Leitsatz (amtlich)

1. Zur Beschwerdebefugnis des Jugendamtes gegen eine Entscheidung zum Umgangsrecht, wenn es zum Vormund des betroffenen Kindes bestellt worden ist.

2. Ein kurzfristiger Ausschluss des Umgangsrechts der Eltern mit dem Kind ist zulässig, auch wenn mit der Ausübung von Umgangskontakten keine Gefährdung des Kindeswohls einhergehen würde.

Für die Phase des Übergangs eines einjährigen Kindes von einer Bereitschaftspflegefamilie in eine Dauerpflegefamilie kann das Umgangsrecht der leiblichen Eltern auch dann bis zu drei Monaten ausgeschlossen werden, wenn mit der Durchführung der Umgangskontakte keine Gefährdung des Kindeswohls verbunden wäre, der Ausschuss aber dem Kindeswohl entspricht.

Die Familiengerichte sind nicht befugt, ein Jugendamt ohne Zustimmung zur Durchführung begleiteter Umgangskontakte zu verpflichten.

 

Normenkette

FamFG § 59 Abs. 3, § 162 Abs. 3 S. 2; BGB § 1684; SGB VIII § 18

 

Verfahrensgang

AG Nürnberg (Beschluss vom 24.05.2016; Aktenzeichen 112 F 1488/16)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Stadt..., Jugendamt, wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Nürnberg vom 24.5.2016 in Ziffer 1 abgeändert und neu gefasst wie folgt:

Das Umgangsrecht der Beteiligten T. H. mit dem Kind A. H., geboren am..., wird für die Dauer von zwei Monaten ab Erlass dieser Entscheidung ausgesetzt.

2. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,-- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligte T. H., geboren am..., ist die nicht verheiratete Mutter des Kindes A. H., geboren am 29.6.2015. Die Vaterschaft zu dem Kind ist nicht geklärt, weil die Mutter bis vor kurzem verwertbare Angaben zur Identifizierung des Vaters nicht machte. Inzwischen hat sie gegenüber dem Jugendamt... einen Mann als Vater des Kindes A. bezeichnet, die Vaterschaft ist aber bisher nicht festgestellt.

Die Beteiligte T. H. geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Zu ihrer Schulausbildung und ihrem beruflichen Werdegang hat sie nur unklare, sich teilweise widersprechende Angaben gemacht. Vermutlich hat sie nach ihrer Schulausbildung eine Ausbildung und/oder ein Studium im Bereich Design absolviert. Aktuell lebt sie in keiner festen Partnerschaft.

Mit Beschluss vom 23.4.2016 hat das AG - Familiengericht - Nürnberg der Beteiligten T. H. in dem Verfahren 112 F 3888/15 die elterliche Sorge für das Kind A. insgesamt gemäß § 1666 BGB entzogen und das Stadtjugendamt... zum Vormund des Kindes bestimmt. Die von der Beteiligten T. H. gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 22.6.2016, Az. 7 UF 687/16, als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat er u.a. ausgeführt:

Am 29.06.2015 habe die... Kinderklinik dem Jugendamt... mitgeteilt, dass die Mutter nach der Entbindung in der Klinik ein sehr auffälliges Verhalten gezeigt habe. Sie habe in ihrem Denken und Handeln sehr verwirrt gewirkt. Laut dem vorläufigen psychopathologischen Befund des Oberarztes S. liege eine irrationale Annahme bezüglich des emotionalen Erlebens ihres Kindes (z.B. mein Kind mag die Natur und reagiert auf die Baumbewegungen, mein Kind will nach Hause, meine Tochter mag keine fremden Leute) festgestellt. In den frühen Morgenstunden des 23.09.2015 sei es zu einem Polizeieinsatz in der Wohnung der Beteiligten T. H. gekommen. Die Polizei sei von Nachbarn informiert worden, weil die Beteiligte - auf dem Balkon ihrer Wohnung stehend - laut herumgeschrien habe. Gegen 5.50 Uhr sei die Beteiligte in ihrer Wohnung von den eintreffenden Polizeibeamten stark alkoholisiert und in verwirrtem Zustand angetroffen worden.

Die für das Kind bestellte Verfahrensbeiständin, Frau Rechtsanwältin W., erklärte, die Mutter sei nicht bereit gewesen, mit ihr zu sprechen. Sie habe jedoch mit der Mutter der Beteiligten T. H. Kontakt aufgenommen. Diese habe berichtet, dass ihre Tochter in P. eine Ausbildung gemacht und dann Design studiert habe. Zusammen mit einem Freund sei sie nach K. umgezogen und habe dort weiter studiert. Von diesem Freund sei ihre Tochter geschlagen worden, seither zeige sie auffälliges Verhalten, so habe sie berichtet, dass die Menschen auf der Straße ihre Gedanken lesen könnten. Wegen dieser Auffälligkeiten habe sich die Beteiligten T. H. auch eine ganze Weile stationär in einer Klinik in R. aufgehalten. Die Mutter der Beteiligten T. H. habe geschildert, bei ihr selbst sei vor zwölf Jahren eine Schizophrenie diagnostiziert worden sei. Sie, die Großmutter des Kindes, kenne daher die Symptome und sehe Anhaltspunkte dafür, dass bei ihrer Tochter ebenfalls eine psychiatrische Erkrankung vorliege und sie deshalb unfähig sei, ein Kind zu versorgen.

Das Stadtjugendamt... hat mitgeteilt, dass es am 14.12.2015, 04.01. und 08.01.2016 zu Umgangskontakten zwischen der Mutter und dem Kind gekommen sei. Dabei sei festgestellt worden, dass die Mutter nicht in der Lage gewesen sei, sich dem Kind gegenüber angemes...

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