Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufung, Auslegung, Vertragsschluss, Haftung, Kennzeichnung, Leistung, Form, Schutzgesetz, Implantation, Feststellungsantrag, Beteiligung, Nachweis, Versicherter, Revisionsoperation, Treu und Glauben, Sinn und Zweck, Urteil des EuGH

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 09.05.2018; Aktenzeichen 11 O 7069/13)

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 20.03.2014; Aktenzeichen 11 O 7069/13)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 27.02.2020; Aktenzeichen VII ZR 151/18)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.03.2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil und das landgerichtliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 75.287,15 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz und Feststellung aus übergegangenem Recht (§ 116 SGB X). Ihrem Vortrag nach hat sie in 26 Fällen die Operationskosten für bei ihr versicherte Frauen erstattet, denen in den Jahren 2003 bis 2010 Silikonbrustimplantate der f. ... Firma P. .(...) eingesetzt worden seien und die diese aufgrund einer Empfehlung des BfArM hätten entfernen lassen.

Zur Darstellung des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.03.2014 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil sie jedenfalls unbegründet sei. Die Klägerin habe weder einen Anspruch aus unerlaubter Handlung noch aufgrund eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Auch Pflichtverletzungen könnten nicht nachgewiesen werden.

Mit der Berufung gegen das landgerichtliche Urteil verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiter und formuliert ihren Feststellungsantrag um.

Sie beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin den bisher bezifferbaren, kongruenten Regressschaden in Höhe von 50.287,15 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin einen über den Klageantrag zu 1.) hinausgehenden Regressschaden zu ersetzen, welcher der Klägerin aufgrund von Revisionsoperationen, der bei der Klägerin versicherten und mit dem ...-Brustimplantaten versorgten Patientinnen entstanden sind, aber noch nicht beziffert werden konnten und in Zukunft noch entstehen werden, soweit die Ansprüche aus übergegangenem Recht der Versicherten:

1. ...

2. ...

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26. ...

betroffen sind und darüber hinaus die Fälle noch unbekannter Versicherter, die ebenfalls Trägerinnen der fehlerhaften ...-Brustimplantate sind oder waren und noch nicht identifiziert werden konnten.

Die Beklagte hat

die Zurückweisung der Berufung beantragt.

II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 517, 519, 520 ZPO.

In der Sache bleibt die Berufung aber ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Der Feststellungsantrag ist in der geänderten (klarstellenden) Fassung zulässig. Es ist über die namentlich bekannten Fälle hinaus derzeit unklar, ob weitere bei der Klägerin versicherte Frauen von dem ...-Skandal betroffen sind, sich dementsprechend auch ihre fehlerhaften Brustimplantate herausnehmen ließen und diese durch neue Brustimplantate ersetzt haben oder ob dies zukünftig noch durch weitere Versicherte vorgenommen werden wird. Unklar ist auch, ob sich zukünftig neue Patientinnen einer Revisionsoperation aufgrund der Fehlerhaftigkeit der ...-Brustimplantate unterziehen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es auch andere bei der Klägerin versicherte Frauen gibt, die von der Fehlerhaftigkeit ihrer Brustimplantate noch keine Kenntnis erlangt haben, so dass sie die Entfernung der Brustimplantate erst zukünftig vornehmen werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich auch nicht um ein allgemeines Klärungsinteresse, vielmehr wäre der Schaden bereits mit der Implantation eingetreten, künftige Schadensfolgen wären möglich, der tatsächliche Schadenseintritt aber noch ungewiss. Gleichfalls ist unklar, ob bei den bisher bekannten 26 Frauen weitere Folgekosten entstehen.

2. Ein Anspruch gegen die Beklagte kommt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht.

a) Der EuGH stellt in seinem Urteil vom 16.02.2017 (Rs.: C-219/15, Rn. 15) klar, dass, obwohl die Medizinprodukterichtlinie auch dem Schutz der Patienten dient, eine haftungsrechtliche Verantwortung der "Benannten Stelle" nach der Ric...

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