Leitsatz (amtlich)
Zur Wiedereinsetzung von Amts wegen bei unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung eines anwaltlich vertretenen Beteiligten in einem HKÜ-Verfahren.
Normenkette
FamFG § 17; IntFamRVG § 40 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Aktenzeichen 103 F 3113/21) |
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 03.11.2021 wird als unzulässig verworfen.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Eltern des gemeinschaftlichen Kindes B... R..., geboren am .... Die elterliche Sorge wurde dem Vater durch Entscheidung des Amtsgerichts Kosice II vom 29.10.2012 übertragen. B... lebte einige Zeit bei seinen Großeltern väterlicherseits in Deutschland, zuletzt beim Vater in der Slowakei. Dort ging er auch zur Schule.
Das - nach einem Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Cham vom 23.09.2021 unter Verweis auf die Vorschriften des IntFamRVG zuständige - Amtsgericht Nürnberg hat die Mutter nach persönlicher Anhörung des Kindes, der Verfahrensbeiständin sowie beider Eltern mit Beschluss vom 03.11.2021 auf Grundlage des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (Haager Kindesentführungsübereinkommen, nachfolgend HKÜ) zur sofortigen Rückführung des gemeinsamen Kindes in die slowakische Republik verpflichtet. In der Rechtsbehelfsbelehrung heißt es: "Gegen diesen Beschluss findet das Rechtsmittel der Beschwerde statt. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Nürnberg [...] einzulegen. [...] Die Beschwerde soll begründet werden. [...]"
Gegen diesen ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 04.11.2021 zugestellten Beschluss wendet sich die Mutter mit ihrer am 18.11.2021 beim Amtsgericht Nürnberg eingegangenen Beschwerde. Eine Beschwerdebegründung kündigt sie in diesem Schriftsatz "bis zum 18.12.2021" an.
Mit Verfügung vom 23.11.2021 hat der Senat Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Beschwerde mitgeteilt, da die Beschwerde entgegen der Vorschrift des § 40 Abs. 2 S. 2 IntFamRVG nicht innerhalb der zwei-Wochen-Frist begründet worden sei. Der Mutter wurde Gelegenheit eingeräumt, bis zum 03.12.2021 zu diesem Hinweis Stellung zu nehmen.
Mit Schriftsatz vom 02.12.2021 hat die Mutter ihre Beschwerde begründet, ohne auf den Hinweis des Senats einzugehen. Sie meint, dass das Wohl ihres Kindes gefährdet sei, und beantragt die Erholung eines Sachverständigengutachtens. Sie habe ihr Kind nicht entführt.
II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 03.11.2021 ist als unzulässig zu verwerfen.
1. Die Zulässigkeit der Beschwerde gegen einen Beschluss im Verfahren nach dem HKÜ richtet sich nach § 40 Abs. 2 des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetz (IntFamRVG). Gemäß § 40 Abs. 2 S. 2 IntFamRVG ist die Beschwerde innerhalb von zwei Wochen einzulegen und zu begründen. Die Frist für Einlegung und Begründung der Beschwerde gegen den am 04.11.2021 zugestellten Beschluss endete gemäß § 14 Nr. 2 IntFamRVG i.V.m. §§ 16 Abs. 2 FamFG, 222 ZPO, 187, 188 BGB mit Ablauf des 18.11.2021. An diesem Tag ging beim Amtsgericht Nürnberg zwar die Einlegung der Beschwerde ein, jedoch nicht die Begründung.
Bei der fristgerechten Begründung der Beschwerde gegen eine Entscheidung im Verfahren nach dem HKÜ handelt es sich um eine Zulässigkeitsvoraussetzung (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, FamRZ 2021, 1220; Heiderhoff in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 3. A., § 40 IntFamRVG, Rn. 3). Eine Verlängerung der Frist durch das Beschwerdegericht gem. § 65 Abs. 2 FamFG kommt nicht in Betracht, da diese Vorschrift gem. § 40 Abs. 2 S.1 IntFamRVG ausgeschlossen wird.
2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Beschwerdebegründungsfrist kommt nicht in Betracht.
a) Zwar ist eine solche auch ohne (ausdrücklichen) Antrag zu bewilligen, wenn die versäumte Handlung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt worden ist und sämtliche den Wiedereinsetzungsantrag begründenden Tatsachen aktenkundig oder offenkundig sind, § 14 Nr. 2 IntFamRVG i.V.m. § 18 Abs. 3 S. 3 FamFG. Denn durch die Nachholung der versäumten Handlung wird vermutet, dass die Wiedereinsetzung dem Willen des Beteiligten entspricht (vgl. Burschel, in: BeckOK FamFG, 40. Ed., § 18 FamFG Rn. 17). Wird jemand ohne Verschulden gehindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm nach § 14 Nr. 2 IntFamRVG i.V.m. § 17 Abs. 1 FamFG Wiedereinsetzung zu gewähren; nach § 17 Abs. 2 FamFG wird ein Fehlen des Verschuldens vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder - wie hier - fehlerhaft ist.
b) Denn die Rechtsbehelfsbelehrung des Amtsgerichts zum Beschluss vom 03.11.2021 stellt die Vorgaben des § 40 Abs. 2 IntFamRVG nicht vollständig dar; zwar wird die zutreffende Frist genannt, nicht jedoch das Begründungserfordernis binnen gleicher Frist.
c) Eine Wiede...