückverweisung i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 BRAGO auch dann vorliegt, wenn die Berufung gegen ein Grundurteil zurückgewiesen wird, ist in Literatur und Rechtsprechung weiterhin umstritten. Überwiegend wird eine Zurückverweisung auch in diesen Fällen angenommen (vgl. OLG Koblenz JurBüro 1996, 305; OLG Oldenburg, Beschl. v. 30.6.1999 – 2 W 67/99, OLGReport Oldenburg 2000, 61; Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 15 Rz. 4; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., „Zurückverweisung” Anm. 1.2.; Fraunholz in Riedel/Süßbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 15 Rz. 3 jew. m.w.N.). Das wird in erster Linie mit der Entstehungsgeschichte des § 15 BRAGO begründet. Dieser sei an die Stelle des früheren § 27 RAGebO getreten, der u.a. ausdrücklich die Vorschrift des § 538 ZPO erwähnt habe. Zwar sei der Hinweis auf die einschlägigen ZPO-Vorschriften entfallen, der frühere Anwendungsbereich habe nach den Gesetzesmaterialien zu § 15 BRAGO aber nicht eingeengt werden sollen (vgl. Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 15 Rz. 4). Im Übrigen sei eine weitere Verhandlungsgebühr auch deshalb gerechtfertigt, weil sich der erstinstanzliche Anwalt erneut in die Materie einarbeiten müsse (OLG Oldenburg, Beschl. v. 30.6.1999 – 2 W 67/99, OLGReport Oldenburg 2000, 61).

Dieser Auffassung schließt sich der Senat nicht an. § 15 Abs. 1 S. 1 BRAGO setzt seinem Wortlaut nach eine „Zurückverweisung” voraus. Eine solche liegt prozessual aber nicht vor, wenn (nur) die Berufung gegen ein Grundurteil zurückgewiesen wird. Zurückvereisung im Rechtssinne ist nur gegeben, wenn das Rechtsmittelgericht durch eine den Rechtszug beendende Entscheidung einem in dem Instanzenzug untergeordneten Gericht die abschließende Entscheidung überträgt (Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 15 Rz. 2; Fraunholz in Riedel/Süßbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 15 Rz. 1). Das ist aber nur der Fall, wenn das Rechtsmittelgericht mit der fraglichen Entscheidung – hier über die Höhe des geltend gemachten Anspruchs – befasst war, von einer eigenen Entscheidung absieht und sie dem untergeordneten Gericht überlässt. Im Falle eines Grundurteils kann das erstinstanzliche Gericht aber unabhängig von einer Anfechtung des Grundurteils sofort über die Höhe des Anspruchs weiter verhandeln (§ 304 Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO). Das Betragsverfahren bleibt also auch dann in erster Instanz anhängig, wenn gegen das Grundurteil Berufung eingelegt wird. Dem steht nicht entgegen, dass das Berufungsgericht nach §§ 540, 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die Möglichkeit hat, auch das Betragsverfahren an sich zu ziehen. Die Entstehungsgeschichte des § 15 BRAGO gebietet nicht, eine Zurückverweisung auch bei der Zurückweisung der Berufung gegen ein Grundurteil anzunehmen. Insoweit nimmt der Senat in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen des OLG Oldenburg in dem Beschl. v. 13.1.1995 (OLG Oldenburg v. 13.1.1995, JurBüro 1996, 305) Bezug. Ein abweichendes Verständnis ist schließlich auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 15 BRAGO nicht geboten. Durch § 15 BRAGO soll die „ganz neue umfangreiche Tätigkeit im Verhandlungs- und Beweisverfahren” honoriert werden (vgl. OLG Oldenburg v. 13.1.1995, JurBüro 19...

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