Verfahrensgang

AG Osnabrück (Aktenzeichen 18 VI 1295/16)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Rechtspflegers des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Osnabrück vom 16.01.2017 abgeändert.

Die Tatsachen, die zur Erteilung des von der Antragstellerin am 12.08.2016 beantragten Erbscheins erforderlich sind, werden für festgestellt erachtet.

Das Amtsgericht wird ersucht, der Antragstellerin einen Erbschein zu erteilen, der die Antragstellerin zu 1/2 und die Beteiligten zu 2. bis 4. zu je 1/6 als Erben des Dr. H...-E.... K.... ausweist.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

3. Der Wert der Sache in der Beschwerdeinstanz wird auf bis zu 110.000 EUR

festgesetzt.

 

Gründe

Die nach §§ 58, 63 FamFG zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

I. Die Antragstellerin beantragt die Erteilung eines Erbscheins, der sie zu 1/2 und die Beteiligten zu 2. bis 4. zu je 1/6 als Erben des am 02.08.2016 verstorbenen Dr. H.....- K.... ausweist.

Der am ...1950 geborene Erblasser war als Tierarzt mit eigener Praxis berufstätig.

Die am ...1970 geborene Antragstellerin war zunächst Auszubildende in der Tierarztpraxis des Erblassers. Als die Antragstellerin ein Kind von dem Erblasser erwartete, planten die zukünftigen Eltern, zu heiraten.

Sie ließen am ...1993 einen Ehevertrag beurkunden, der für die Ehe den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft sowie den Versorgungsausgleich ausschloss.

Zum nachehelichen Unterhalt bestimmten sie, dass die Antragstellerin

"Ehegattenunterhalt nach der dann geltenden Rechtsprechung bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres unseres jüngsten Kindes"

erhalten und im Übrigen auf Unterhalt verzichten sollte.

Aus der am 29.09.1993 geschlossenen Ehe sind die Kinder J.....K.....geb., L.....K..... und Le.... K...., hervorgegangen.

Der Erblasser ist am ....2016 verstorben.

Am ....2016 hat die Antragstellerin beantragt, ihr einen Erbschein zu erteilen, wonach sie den Erblasser zu 1/2 und die übrigen Beteiligten diesen zu je 1/6 beerbt hätten. Dazu hat sie erklärt, dass für die Ehe der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft bestanden habe.

Das Amtsgericht hat für die noch minderjährigen Beteiligten eine Ergänzungspflegerin bestellt. Sie vertritt die Auffassung, dass die Antragstellerin eine Erhöhung ihres Erbteils zum Ausgleich des Zugewinns nicht beanspruchen könne, weil zwischen den Ehegatten Gütertrennung bestanden habe.

Die Antragstellerin meint, dass der Ehevertrag wegen einseitiger Benachteiligung der Antragstellerin unter Ausnutzung ihrer Unterlegenheit und ihrer Zwangslage sittenwidrig sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag der Antragstellerin abgewiesen. Sie könne nicht die Hälfte des Nachlasses für sich in Anspruch nehmen.

Ein Ausgleich des Zugewinns im Todesfall gemäß § 1371 Abs. 1 BGB sei durch den Ehevertrag ausgeschlossen; der Vertrag sei gültig, weil seine Sittenwidrigkeit nicht festgestellt werden könne.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und als "Einspruch" bezeichneten Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr erstinstanzliches Ziel weiter.

II. Die Antragstellerin hat ihren verstorbenen Ehemann zu 1/2 beerbt.

Das ergibt sich aus der Summe ihres Erbteils nach § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB und dem Ausgleich des Zugewinns nach § 1371 Abs. 1 BGB im Todesfall.

Die Antragstellerin beruft sich zu Recht darauf, dass die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben. Zwar hatten sie im Vertrag vom 31.08.1993 den Güterstand der Zugewinngemeinschaft ausgeschlossen und vereinbart, dass für ihre Ehe Gütertrennung gelten sollte.

Der Vertrag ist jedoch gemäß § 138 Abs. 1 BGB insgesamt nichtig und entfaltet deshalb keinerlei Wirkung.

Das ergibt sich aus der Wirksamkeitskontrolle nach Maßgabe der Rechtsprechung des BGH (zuletzt XII ZB 109/16 vom 15.03.2017 zur sogenannten "Unternehmerehe").

Die Gesamtschau aller Elemente des Ehevertrages ergibt eine objektiv unangemessene Benachteiligung der Ehefrau. Die darin getroffenen Vereinbarungen sind, gemessen an den gesetzlichen Scheidungsfolgeansprüchen, für die Antragstellerin durchweg nachteilig.

Zwar sollte ihr der Anspruch auf Unterhalt wegen Kindesbetreuung "nach Maßgabe der dann geltenden Rechtsprechung bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des jüngsten Kindes" erhalten bleiben. Im Falle einer Ehescheidung hätte sie also nach den tatsächlich gegebenen Umständen noch Unterhalt erhalten, bis das jüngste Kind am 01.07.2010 das 8. Lebensjahr vollendet hätte. Das hätte allerdings auch bedeutet, dass sie danach trotz Betreuung der dann 8 und 10 Jahre alten beiden jüngeren Kinder keinerlei Unterhalt mehr bekommen hätte. Der Vertrag schließt darüber hinaus Unterhaltsansprüche wegen Alters und Krankheit aus, die ebenfalls zum Kernbereich der Scheidungsfolgen gehören. Er schließt auch jeglichen Unterhalt zum Ausgleich ehebedingter Nachteile oder zu einer Teilhabe an dem in der Ehe entwickelten Lebensstandard aus.

Der Aus...

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