Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 08.02.2000; Aktenzeichen 8 O 4924/96)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8. Februar 2000 abgeändert.

II. Die Beklagten werden gesamtverbindlich verurteilt, an die Klägerin als Schmerzensgeld weitere 15.000,00 DM nebst 4 % Zinsen aus 35.000,00 DM seit 05.06.1996 zu bezahlen.

III. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

IV. Von den Kosten des 1. Rechtszuges tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 78 %, die Klägerin 22 %, von den Kosten des Berufungsverfahrens die Klägerin 25 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 75 %.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Beschwer der Beklagten wird auf 15.000,00 DM, die der Klägerin auf 5.000,00 DM festgesetzt.

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäߧ 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Im Berufungsverfahren ist kein Beweis erhoben worden.

1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 511 ff. ZPO).

2. Das Rechtsmittel hat überwiegend Erfolg. Der Senat hält angesichts der erheblichen Verletzungen der Klägerin, namentlich der Dauerfolgen, welche auf den Verkehrsunfall vom 22. September 1994 zurückzuführen sind, unter Berücksichtigung eines gleichwertigen Mitverschuldens der Klägerin ein Schmerzensgeld von insgesamt 35.000,00 DM (zusätzlich 15.000,00 DM zu dem vom Landgericht zuerkannten Betrag) für angemessen gemäߧ 847 BGB.

a) Die Voraussetzung für den Anspruch auf Schmerzensgeld, daß nämlich der Beklagte zu 1) die Körperverletzung der Klägerin rechtswidrig und schuldhaft gemäߧ 823 Abs. 1 BGB verursacht hat, steht aufgrund des nur von der Klägerin angefochtenen landgerichtlichen Urteils rechtskräftig fest.

b) Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sind neben den erlittenen Schmerzen und Verletzungen auch die sonstigen schädlichen Nachteile zu berücksichtigen, die sich nicht oder nicht faßbar auf das Vermögen des Verletzten auswirken.

Von Gewicht sind dabei zunächst die durch den Unfall verursachten, sofort manifesten Verletzungen, die durch das Landgericht aufgrund des Zugeständnisses der Beklagten sowie der erholten Gutachten von Dr. S. (vom 10. Dezember 1998) und Prof. Dr. K. (vom 4. Oktober 1999) festgestellt wurden:

- offenes Schädelhirntrauma

- rechtstemporale Kontusionsblutung

- Felsenbeinfraktur rechts

- Perforation des Trommelfells rechts

- Hämatotympanon und diskrete Hämatoliquorrrhoe rechts

Ferner sind einzubeziehen die Dauer des Krankenhausaufenthalts vom 22. September bis 6. Oktober 1994, die anschließende, sich aus den schweren Verletzungen ohne weiteres erklärende wochenlange Hauskrankheit, die notwendigen häufigen Arztbesuche sowie die jetzt noch bestehenden und teilweise nicht besserungsfähigen weiteren Unfallfolgen, die sich aus den glaubhaften Angaben der Klägerin bei ihrer Anhörung durch das Landgericht am 15. Oktober 1996 und durch den Senat am 6. November 2000, wie aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K. ergeben:

- vollständige Anosemie

- Teilverlust des Geschmacksinns

- Kopfschmerzen 2-3mal je Woche

- erhöhtes Schlafbedürfnis

- herabgesetzte Belastbarkeit

- herabgesetzte Konzentrationsfähigkeit

- verstärkte Tagesmüdigkeit

- vermehrtes Angstempfinden in Streßsituationen

- vermehrte Aggressivität

Hinzu kommt, daß die Klägerin, wie durch die vorerwähnten Verletzungen und Verletzungsfolgen ohne weiteres erklärlich, unfallbedingt ihre Ausbildungspläne abändern mußte, wodurch statt der zur Unfallzeit schon in die Wege geleiteten zweijährigen, eine dreijährige Ausbildungszeit notwendig wurde.

Gerade diesem Umstand mißt der Senat große Bedeutung bei, weil der Eingriff in die Lebensplanung im allgemeinen als besonders schmerzlich empfunden wird. Als einschneidend sind besonders zu werten die vollständige bzw. teilweise Einbuße des Geruchs- und Geschmackssinns. Sie bedeutet eine dauernde Minderung der Lebensqualität, weil sie die Klägerin von der Wahrnehmung eines Teils ihrer Umwelt ganz bzw. teilweise ausschließt. Abgesehen davon, daß ihr die Unterscheidung wohlschmeckender von verdorbenen Speisen kaum mehr, die Wahrnehmung der vielfältigen Gerüche der umgebenden Natur und der zum Riechgenuß geschaffenen Duftstoffe überhaupt nicht mehr möglich ist, entfällt damit weitgehend auch die wichtige Warnfunktion, welche ursprüngliche Aufgabe von Geruchs- und Geschmasckssinn ist; denn für den Menschen schädliche Stoffe kündigen sich häufig durch üblen Geruch und schlechten Geschmak an. Schließlich ist zu bedenken, daß die Sinneseinbuße einen jungen Menschen stärker trifft als einen älteren, die zur Unfallzeit erst 18 Jahre alte Klägerin darunter also besonders zu leiden hat. Gleiches gilt auch für die Einbuße an Erwerbsfähigkeit, welche der Sachverständige Prof. Dr. K. für den Senat überzeugend mit dauerhaft 30 % angesetzt hat. Es mag sein, daß diese Minderung bei einem Menschen im vorgerückten Alter ohne größere Bedeutung ist. Von einem jüngeren hingegen wird der Vollbesitz der Kräfte und Fähigkeiten als selbstverständlich empfunden und jede Einbuße wi...

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