Gestörte Vertragsparität

Allein aus der Unausgewogenheit des Vertragsinhalts ergibt sich die Sittenwidrigkeit des gesamten Ehevertrags regelmäßig noch nicht. Ein Ehevertrag kann sich in einer Gesamtwürdigung nur dann als sittenwidrig und daher als insgesamt nichtig erweisen, wenn konkrete Feststellungen zu einer unterlegenen Verhandlungsposition des benachteiligten Ehegatten getroffen worden sind.[1]

Einzelfälle

Probleme mit solchen Ungleichgewichten können sich bei Eheverträgen mit Unternehmern ergeben, vor allem aber mit einer Schwangeren.

 
Praxis-Beispiel

Vertrag mit schwangerer Ehefrau

Vertrag auf "Augenhöhe"?

Eheleute hatten im Jahr 1993 geheiratet und kurz zuvor einen Ehevertrag abgeschlossen, in dem Gütertrennung vereinbart, der Versorgungsausgleich ausgeschlossen und Ehegattenunterhalt auf den Betreuungsunterhalt bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des jüngsten Kindes beschränkt wird. Die Ehefrau ist 20 Jahre jünger als der Ehemann. Bei Abschluss des Vertrags war sie schwanger und arbeitete als Auszubildende des Ehemanns, der als Tierarzt eine eigene Praxis führt. Aus der Ehe gingen 3 Kinder hervor.

Ehevertrag bei "Gesamtschau" sittenwidrig

Nach Auffassung des OLG Oldenburg[2] war der Ehevertrag entsprechend der Rechtsprechung des BGH zur Wirksamkeitskontrolle gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit insgesamt nichtig. In objektiver Hinsicht sind die hier getroffenen Vereinbarungen durchweg nachteilig. Der Betreuungsunterhalt wurde zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, jedoch begrenzt. Darüber hinaus wurden Unterhaltsansprüche wegen Alters und Krankheit, die ebenfalls zum Kernbereich der Scheidungsfolgen gehören, ausgeschlossen, ebenso jeglicher Unterhalt zum Ausgleich ehebedingter Nachteile. Der Ausschluss des Zugewinnausgleichs führt für sich betrachtet nicht zur Sittenwidrigkeit, auch dann nicht, wenn schon bei Vertragsschluss absehbar ist, dass die Ehefrau ganz oder teilweise nicht erwerbstätig sein wird; denn es kann ein legitimes Interesse eines Unternehmers sein, das Vermögen seines Erwerbsbetriebs einem möglicherweise existenzbedrohenden Zugriff seines Ehegatten im Scheidungsfall zu entziehen. Die Gesamtschau aller getroffenen Regelungen ist jedoch, gemessen an den gesetzlichen Scheidungsfolgeansprüchen, objektiv für die Ehefrau nachteilig. Es kann eine verwerfliche Gesinnung des Ehemanns angenommen werden, da zusätzlich zu dem objektiv benachteiligenden Vertragsinhalt Umstände hinzutreten, die auf eine einseitige Dominanz des Ehemanns schließen lassen. Es liegt nahe, dass die Ehefrau den Vertrag auch deshalb abgeschlossen hat, weil sie schwanger war. Sie war ihrem Ehemann aufgrund des Altersunterschieds in Lebenserfahrung und der unterschiedlichen Bildung unterlegen. Außerdem stand sie als Auszubildende ihrem Arbeitgeber gegenüber.

Fazit: Da der Ehevertrag keinerlei Wirkung entfaltet, haben die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt.

Ehevertrag mit Ausländerin

Das Ansinnen eines Ehegatten, eine Ehe nur unter der Bedingung eines Ehevertrags eingehen zu wollen, begründet für sich genommen auch bei Vorliegen eines Einkommens- und Vermögensgefälles für den anderen Ehegatten in der Regel noch keine (Zwangs-)Lage, aus der ohne Weiteres auf eine gestörte Vertragsparität geschlossen werden kann. Etwas anderes gilt aber ausnahmsweise dann, wenn der mit dem Verlangen nach dem Abschluss eines Ehevertrags konfrontierte Ehegatte erkennbar in einem besonderen Maße auf die Eheschließung angewiesen ist. Dies ist insbesondere bei einem Ehevertrag mit einem von der Ausweisung bedrohten Ausländer zu beachten.[3]

Beweislast

Die Beweislast für eine von ihm behauptete Drucksituation bei Errichtung der Vertragsurkunde trägt der Ehegatte, der sich auf die Sittenwidrigkeit des Ehevertrags beruft.[4]

Wirkung der Nichtigkeit

Ergibt die Wirksamkeitskontrolle des Ehevertrags, dass einzelne ehevertragliche Regelungen zu – kernbereichsnäheren – Scheidungsfolgen bei isolierter Betrachtungsweise sittenwidrig und daher nichtig sind, so ist nach § 139 BGB im Zweifel der gesamte Ehevertrag nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne die unwirksamen Bestimmungen geschlossen sein würde.[5]

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