Leitsatz (amtlich)

Wird der einer Unfallflucht verdächtige Fahrzeughalter bei einer Befragung nicht als Beschuldigter belehrt, sind seine Angaben gegenüber einem Polizeibeamten unverwertbar.

 

Verfahrensgang

AG Nürnberg (Entscheidung vom 27.02.2013; Aktenzeichen 52 Cs 704 Js 64903/12)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 27. Februar 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.

  • II.

    Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Nürnberg zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Nürnberg hat den Angeklagten am 27.2.2013 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 35,- EUR verurteilt und ein Fahrverbot für die Dauer von zwei Monaten verhängt.

Das Amtsgericht hat zur Tat unter anderem folgende Feststellungen getroffen:

"Der Angeklagte fuhr am 17.03.2012 gegen 10:55 Uhr mit dem Pkw BMW, amtliches Kennzeichen ... dessen Halter er ist, auf der rechten Fahrspur der W.-straße in Nürnberg. Beim Spurwechsel auf die linke Fahrspur kam es zum Zusammenstoß zwischen dem linken hinteren Fahrzeugeck des Pkws des Angeklagten und dem rechten vorderen Fahrzeugeck des Pkws Seat Toledo der Geschädigten pp., die zu diesem Zeitpunkt auf der linken Fahrspur fuhr."

Mit der Sprungrevision rügt der Angeklagte die Verletzung des sich aus der Verletzung des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO ergebenden Beweisverwertungsverbots.

Das Amtsgericht hat zur Feststellung der Fahrereigenschaft des Angeklagten, der sich in der Hauptverhandlung zur Tat nicht eingelassen hatte, ausgeführt:

"Dass der Angeklagte zur Tatzeit auch der Fahrer des BMW war, ergibt sich für das Gericht aus der Aussage des Zeugen X..

Dieser gab an, dass er auf Bitte der VPI N., die den Angeklagten als Halter des von der Zeugin MB beschriebenen Fahrzeugs festgestellt hatte, dessen Anschrift angefahren habe. Er habe dann dem Angeklagten geschildert worum es gehe, nämlich um einen angeblichen Unfall seines Fahrzeugs, und habe gefragt, wer soeben mit dem Fahrzeug unterwegs gewesen sei. Der Angeklagte habe daraufhin die Fahrereigenschaft eingeräumt.

Die Angaben des Zeugen X.. durften auch verwertet werden. Es lag vorliegend kein Verstoß gegen § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vor, welcher zu einem Verwertungsverbot führen würde. Der Angeklagte war zu dem Zeitpunkt, als Y. bei ihm erschien und ihm den Sachverhalt schilderte, noch nicht als Beschuldigter zu belehren. Zu diesem Zeitpunkt stand lediglich die Haltereigenschaft des Beschuldigten an dem unfallbeteiligten Fahrzeug fest. Dies begründet jedoch noch keinen Anfangsverdacht, dass der Beschuldigte auch der Fahrer war. Erst nachdem der Beschuldigte bereits die Fahrereigenschaft eingeräumt hatte, war eine Belehrung als Beschuldigter erforderlich."

Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg hat beantragt,

die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen,

da kein Beweisverwertungsverbot bestanden habe, da der Polizeibeamte X. den Angeklagten nicht gefragt habe, ob er sondern wer soeben mit dem Fahrzeug gefahren sei.

II.

Die Revision ist zulässig (§§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 StPO) und hat mit der Verfahrensrüge der Verletzung des sich aus §§ 136 Abs. 1 Satz 2, 163a Abs. 4 Satz 2 StPO ergebenden Beweisverwertungsverbots Erfolg.

1. Die Verfahrensrüge ist ordnungsgemäß erhoben (§ 344 Abs. 2 StPO). Sämtliche Tatsachen, aus denen sich der Rechtsverstoß ergibt, werden vorgetragen (Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage, § 136 Rn. 28). Insbesondere ergibt sich aus dem Revisionsvorbringen, das insoweit durch das Hauptverhandlungsprotokoll bestätigt wird, dass der Verteidiger des Angeklagten der Verwertung der Aussage des Polizeibeamten widersprochen hat (Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage, § 136 Rn. 25).

2. Das Amtsgericht hat durch die Verwertung der Angaben des vernommenen Polizeibeamten gegen das sich aus §§ 163a Abs. 4 Satz 2, 136 Abs. 1 StPO ergebende Beweisverwertungsverbot verstoßen. Da der Zeuge über die erste polizeiliche Vernehmung des Angeklagten berichtete, ist § 136 Abs. 1 StPO nicht direkt sondern über § 163a Abs. 4 StPO anwendbar.

a. Bereits vor der Befragung des Angeklagten durch den Zeugen war der Angeklagte Beschuldigter" und somit gemäß § 136 Abs. 1 Sätze 1, 2 StPO vor der Vernehmung darüber zu belehren, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen und er war darauf hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen.

Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist der tatverdächtige, gegen den das Verfahren als Beschuldigter betrieben wird. Grundsätzlich ist es dabei der pflichtgemäßen Beurteilung der Strafverfolgungsbehörde überlassen, ob sie gegen jemanden einen solchen Grad des Verdachts auf eine strafbare Handlung für gegeben hält, dass sie ihn als Beschuldigten ver...

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