Leitsatz (amtlich)

1. Das Unterlassen der Benachrichtigung beider Parteien von einer Ortsbesichtigung rechtfertigt nicht die Ablehnung eines Sachverständigen.

2. Es begründet auch nicht die Besorgnis der Befangenheit, wenn ein Sachverständiger zur Beweisfrage (hier. Geeignetheit eines Flugplatzgeländes für Autorotationsübungen von Hubschraubern) Äußerungen von dritten Personen, die er hierzu befragt hat, in sein Gutachten aufnimmt.

 

Normenkette

ZPO §§ 42, 406

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 4 O 2843/04)

 

Tenor

Das Gesuch der Klägerin vom 8.5.2006, den Sachverständigen Dr. M. V.wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Am 7.3.2003 wurde bei einer "Autorotationsübung" im Rahmen eines Überprüfungsflugs auf dem Gelände des Flugplatzes H im Eigentum der Klägerin stehender Hubschrauber beschädigt. Sie macht deswegen Ersatzansprüche gegen, die Beklagte geltend; diese habe für schuldhaftes Verhalten des mit hoheitlichen Aufgaben betrauten Sachverständigen H G einzustehen, welches zu dem Schaden geführt hätte. Das Verschulden wird u.a. damit begründet, dass eine Autorotationsübung über einem hierfür ungeeigneten Gelände angeordnet worden sei. Der Senat hat mit Beweisbeschluss vom 8.11.2005 ein Sachverständigengutachten hierzu in Auftrag gegeben. Als Sachverständiger wurde Dr. M.V., N/D bestimmt, der folgende Fragen zu beantworten hatte:

1. Existieren für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Vorschriften, über die Bodenbeschaffenheit des Geländes für Autorotationsübungen?

2. Falls derartige Vorschriften nicht existieren, gibt es eine allgemein übliche Praxis für die Auswahl des Übungsgeländes?

3. War das Gelände des Flughafens H für die Durchführung von Autorotationsübungen geeignet? Dabei ist davon auszugehen, dass in der Nacht des 6.3.2003 bis gegen 5.00 Uhr des 7.3.2003 3-5 l/m2 Regen gefallen war. Der 7.3.2003 verlief bei Temperaturen bis etwa 8 °C niederschlagsfrei. Der Unfall ereignete sich am 7.3.2003 um 15.37 Uhr.

Auf das Gutachten des Deutschen Wetterdienstes (Anlage K 18) und die übergebenen Lichtbilder (Anlage K 17) wird hingewiesen. Nach der Darstellung des Klägers liegt die Aufsetzstelle im hinteren Drittel der von den Flughafengebäuden am weitesten entfernt liegenden rechteckigen Grünfläche zwischen Taxiway und Landebahn.

Ein Ablehnungsgesuch der Klägerin vom 28.11.2005 wegen in der Person des Sachverständigen liegender Gründe hat der Senat unter dem 3.1.2006 zurückgewiesen. Am 8.4.2006 erstellte der Sachverständige Dr. V das schriftliche Gutachten; dabei verwertete er Erkenntnisse aus einer eigenen Besichtigung des Flugplatzes H am 3.4.2006, ohne dass der Termin den Parteien vorher mitgeteilt worden war. Eine anlässlich dieses Termins ihm gegenüber gemachte Äußerung von Herrn A. Sch. (Luftaufsicht am Kontrollturm) über frühere Autorotationsübungen auf diesem Gelände fand Eingang in das Gutachten.

Die Klägerin stellte unter dem 8.5.2006 ein erneutes Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen. Sie begründete dies zum einen damit, dass er die Parteien vom Ortstermin nicht verständigt hatte. Zum anderen habe er angebliche Äußerungen der Luftaufsicht am Kontrollturm H in seinem Gutachten verwertet, womit er über seinen Gutachtensauftrag hinaus gegangen sei. Gleiches gelte für die durchgeführte Befragung ziviler und militärischer Behörden. Im Übrigen handele es sich bei dem Sachverständigen nicht um einen Piloten, so dass er für die anstehenden Fragen keine ausreichende Sachkunde aufweise; auch deswegen wäre die Ablehnung gerechtfertigt.

II. Das erneute Ablehnungsgesuch der Klägerin ggü. dem Sachverständigen Dr. V war zurückzuweisen, da die zur Begründung herangezogenen Umstände ein subjektives Misstrauen einer Partei an dessen Unparteilichkeit bei vernünftiger Betrachtungsweise nicht rechtfertigen können, §§ 406, 42 ZPO.

1. Der Sachverständige hat in seiner Stellungnahme eingeräumt, dass er den Ortstermin kurzfristig ohne Verständigung beider Parteien durchgeführt habe, weil er die Witterungslage als mit dem Unfalltag vergleichbar erkannt hätte. Um diesen "günstigen" Zeitpunkt nicht verstreichen zu lassen, habe er davon abgesehen, die Parteien zu informieren.

a) Zwar ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass aus dem rechtsstaatlichen Anspruch auf ein faires Verfahren den Parteien ein Recht auf Benachrichtigung und Anwesenheit zusteht, wenn für ein Sachverständigengutachten eine vorbereitende Ortsbesichtigung durchgeführt wird (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 357 Rz. 1, m.w.N.). Dieses Versäumnis rechtfertigt es jedoch allenfalls, die bei diesem Ortstermin gewonnenen Erkenntnisse anzuzweifeln und ggf. erneut überprüfen zu lassen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 398 Rz. 5). Ein Misstrauen in die Unparteilichkeit des Gutachters kann dadurch aber nicht begründet werden. Dies wäre dann der Fall, wenn der Sachverständige die Parteien unterschiedlich behandelt hätte. Dies ist aber nicht geschehen, denn keine der beiden Parteien wurde informiert.

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