Entscheidungsstichwort (Thema)

Betäubungsmittelstrafrecht: Fahrlässiges unerlaubtes Handeltreiben, Vertrieb von Hanftee

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Beim Vertrieb von Hanftee mit THC-Gehalt handelt es sich grundsätzlich um ein erlaubnispflichtiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, weil die Betäubungsmitteleigenschaft eines Stoffes gem. § 1 Abs. 1 BtMG allein durch seine Aufnahme in die Positivliste der Anlagen I-III begründet wird, ohne dass es zusätzlich auf die konkrete Berauschungsqualität oder die Konsumfähigkeit des Stoffes ankommt (BayObLG St 2002, 135).

2. Die zu Anlage I Teil B Stichwort "Cannabis" lit. b getroffene Ausnahmeregelung (15. BtMÄndV vom 19.6.2001) greift nur dann ein, wenn es sich um Pflanzen und Pflanzenteilen der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen handelt, deren Gehalt an THC 0,2 % nicht übersteigt oder die aus dem Anbau in Ländern der Europäischen Union mit näher bestimmten zertifiziertem Saatgut stammen, und wenn der Verkehr mit ihnen ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen.

3. Ein Fahrlässigkeitsvorwurf kann auch darin begründet liegen, dass der Täter beim Handel sich um die Betäubungsmitteleigenschaft seiner Stoffe und Waren nicht oder unzureichend kümmerte und sie deshalb pflichtwidrig nicht kannte. Es kann deshalb nur dann verneint werden, wenn die Angeklagten aus anderen Gründen darauf vertrauen durften, es handelte sich um ein THC-freies Produkt, z.B. weil ihnen ein Zertifikat des Großhändlers über regelmäßig durchgeführte Kontrollen vorlag bzw. sonstige Erkenntnisse über die Zuverlässigkeit und Produktüberprüfungen im Hinblick auf einen etwaigen THC-Gehalt durch den Großhändler. Der bloße Hinweis des Berufungsgerichts auf den Bezug des Hanftees von einem "Großhändler" vermag die Angeklagten daher nicht von ihrer Prüfpflicht zu entlasten, zumal über die Firma des Großhändlers und dessen Zuverlässigkeit im Urteil keine näheren Feststellungen getroffen wurden.

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 04.07.2005)

AG Erlangen (Urteil vom 03.03.2005)

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Erlangen hat die Angeklagten am 3.3.2005 vom Vorwurf der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln freigesprochen.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat die Berufung der Staatsanwaltschaft am 4.7.2005 als unbegründet verworfen.

Mit ihrer Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Die Revision ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, §§ 344, 345 SPO) und hat (jedenfalls vorläufigen) Erfolg.

Die Urteilsbegründung des Berufungsgerichts trägt einen Freispruch der Angeklagten nicht.

1. Das Landgericht Nürnberg-Fürth trifft in dem Urteil vom 4.7.2005 unter III 3. zum Sachverhalt folgende Feststellungen:

a) "Die Angeklagten boten zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt Anfang Dezember 2003 in ihrem Hanfladen in E. mindestens eine Packung "Hanftee mit Zitronenverbene und Brombeerblättern" mit einem Gewicht von mindestens 34,9 g und einem THC-Gehalt von 0,0034 % (= 0,0011866 g THC) zum Verkauf an. Der anderweitig Verfolgte R., geb. am 29.08.1989, kaufte im genannten Zeitraum diese Packung zum Preis von ca. 4,50 EUR. Die Angeklagten nahmen bei dem Betrieb des Hanfladens zumindest billigend in Kauf, dass der Hanftee auch an Personen verkauft werden würde, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

b) Die Angeklagten hielten am 16.03.2004 um 11.00 Uhr in dem oben genannten Hanfladen 4 Päckchen "Hanftee mit schwarzen Johannisbeerblättern und Brombeerblättern" mit einem Gewicht von 37,2 g und einem THC-Gehalt von 0.0065 % (= 0,0024 g THC), sowie 4 Päckchen "Hanftee mit Brennesel und Brombeerblättern" mit einem Gewicht von 36,6 g und einem THC-Gehalt von 0,0076 % (= 0,0028 g THC) für den gewinnbringenden Weiterverkauf bereit.

c) Die Angeklagten waren nicht im Besitz der für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderlichen gesundheitsrechtlichen Erlaubnis."

2. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat die Angeklagten vom Vorwurf der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahren an eine Person unter 18 Jahren nach § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG - die Angabe von § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG im Urteil des Landgerichts (S. 16) dürfe ein Schreibversehen sein - und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr . 1 BtMG aus rechtlichen Gründen freigesprochen, da es weder ein vorsätzliches noch ein fahrlässiges Verhalten der Angeklagten als nachgewiesen ansah.

III.

Der Rechtsansicht des Landgerichts kann - soweit ein fahrlässiges Verhalten der Angeklagten verneint wurde - nicht gefolgt werden.

1. Beim Vertrieb von Hanftee mit THC-Gehalt handelt es sich grundsätzlich um ein erlaubnispflichtiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, weil die Betäubungsmitteleigenschaft eines Stoffes gem. § 1 Abs. 1 BtMG allein durch seine Aufnahme in die Positivliste der Anlagen I-III begründet wird, ohne dass es zusätzl...

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