Entscheidungsstichwort (Thema)

(Teil-)Kostenerstattung für Unterbevollmächtigten

 

Leitsatz (amtlich)

Kosten für die Wahrnehmung des Gerichtstermins durch einen am Sitz des entfernten Prozessgerichts ansässigen Unterbevollmächtigten können in Höhe einer (fiktiven) Ratsgebühr – zuzüglich Kosten einer (fiktiven) Informationsreise der Partei – erstattungsfähig sein, wenn sich die auswärts wohnende Partei aus vertretbaren Gründen zunächst an einen ortsansässigen Rechtsanwalt gewandt und ihn sodann zum Hauptbevollmächtigten bestellt hatte.

 

Normenkette

ZPO § 91

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 4 O 2377/01)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 4.9.2001 dahin geändert, dass der Kläger an die Beklagte über den bereits festgesetzten Betrag hinaus weitere 161 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit 28.7.2001 zu erstatten hat.

Die weiter gehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Gerichtsgebühren des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Von den übrigen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beklagte 2/3, der Kläger 1/3 zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 475 DM.

 

Gründe

I. Das Rechtsmittel ist zulässig.

1. Der Senat wertet den als „Erinnerung” bezeichneten Rechtsbehelf der Beklagten vom 17.9.2001 als sofortige Beschwerde. Als solche ist das Rechtsmittel – anders als eine Erinnerung – statthaft; einer Abhilfeentscheidung durch den Rechtspfleger des LG Nürnberg-Fürth bedurfte es nicht (§ 104 Abs. 3 S. 1 ZPO; § 11 Abs. 1 RPflG; vgl. OLG Nürnberg, Jurbüro 1999, 537 m.w.N.).

2. Für die sofortige Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss besteht nach zutreffender Rechtsansicht kein Anwaltszwang (§ 569 Abs. 2 S. 2, § 78 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 13 RPflG, vgl. OLG Nürnberg v. 6.11.2000 – 4 W 3669/00, OLGReport Nürnberg 2001, 123 = MDR 2001, 597; OLG Nürnberg, Beschl. v. 1.12.1999 – 3 W 4242/99, OLGReport Nürnberg 2000, 72; Thomas-Putzo/ZPO, 22. Aufl., § 104 Rz. 44 i.V.m. § 569 Rz. 10; a.M. OLG Nürnberg v. 27.1.1999 – 6 W 4392/98, OLGReport Nürnberg 1999, 158 = MDR 1999, 894). Das Rechtsmittel konnte daher – wie geschehen – auch von einem nicht beim OLG Nürnberg zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden.

II. Die sofortige Beschwerde ist jedoch nur zum Teil begründet.

1. Zu Recht hat es das LG abgelehnt, der Beklagten neben den gesamten Kosten ihres Münchner Prozessbevollmächtigten auch noch die gesamten Kosten des Nürnberger Unterbevollmächtigten zu ersetzen.

Die Einschaltung eines zweiten Anwalts zur Wahrnehmung des Verhandlungstermins beim LG Nürnberg-Fürth am 26.7.2001 mag zwar aus Sicht der Beklagten und/oder ihres Rechtsanwalts ökonomisch gewesen sein, etwa um zu vermeiden, dass der Hauptbevollmächtigte durch die Reise nach Nürnberg fast einen ganzen Arbeitstag verliert. Notwendig i.S.d. § 91 ZPO war die Unterbevollmächtigung jedoch nicht.

2. Ebenfalls zu Recht hat das LG der Beklagten stattdessen die Kosten einer fiktiven Informationsreise von München nach Nürnberg zugesprochen.

Eine zweite Informationsreise wäre hingegen bei dem recht begrenzten und überschaubaren Sachverhalt, um den es in der Drittwiderspruchsklage ging, nicht erforderlich gewesen.

Die Höhe der für eine Informationsreise anzusetzenden Kosten hat das LG zutreffend auf 370 DM beziffert. Ihre hiergegen erhobenen Einwendungen hat die Beklagte nach einem rechtlichen Hinweis des Senats nicht mehr aufrecht erhalten (vgl. Stellungnahme der Beklagten vom 29.10.2001 zur Verfügung vom 25.10.2001).

3. Die sofortige Beschwerde hat jedoch insoweit Erfolg, als die Beklagte – wenn schon die Kosten der Unterbevollmächtigten nicht als notwendig anerkannt werden – hilfsweise wenigstens eine zusätzliche Ratsgebühr beansprucht (§ 20 BRAGO).

Tatsächlich ist zwar eine Ratsgebühr nicht angefallen, da die beratende Tätigkeit des Münchner Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der Prozessführung aufging, für die ihm die üblichen Anwaltskosten zustehen. Eine isolierte Ratsgebühr kann er daher nicht gesondert geltend machen.

Anwaltskosten i.H.e. Ratsgebühr können jedoch in Ausnahmefällen auch dann erstattungsfähig sein, wenn eine solche Ratsgebühr in Wirklichkeit nicht angefallen ist.

a) So ist im Zusammenhang mit der Einschaltung eines Verkehrsanwalts (§ 52 BRAGO), dessen Hinzuziehung rückblickend nicht „notwendig” i.S.d. § 91 ZPO war, in der Kostenrechtsprechung weithin anerkannt, dass die Partei wenigstens eine (fiktive) Ratsgebühr erstattet bekommt, sofern sie die Konsultation des ortsansässigen Rechtsanwalts aus ihrer nachvollziehbaren Sicht zunächst für notwendig halten durfte, etwa aus unverschuldeter Unkenntnis der örtlichen Gerichtszuständigkeit und/oder der fehlenden Postulationsfähigkeit des zuerst angegangenen Rechtsanwalts (vgl. OLG Nürnberg, 1 W 447/97; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., „Rat” Anm. 8; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 14. Aufl., § 20 Rz. 25; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 91 Rz. 13 „Ratsgebühr” m.w.N.)

b) Einer vergleic...

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