Leitsatz (amtlich)

›Verletzt der Versicherungsnehmer Obliegenheiten nach § 2 b Abs. 1 e AKB (Fahren unter Alkoholeinfluß) und anschließend nach § 7 I Abs. 2 AKB (Verletzung der Aufklärungspflicht durch Unfallflucht), so ist die Regreßbefugnis des Versicherers auf den Betrag von 10.000 DM begrenzt. Der Versicherer kann vom Versicherungsnehmer nicht für jede Obliegenheitsverletzung jeweils 10.000 DM (vorliegend 20.000 DM) verlangen.‹

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen. (Im Berufungsverfahren hat keine Beweisaufnahme stattgefunden).

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, §§ 511 ff. ZPO.

II. In der Sache selbst hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Der Senat ist mit dem Landgericht der Auffassung, daß die Beklagte gegen den Kläger nicht wegen zweier selbständiger Obliegenheitsverletzungen (vor und nach dem Versicherungsfall) Regreß in Höhe von insgesamt 20.000,00 DM verlangen kann. Ihr steht vielmehr lediglich die Regreßbefugnis aus §§ 2 b Abs. 1 e AKB, 6 Abs. 1 und 2 VVG zu. Diese ist jedoch gemäß § 2 b Abs. 2 Satz 1 AKB auf den Betrag von 10.000,00 DM begrenzt.

Die darüber hinaus - formell - verletzte Obliegenheit aus 7 I Abs. 2 Satz 2 AKB ist demgegenüber subsidiär und führt jedenfalls im Streitfall - zu keiner Erhöhung der Regreßgrenze.

Nach Auffassung des Senats ist danach zu differenzieren, ob die konkurrierenden Obliegenheiten die gleiche Stoßrichtung haben und dasselbe Interesse des Versicherers schützen sollen.

Im einzelnen gilt folgendes:

1. Bei der dem Versicherungsnehmer vertraglich auferlegten Obliegenheit aus 2 b Abs. 1 e AKB, die dieser vor dem Versicherungsfall zu erfüllen hat, handelt es sich um eine Obliegenheit zur Verhütung einer Gefahrerhöhung im Sinne der §§ 6 Abs. 2, 32 VVG (vgl. Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, RZ 3 zu 2 b AKB, Weyers, Versicherungsvertragsrecht, 2. Aufl., RZ 548). Diese Obliegenheit ist deshalb als eine Spezialregelung gegenüber den §§ 23 ff. VVG anzusehen und verdrängt deshalb die gesetzlichen Vorschriften über die Gefahrerhöhung (vgl. BGH VersR 97, 921; Jacobsen, a.a.O., RZ 75 zu § 2 b AKB, Weyers, a.a.O., RZ 548).

Ebenso wie die gesetzlichen Vorschriften über die Gefahrerhöhung bezweckt deshalb diese Obliegenheit und deren Sanktion die Vermeidung einer nachträglich eingetretenen Äquivalenzstörung (vgl. BGH VersR 79, 73; Römer/Langheid, VVG, Rz. 3 zu § 23 f VVG, Prölss/Martin, 26. Aufl., Rz. 1 zu § 23 VVG). Der Versicherer kalkuliert in der Regel eine Erhöhung der bei Abschluß des Versicherungsvertrags bestehenden Gefahr nicht in seine Prämie ein. Er soll deshalb auch für eine durch die Gefahrerhöhung eintretende Verwirklichung des übernommenen Risikos in diesem Falle nicht haften (vgl. Langheid, a.a.O.; Weyers, a.a.O., Rz. 504 f).

Dieser Zweck wird rechtstechnisch durch die Normierung der Leistungsfreiheit in §§ 2 b, Abs. 1 e, 6 Abs. 1 und 2 VVG erreicht.

2. In die gleiche Richtung zielt aber die Schutzfunktion des § 7 I Abs. 2 Satz 2 AKB in den Fällen, in denen -wie hier- die Ermittlung eines mit dem Versicherungsfall im Zusammenhang stehenden Leistungsausschlusses in Frage steht:

Zweck der Aufklärungsobliegenheit aus § 7 I Abs. 2 Satz 2 AKB ist es, dem Versicherer die sachgerechte Prüfung der Voraussetzung seiner Leistungspflicht nach Grund und Höhe zu ermöglichen. Dazu gehört auch die Feststellung solcher mit dem Schadensereignis zusammenhängender Tatsachen, aus denen sich eine Leistungsfreiheit des Versicherers (Leistungsausschluß) ergeben kann (vgl. BGH VersR 87, 657; 98, 2281 2000, 222).

Selbst bei eindeutiger Haftungslage besteht deshalb insoweit ein schutzwürdiges Aufklärungsinteresse des Versicherers. In der Kaskoversicherung geht es dem Versicherer in erster Linie darum zu prüfen, ob er nach § 61 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, weil, der Versicherungsnehmer den Unfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit für den Unfall ursächlich war.

Aber auch in der -wie hier- Kfz-Haftpflichtversicherung besteht wegen möglicher Leistungsfreiheiten nach § 2 b Abs. 1 e AKB 95 ein Interesse des Versicherers daran, die Person des Fahrers und dessen Alkoholisierung festzustellen (vgl. BGH VersR 2000, 222). Deshalb besteht der Zweck der Aufklärungsobliegenheit im wesentlichen darin, den Versicherungsnehmer auch zu zwingen, an der Aufklärung des Sachverhalts auch insoweit mitzuwirken, als es um Tatsachen geht, die zum Verlust des Versicherungsschutzes wegen einer beim Unfall begangenen Obliegenheitsverletzung führen können (vgl. BGH VersR 77, 272; 2000, 222).

Verletzt der Versicherungsnehmer schuldhaft (vorsätzlich oder grob fahrlässig, § 6 Abs. 3 VVG) diese Obliegenheit, so wird der Versicherer in gleicher Weise leistungsfrei, wie wenn die Aufklärungsbemühung des Versicherers zur Feststellung des tatsächlichen Leistungsausschlusses aus § 6 Abs. 1 und 2 VVG geführt hätte. Zum Nachteil des. Versicherun...

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