Leitsatz (amtlich)

Den Unterlassungsschuldner trifft im Vollstreckungsverfahren eine sekundäre Darlegungslast, wenn nach dem äußerlichen Bild das untersagte Verhalten fortgesetzt wird und damit der Tatbestand eines Verstoßes erfüllt zu sein scheint, so dass er aufzuzeigen muss, wie er aktuell vorgeht, und in diesem Rahmen ggf. auch, was er unternommen hat, um dem Unterlassungsgebot Rechnung zu tragen.

 

Normenkette

ZPO § 890 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 4 HK O 3308/18)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Vollstreckungsschuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 6. Oktober 2021, Az. 4 HK O 3308/18, wird zurückgewiesen.

II. Die Vollstreckungsschuldnerin und Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I. Die Vollstreckungsschuldnerin und Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung von Ordnungsmitteln wegen der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Unterlassungspflicht.

Der Senat hat der Vollstreckungsschuldnerin mit vorläufig vollstreckbarem Endurteil vom 11. Mai 2021 ordnungsmittelbewehrt untersagt, Bibliotheken mit Zeitschriftexemplaren zu beliefern, die sie zuvor bei Verlagen zu Konditionen erworben hat, die lediglich eine Vermietung als Lesezirkel-Exemplare vorsehen, ohne diese Exemplare nach Erscheinen des Folgehefts wieder abzuholen, es sei denn, diese sind im Einzelfall dort aktuell nicht vorhanden oder ein längeres Belassen in den Bibliotheken wurde der Beklagten von den Verlagen ausdrücklich gestattet. Der Senat hatte in tatsächlicher Hinsicht nach Beweisaufnahme festgestellt, dass die Beklagte und nunmehrige Vollstreckungsschuldnerin die von ihr als Lesezirkel-Exemplare bezogenen Zeitschriften in Bibliotheken über Monate bis Jahre hinweg belässt und sie erst zurücknimmt, wenn die jeweiligen Bibliotheksmitarbeiterinnen Zeit und Gelegenheit gefunden haben, die Zeitschriften (zumeist jahrgangsweise) auszusondern und bereitzustellen. Dies widersprach nach der rechtlichen Bewertung des Senats den Belieferungsbedingungen, die den Beschaffungsvorgängen zugrunde lagen, weil diese u.a. eine (grundsätzlich mehrfache) Vermietung der Zeitschriften und eine Pflicht zur regelmäßigen Abholung vorsahen; der Senat nahm daher an, dass eine auch im Verhältnis zum Kläger relevante wettbewerbswidrige Täuschung der Bezugsquellen durch die Beklagte erfolgte. Die Entscheidung, die der Beklagten und Vollstreckungsschuldnerin am selben Tag zugestellt wurde, ist zwischenzeitlich infolge Verwerfung der von ihr eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde rechtskräftig.

Der Vollstreckungsgläubiger beantragte mit Schriftsatz vom 17. Juni 2022 beim Landgericht Nürnberg-Fürth die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von mindestens 10.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft. Die Vollstreckungsschuldnerin habe ihre Geschäftspraxis nicht geändert, was sich daran zeige, dass in den Bibliotheken H-Stadt, M-Stadt, O-Stadt, K-Stadt, W-Stadt und L-Stadt am Main weiterhin Zeitschriften, die der Vollstreckungsschuldnerin offensichtlich als Lesezirkel-Exemplare geliefert worden seien, jahrgangsweise auslägen. Entsprechendes ergebe sich auch aus den OPAC-Katalogen der Bibliotheken. Der Vollstreckungsgläubiger hat in seinen Schriftsätzen vom 10. August 2021 und vom 9. September 2021 vorgebracht, die Vollstreckungsschuldnerin setzte ihr Verhalten weiter fort, und entsprechende Ausdrucke aus den OPAC vom 10. August 2021 vorgelegt.

Im angegriffenen Beschluss vom 6. Oktober 2021, der Vollstreckungsschuldnerin am Folgetag zugestellt, hat das Landgericht gegen die Vollstreckungsschuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR, ersatzweise einen Tag Ordnungshaft für je 500,00 EUR, festgesetzt. Die Vollstreckungsschuldnerin habe ihrer Verpflichtung seit dem 11. Mai 2021 nachkommen und dies bis spätestens zum 10. August 2021 umsetzen müssen. Die Vollstreckungsschuldnerin habe nicht vorgetragen, dass die Verlage ihr ein längeres Belassen gestattet hätten. Die vorgelegte E-Mail-Korrespondenz vom 28. April 2021 weise keinen Bezug zum vorliegenden Ordnungsmittelantrag auf; ebenso sei nicht erkennbar, was das Vorhandensein der Zeitschriften am 10. August 2021 mit dem Verleihzyklus der Verlage zu tun habe. Unter Berücksichtigung der Schwere der fortgesetzten Zuwiderhandlung und des Umstands, dass sich die Vollstreckungsschuldnerin nicht veranlasst sehe, die Zeitschriften wieder abzuholen, sei ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR geboten.

Hiergegen wendet sich die Vollstreckungsschuldnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 21. Oktober 2021, der das Landgericht nach Abwarten mit Beschluss vom 16. November 2021 nicht abgeholfen hat; sie erstrebt eine Aufhebung des Ordnungsmittelbeschlusses. In ihrer Beschwerdebegründung vom 19. November 2021 bestreitet sie, dass die in den OPAC-Listen der Bibliotheken als vorhanden aufgeführten Zeitschriften von ihr geliefert worden seien. Ausgelieferte Zeitschriften würden von ihr regelmäßig abgeholt und die Verlage hätten keinerlei Probleme damit, das...

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