Leitsatz (amtlich)

Das Vorliegen einer Scheinehe rechtfertigt allein nicht die Versagung von Prozeßkostenhilfe für einen Scheidungsantrag.

 

Normenkette

ZPO § 114

 

Verfahrensgang

AG Nürnberg (Beschluss vom 28.12.1994; Aktenzeichen 7 F 1437/94)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Nürnberg vom 28.12.1994 abgeändert.

II. Der Antragsgegnerin wird für die Verfolgung ihres eigenen Ehescheidungsantrages Prozeßkostenhilfe bewilligt.

Ihr wird Rechtsanwalt … aus Nürnberg beigeordnet.

Die Antragsgegnerin hat auf die voraussichtlichen Kosten des Verfahrens ab 01.03.1995 monatliche Raten von 30,00 DM zu bezahlen.

 

Tatbestand

I.

Mit Schriftsatz vom 24.06.1994 hat der Antragsteller … die Scheidung seiner mit der Antragsgegnerin am 30.08.1992 in …/Türkei geschlossenen Ehe beantragt.

Mit Schriftsatz vom 23.09.1994 hat die Antragsgegnerin … durch Rechtsanwalt … ihrerseits die Scheidung der Ehe und die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe beantragt.

Mit Beschluß vom 28.12.1994 hat das Amtsgericht Nürnberg das Prozeßkostengesuch der Antragsgegnerin … vom 23.09.1994 zurückgewiesen, da es sich bei der Ehe der Parteien um eine Scheinehe handele und bei einer solchen kein Anspruch auf Prozeßkostenhilfe bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 24.01.1995, der das Amtsgericht mit Beschluß vom 26.01.1995 nicht abgeholfen hat.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die (gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO) zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Prozeßkostenhilfe kann im vorliegenden Fall nicht mit der Begründung versagt werden, daß es sich bei der Ehe der Parteien um eine Scheinehe handele.

Es kann dabei dahinstehen, ob, wofür vieles spricht, im vorliegenden Fall tatsächlich eine Scheinehe vorliegt.

Aus der Mißbraüchlichkeit der Eheschließung im Fall einer Scheinehe folgt aber noch nicht ohne weiteres die Rechtsmißbräuchlichkeit des Prozeßkostenhilfegesuches für die anschließende Scheidung oder auch nur die Mutwilligkeit eines entsprechenden Scheidungsbegehrens (so auch OLG Karlsruhe, FamRZ 1986, 680; KG FamRZ 1987, 486). Andernfalls würde die bedürftige Partei unter Verletzung des Grundsatzes der Rechtsanwendungsgleichheit schlechter gestellt als die nichtbedürftige. Eine reiche Partei wäre bei rechtsmißbräuchlicher Eingehung einer Scheinehe nicht gehindert, im Wege des gesetzlich vorgeschriebenen Ehescheidungsverfahrens eine Aufhebung einer Scheinehe zu erreichen, während eine arme Partei an der Scheinehe festgehalten werden würde (vgl. BVerfG FamRZ 1984, 126, 128; KG a.a.O.).

Allerdings ist im Fall einer Scheinehe die Hilfsbedürftigkeit des die Scheidung beantragenden Ehepartners einer genauen Überprüfung zu unterziehen und diese etwa dann zu verneinen, wenn sie die Notwendigkeit der Inanspruchnahme von Prozeßkostenhilfe dadurch schuldhaft selbst verursacht hat, daß sie aus einem etwa zur Eingehung der Ehe enthaltenen Entgelt keine Rücklagen für die – vorauszusehende – Scheidung gebildet hat, obwohl ihr das zumutbar gewesen wäre (vgl. insbesondere OLG Karlsruhe a.a.O., sowie Beschlüsse des Senats vom 16.06.1994 im Verfahren 7 WF 1766/94 und vom 03.01.1995 im Verfahren 7 WF 4054/94). Im vorliegenden Fall findet sich jedoch kein konkreter Hinweis auf eine bestimmte Zahlung an die Antragsgegnerin als Entgelt für die Eingehung der Ehe. Da es die Antragsgegnerin war, die im Anschluß an die Eheschließung von der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland zog, ist auch davon auszugehen, daß ein für die Eingehung der Ehe etwa gezahltes Entgelt eher an den Antragsteller … als an die Antragsgegnerin gegangen ist.

Da die Antragsgegnerin angesichts ihrer sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse die Prozeßkosten nicht vollständig aufbringen und ihrem Scheidungsbegehren auch Erfolgsaussicht nicht versagt werden kann, war ihr Prozeßkostenhilfe zu bewilligen.

Allerdings ist sie in der Lage, auf die Verfahrenskosten monatliche Raten von 30,00 DM zu bezahlen.

Nach den Angaben des Antragstellers in seinem Scheidungsantrag vom 24.06.1994 verfügt dieser über ein monatliches Nettoeinkommen von 2.000,00 DM. Ausgehend davon steht der Antragsgegnerin ein – auch durch eine einstweilige Anordnung nach § 621 f ZPO durchzusetzbarer – Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß nach § 1360 a Abs. 4 ZPO gegen den Antragsteller zu, den dieser angesichts seines Einkommens auch unter Berücksichtigung seines eigenen Bedarfes jedenfalls in monatlichen Raten von 30,00 DM erfüllen kann (vgl. OLG Koblenz FamRZ 1991, 346; OLG München FamRZ 1987, 303; Thomas/Putzo, ZPO, 18. Auflage, § 115 Rdnr. 17).

Diesen – auf ratenweise Zahlung gehenden – Anspruch hat die Antragsgegnerin nach § 115 Satz 2 ZPO einzusetzen, so daß sie auf die voraussichtlichen Prozeßkosten die nach § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO in der ab 01.01.1995 geltenden Fassung niedrigste Rate von 30,00 DM zu bezahlen hat.

Die Beiordnung des Rechtsanwalts … beruht auf § 121 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1366476

Rpfleger 1996, 253

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