Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der entgegenstehenden Rechtskraft bei der Verurteilung zur Leistung von Unterhalt.

 

Verfahrensgang

AG Bersenbrück (Beschluss vom 13.09.2010; Aktenzeichen 16 F 127/10 UV)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 19.10.2010 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bersenbrück vom 13.9.2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der Beschwerdeinstanz - an das AG zurückverwiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller macht gegen die Antragsgegnerin Ansprüche aus übergegangenem Recht auf Elternunterhalt i.H.v. 39.580,02 EUR für die Zeit vom 17.2.2006 bis zum 31.1.2009 geltend.

Die Antragsgegnerin ist die Tochter der am 31.9.2009 verstorbenen H. N. Die Antragsgegnerin hat noch zwei weitere Geschwister, eine Schwester und einen Bruder. H. N. hat in der Zeit vom 17.2.2006 bis zu ihrem Tode vom Antragsteller Hilfeleistungen im Rahmen des SGB erhalten.

Bereits 2009 hatte der Antragsteller Ansprüche aus übergegangenem Recht für die Zeit vom 17.2.2006 bis zum 31.1.2009 gegen die Antragsgegnerin beim AG - Familiengericht - Bersenbrück (16 F 23/09 UK) geltend gemacht.

Mit rechtskräftigem Urteil vom 21.7.2009 hatte das AG - Familiengericht - Bersenbrück die Klage abgewiesen (Bl. 16 ff. Bd. I). In den dortigen Entscheidungsgründen heißt es auszugsweise:

"Die Klage ist zwar zulässig, derzeit aber als unbegründet abzuweisen.

[...] Allerdings hat der Kläger den von ihm geltend gemachten Anspruch im Hinblick auf die Haftungsquote nicht hinreichend schlüssig dargelegt, [...].

[...] Die Beklagte hat die Einkommensverhältnisse substantiiert bestritten. Dennoch ist seitens des Klägers kein Beweis angetreten worden.

Es sind lediglich die durch die Geschwister eingereichten Fragebögen nebst Anlagen vorgelegt worden. Ein Beweisantritt z.B. durch Zeugnis der Geschwister im Hinblick auf deren Einkommensverhältnisse ist nicht erfolgt.

Insofern hat der Kläger die die Haftungsquote begründenden Umstände nicht hinreichend schlüssig dargelegt und auch nicht unter Beweis gestellt [...].

[...] Vor diesem Hintergrund war die Klage zum gegenwärtigen Zeitpunkt als unbegründet abzuweisen."

In dem vorliegenden Verfahren verfolgt der Antragsteller seinen bereits im Verfahren 16 F 23/09 gestellten Antrag fort. Er ist der Ansicht, dass sein jetziger Antrag nicht wegen entgegenstehender Rechtskraft aus dem Urteil vom 21.7.2009 unzulässig sei.

Mit Beschluss vom 13.9.2010 hat das AG - Familiengericht - Bersenbrück den Antrag zurückgewiesen. Es hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen, mit der Begründung, dass dem erneuten Antrag die Rechtskraft des klagabweisenden Urteils des AG Bersenbrück vom 21.7.2009 - 16 F 23/09 - entgegenstehe.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde. Er macht geltend, dass die Annahme entgegenstehender Rechtskraft gegen das Prinzip der Rechtssicherheit verstoße. Ausweislich der Entscheidungsgründe des Urteils vom 21.7.2009 sei die Klage lediglich "derzeit" bzw. "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" als unbegründet abgewiesen worden. Er sei aufgrund dieser Formulierungen davon ausgegangen, dass nach Beschaffung der erforderlichen Unterlagen zur Darlegung aller Anspruchsvoraussetzungen noch einmal Klage bzw. ein Antrag eingereicht werden könne.

Er beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses des AG - Familiengericht - Bersenbrück vom 13.9.2010 - 16 F 127/10 - gemäß den Klägeranträgen erster Instanz zu entscheiden und zur erneuten Entscheidung an das AG zurückzuverweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Die Umstände, die ihre Leistungsfähigkeit und die entsprechende Haftungsquote begründen könnten, hätten bereits 2009 vorgelegen. Der Antragsteller habe es versäumt, diese substantiiert darzulegen. Dies habe sich nicht geändert. Die Antragstellerin sei daher mit ihrem Vortrag wegen entgegenstehender Rechtskraft präkludiert.

II. Die Beschwerde ist zulässig und hinsichtlich der Zulässigkeit des erneuten Antrags auch begründet.

Die Klage des Vorprozesses und der Antrag im gegenwärtigen Verfahren betreffen zwar denselben Streitgegenstand. Gleichwohl steht die Rechtskraft des Urteils des AG Bersenbrück vom 21.7.2009 dem erneuten Antrag nicht entgegen.

Gegenstand eines Rechtsstreits ist der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung aufgefasste eigenständige Anspruch des Anspruchstellers. Dieser wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, bestimmt. Der Klagegrund geht über die Tatsachen hinaus, welche die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen. Zu ihm sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden Betrachtungsweise zum Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht zu un...

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