Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozessgebühr für Gegenanwalt zwischen Zustellung und Rücknahme einer Klageerweiterung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine rechtskräftige Kostengrundentscheidung ist auch dann verbindlich, wenn sie mit der Erfolglosigkeit einer Klageerweiterung begründet wird, die der Kläger zwar ursprünglich eingereicht, aber noch vor Antragstellung zurückgenommen hatte.

2. Befasst sich der Prozessbevollmächtigte der beklagten Partei in der Zeit zwischen Zustellung einer Klageerweiterung und deren Rücknahme mit dem erweiterten Antrag, ohne dass dies aber nach außen sichtbar geworden ist, so steht ihm (nur) eine halbe Prozessgebühr nach § 32 Abs. 1 BRAGO zu.

3. Fällt aus dem einen Teil des Streitwerts eine volle, aus dem anderen nur eine halbe Prozessgebühr an, so wird die dem Rechtsanwalt zustehende Gesamt-Prozessgebühr der Höhe nach auf eine volle Prozessgebühr aus dem Gesamt-Streitwert begrenzt.

 

Normenkette

ZPO § 91; BRAGO §§ 31-32

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 4 O 8197/00)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 6.6.2001 in der Fassung vom 10.10.2001 dahin geändert, dass der Kläger dem Beklagten über die bereits festgesetzten Kosten hinaus weitere 1.044 DM zu erstatten hat nebst 4 % Zinsen aus 858,40 DM seit 26.4.2001 und aus 185,60 DM seit 28.9.2001.

Die weiter gehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 1.044 DM.

 

Gründe

I. Der Rechtsbehelf, den der Prozessbevollmächtigte des Beklagten aus eigenem Recht eingelegt hat, stellt der Sache nach eine sofortige Beschwerde dar. Als solche ist das Rechtsmittel zulässig (§ 9 Abs. 2 BRAGO, § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO; § 11 Abs. 1 RPflG).

II. Die sofortige Beschwerde hat im Ergebnis Erfolg.

1. Auslöser der Meinungsverschiedenheit über die Höhe der zu erstattenden Kosten sind unterschiedliche Vorstellungen darüber, welcher Streitwert für die Bemessung der Prozessgebühr heranzuziehen ist.

Die umstrittene Streitwert-Differenz wiederum beruht darauf, dass der Kläger mit Anwaltsschriftsatz vom 27.12.2000 eine Klageerweiterung eingereicht, diese jedoch mit Schriftsatz vom 8.1.2001 wieder „reduziert” hatte. Beide Schriftsätze wurden dem Beklagten zunächst nicht förmlich zugestellt, sondern nur formlos bekannt gegeben, der erste am 2.1.2001, der zweite kurz nach seinem Eingang bei Gericht. Förmlich zugestellt wurden beide Schriftsätze erst am 15.1.2001, und zwar zusammen mit der Terminsverfügung vom 9.1.2001. In der mündlichen Verhandlung vom 22.3.2001 wurden dann nur die ermäßigten Klageanträge gestellt.

Bis zum Erlass des Endurteils vom 25.4.2001 scheint schließlich das Gericht aus den Augen verloren zu haben, dass der Kläger den am 27.12.2001 angekündigten erweiterten Klageantrag nie gestellt, sondern sich in der mündlichen Verhandlung vom 22.3.2001 ausdrücklich auf den ermäßigten Klageantrag beschränkt hatte. Insoweit steht der im Urteilstatbestand wiedergegebene Klageantrag im Widerspruch zum Protokoll (vgl. § 314 ZPO) und zum übereinstimmenden Sachvortrag der Beteiligten (übrigens auch zum späteren Streitwert-Berichtigungsbeschluss vom 20.7.2001). Sinngemäß das Gleiche gilt für den Klageabweisungsantag des Beklagten. Auch hier ergibt sich aus dem Protokoll und dem Sachvortrag der Beteiligten eindeutig, dass sich der tatsächlich gestellte Abweisungsantrag nur auf den (zwischenzeitlich erhöhten, dann aber wieder) ermäßigten Klageantrag bezog, während der Urteilstatbestand in der Zusammenschau mit dem vorangestellten Klageantrag den gegenteiligen Eindruck erweckt.

Infolge dieses Versehens unterscheidet das Endurteil vom 25.4.2001 nicht zwischen Kosten, die der Kläger nach § 91 ZPO als Unterlegener, und solchen, die er nach § 269 Abs. 3 ZPO wegen der Rücknahme seiner Klage zu tragen gehabt hätte. Vielmehr erlegt es dem unterlegenen Kläger pauschal „die Kosten des Rechtsstreits” auf und stützt diese Entscheidung ausschließlich auf § 91 ZPO.

Ein bewusstes Ausklammern derjenigen Kosten, die auf den zurückgenommenen Teil der Klage entfallen, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Im Gegenteil, der Wortlaut des Kostentenors i.V.m. dem Wortlaut der im Tatbestand wiedergegebenen Klageanträge, mit der Sachverhaltsdarstellung im Urteilstatbestand (speziell S. 3 unten), mit der zur Begründung der Kostenentscheidung allein zitierten Vorschrift § 91 ZPO und mit dem im Urteil enthaltenen ursprünglichen Streitwertbeschluss lässt keine andere Deutung zu, als dass das Gericht dem Kläger tatsächlich die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegen wollte und hierbei davon ausging, mit seinem Urteil über den vollen – also erweiterten – Klageantrag zu entscheiden.

2. Daraus folgt, dass das LG im Endurteil vom 25.4.2001

– in der Sache selbst über den erhöhten, wenn auch nie formell gestellten Klageantrag

– im Kostenausspruch über die gesamten Kosten des Rechtsstreits (einschließlich der durch den erhöh...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge