Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsfähigkeit der Prozessgebühr, wenn nach einem Mahnverfahren der Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens vom Antragsteller zurückgenommen wird, jedoch später der Antragsgegner einen entsprechenden Antrag stellt

 

Leitsatz (amtlich)

Die Fragen,

a. ob eine anwaltliche Gebühr entstanden ist,

b. ob sie erstattet werden muss,

sind im Kostenfestsetzungsverfahren gesondert nach den maßgeblichen Bestimmungen der BRAGO einerseits und nach § 91 ZPO andererseits zu prüfen.

Stellt der Anwalt des Antragsgegners trotz fehlender Klagebegründung einen Klageabweisungsantrag, kann die Gebühr des § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO entstehen, sie ist jedoch nicht erstattungsfähig. Das ändert sich, wenn der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners später einen Termin zur mündlichen Verhandlung beantragt (§ 697 Abs. 3 S. 1 ZPO). Darin liegt ein das Streitverfahren einleitender Antrag, so dass § 32 Abs. 1 BRAGO nicht mehr anwendbar ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 91, 694, 697; BRAGO §§ 31-32, 43

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 15 O 425/89)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Koblenz vom 15.1.2001 dahin geändert, dass der von der Klägerin an den Beklagten zu erstattende Kostenbetrag auf 640,90 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 6.9.2000 festgesetzt wird.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.

Der Beschwerdewert beträgt 594,50 DM.

 

Gründe

Das fristgerecht eingelegte Rechtsmittel hat Erfolg. Mit der Klägerin ist davon auszugehen, dass der Erstattungsanspruch des Beklagten, den der Rechtspfleger an einer vollen anwaltlichen Prozessgebühr gem. § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO ausgerichtet hat, auf den Betrag zu beschränken ist, der sich bei Ansatz lediglich einer halben Gebühr ergibt. Dann gelangt man einschließlich der Pauschale des § 26 BRAGO und der Mehrwertsteuer zur Festsetzung von lediglich 640,90 DM.

Ausgangspunkt des angefochtenen Beschlusses ist allein die die Klägerin belastende Kostengrundentscheidung vom 16.6.2000. Demgemäß ist lediglich über die bis zu diesem Zeitpunkt erstattungsfähigen Kosten zu befinden. Welche Erstattungsforderungen des Beklagten sich außerdem durch die zusätzliche Kostengrundentscheidung vom 9.10.2000, die der Klägerin „die weiteren Kosten des Rechtsstreits” auferlegt hat, ergeben können, ist derzeit nicht von Belang. Vor diesem – begrenzten (Zeit bis zum 16.6.2000) – Hintergrund gilt:

Zwar ist für den Prozessvertreter des Beklagten eine volle Prozessgebühr erfallen, indem er die Interessenvertretung des Beklagten in dem laufenden, von der Klägerin in Gang gesetzten streitigen Verfahren wahrnahm. Dass die Klägerin den Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens mit Schriftsatz vom 21.3.2000 zurückgenommen hat, ändert daran nichts. Ein Fall des § 32 Abs. 1 BRAGO, der die Prozessgebühr auf die Hälfte ermäßigen würde, liegt nicht vor, weil der Prozessvertreter bereits unter dem 21.2.2000 die Abweisung der Klage beantragt hatte. Aber das sagt nichts Entscheidendes für die Höhe des Erstattungsanspruchs des Beklagten.

Erstattungsfähig sind nämlich nur die Kosten, die zu einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO erforderlich waren. Im Rahmen des zur Rechtsverteidigung Erforderlichen hätte indessen darauf verzichtet werden können, einen Klageabweisungsantrag zu stellen, da keine Anspruchsbegründung durch die Klägerin vorlag (KG NJW 1973, 909 f.; OLG Oldenburg JurBüro 1990, 1625). Dann wäre, bezogen auf die Zeit bis zum 16.6.2000, in Anwendung des § 32 Abs. 1 BRAGO lediglich eine halbe Prozessgebühr erfallen. Demgemäß ist der Festsetzungsbetrag zu beschränken.

Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Kostengrundentscheidung vom 9.10.2000, auf die es im vorliegenden Verfahren nicht ankommt, die Festsetzung einer weiteren halben Prozessgebühr zugunsten des Beklagten trägt. Das beruht darauf, dass der Prozessvertreter des Beklagten mit Schriftsatz vom 3.7.2000 seinerseits einen Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens und damit einen verfahrenseinleitenden Antrag i.S.d. § 32 BRAGO (OLG Hamm JurBüro 1981, 870; OLG Schleswig JurBüro 1984, 405) gestellt hatte und die Stellung dieses Antrags nach den Umständen geboten war: Der Prozess war mit für den Beklagten auf Dauer nicht hinnehmbaren Unsicherheiten belastet. Die Klägerin hatte einerseits ihren ursprünglichen Antrag, in das streitige Verfahren einzutreten, zurückgezogen, andererseits aber nicht von ihrem Mahnantrag Abstand genommen. Im Hinblick darauf war der Beklagte berechtigterweise daran interessiert, seinerseits für Klarheit zu sorgen und den Fortgang des Verfahrens zu betreiben. Damit handelte es sich bei der diesbezüglichen Antragstellung um eine prozessnotwendige Maßnahme (OLG Koblenz, Beschl. v. 26.8.1993 – 14 W 562/93; OLG Bamberg JurBüro 1981, 712; OLG Hamm JurBüro 1981, 870; v. 17.1.1989 – 23 W 699/88, MDR 1989, 648 [649]; OLG Oldenburg JurBüro 1990, 1625 f.; OLG Saarbrücken JurBüro 1988, 193 [194]).

Der Kos...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge