Leitsatz (amtlich)

Der Streitwert eines auf Feststellung gerichteten Antrags, der - nach erklärtem Vertragsrücktritt des Versicherers wegen vorsätzlicher Anzeigepflichtverletzung und gleichzeitigem Anerkenntnis eines bereits eingetretenen Versicherungsfalls - ausschließlich das Fortbestehen des Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrags zum Gegenstand hat, beträgt 20 % des Dreieinhalbfachen der Jahresleistungen (Rente zzgl. Beitragsfreistellung).

 

Normenkette

GKG §§ 48, 68; ZPO §§ 3, 9

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 2 O 4446/19)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17.02.2020, Az. 2 O 4446/19, in Ziffer II. (betreffend Wertfestsetzung) abgeändert:

1. Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird auf 14.083,94 EUR festgesetzt. Ein überschießender Vergleichswert besteht nicht.

Die weitergehende Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Festsetzung des Gebührenstreitwertes durch das erstinstanzliche Prozessgericht.

Die Klägerin hält bei der Beklagten mit Versicherungsbeginn vom 01.11.2013 eine Berufsunfähigkeitsversicherung als Baustein "Arbeitskraftabsicherung" im Rahmen eines umfassenden Versicherungsprodukts "Vermögensaufbau & Sicherheitsplan".

Im Herbst 2015 stellte die Klägerin einen Leistungsantrag bei der Beklagten.

Im Rahmen der Leistungsprüfung erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 06.05.2016 (Anl. K 4) den Rücktritt "von der Arbeitskraftabsicherung (Berufsunfähigkeitsversicherung)", weil die Klägerin bei Beantragung der Versicherung am 04.10.2013 vorsätzlich falsche Angaben zu ihrem Gesundheitszustand gemacht habe. Das Schreiben endet mit dem Satz, "Ob wir trotz unseres Rücktritts leistungspflichtig sind, teilen wir Ihnen mit, wenn wir unsere Prüfung beendet haben."

Mit nachfolgendem Schreiben vom 19.08.2016 (Anl. K 3) hat die Beklagte rückwirkend zum 01.05.2015 den Eintritt des Versicherungsfalls "Berufsunfähigkeit" anerkannt und erbringt seitdem die vertragsgemäßen (dynamisierten) Leistungen (Zahlung Monatsrente von 1.572,65 EUR und Beitragsfreistellung).

Mit der unter dem 05.03.2019 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag unbeschadet der von Versichererseite "erklärten Rücktritte bzw. Kündigungen laut Schreiben vom 06.05.2016 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht".

Nach Durchführung einer Beweisaufnahme haben sich die Parteien im Rahmen eines Prozessvergleichs darauf geeinigt, dass die streitgegenständliche "Arbeitskraftabsicherung (Berufsunfähigkeitsversicherung)" unter Vereinbarung einer ausformulierten Ausschlussklausel (betreffend "alle Erkrankungen und Funktionsstörungen des rechten Sprunggelenkes") ansonsten unverändert fortbesteht.

Das Landgericht hat unter Ziffer II. seines Vergleichsfeststellungsbeschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO vom 17.02.2020 (Bl. 134 d.A.) den Streitwert auf 13.842,95 EUR (20 % der 3,5-fachen Jahresbeträge von Rentenleistung und Versicherungsprämie, vgl. BGH, Beschluss vom 06.10.2011 - IV ZR 183/10-, juris) festgesetzt und das Nichtbestehen eines überschießenden Vergleichswertes festgestellt.

Dagegen wenden sich die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit einer Beschwerdeschrift vom 23.02.2020 (Bl. 138), mit der beantragt wird, den Streitwert auf 55.371,79 EUR (= 80 % der 3,5-fachen Jahresleistung) festzusetzen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass gerade nach der vom LG zitierten BGH-Entscheidung lediglich ein Feststellungsabschlag in Höhe von 20 % vorzunehmen sei und nicht ein solcher von 80 %. Diese Argumentation wurde mit Schriftsatz vom 06.03.2020 (Bl. 143) vertieft.

Die Klagepartei hat sich zum Beschwerdevorbringen nicht geäußert.

Mit Beschluss vom 13.03.2020 (Bl. 145) hat das Landgericht eine Abhilfe abgelehnt und die Sache dem Oberlandesgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die zulässige Beschwerde hat nur geringen Erfolg. Die Wertfestsetzung des Prozessgerichts erweist sich dem Grunde nach als richtig, enthält allerdings einen Berechnungsfehler, der eine abändernde Entscheidung des Beschwerdegerichts veranlasst.

1. Die gemäß § 68 Abs. 1 GKG statthafte Beschwerde wurde form- und fristgerecht erhoben. Die Erwachsenheitssumme (200,00 EUR) des § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG ist überschritten, da der maßgebliche Unterschiedsbetrag der Gebühr der Beschwerdeführer einschließlich Umsatzsteuer, berechnet nach dem festgesetzten und dem mit der Beschwerde beantragten Streitwert (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 3 Rn. 9 a.E., siehe auch Rn. 16.157 "Streitwertbeschwerde"), höher ist.

Der Prozessbevollmächtigte der Partei ist befugt, im eigenen Namen die gerichtliche Wertfestsetzung nach § 63 GKG im Beschwerdeverfahren gemäß § 68 GKG zur Überprüfung zu stellen (vgl. Zöller/Herget, a.a.O.,§ 3 Rn. 9, 10 unter Hinweis auf § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG).

Da mit der Beschwerde geltend gemacht wird, das Landgericht habe den Streitwert zu ni...

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