Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Kürzung der Rechnung eines medizinischen Sachverständigen in Betreuungsverfahren wegen nicht erforderlichen Zeitaufwands ist Augenmaß zu bewahren und mit Zurückhaltung vorzugehen; die Kürzung bedarf einer Begründung im Einzelfall. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass konkrete Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich aufgewendete Zeit richtig sind und die erforderliche Zeit widerspiegelt.

2. Ergibt sich im Einzelfall Anlass für die nähere Prüfung der Rechnung des Sachverständigen, kann die vom Bayerischen Landessozialgericht für Gutachten in sozialgerichtlichen Verfahren entwickelte und gefestigte Rechtsprechung (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 10.3.2015 - L 15 RF 5/15 -, juris) entsprechend herangezogen werden, die der Prüfung bestimmte praktisch handhabbare Kriterien zugrunde legt.

 

Normenkette

JVEG § 8 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Amberg (Beschluss vom 25.06.2015; Aktenzeichen 32 T 1063/14)

AG Schwandorf (Aktenzeichen 405 XVII 330/14)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem LG Amberg gegen den Beschluss des LG Amberg - 3. Zivilkammer - vom 25.06.2015, Az. 32 T 1063/14, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Im Auftrag des AG Schwandorf - Abteilung für Betreuungssachen - hat der Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie, Funktionsoberarzt Dr. S. I. unter dem 04.08.2014 ein psychiatrisches Gutachten zur Frage der medizinischen Voraussetzungen der Anordnung einer Betreuung erstattet und hierfür mit Liquidation vom 04.08.2014 einen Gesamtbetrag von 763,44 EUR (einschließlich 19 % MwSt.) in Rechnung gestellt.

Der Bezirksrevisor bei dem LG Amberg hat beantragt, den in Rechnung gestellten Zeitaufwand (gerundet 8 Stunden mit Fahrtzeiten, davon 7 Stunden betreffend Gutachtenserstellung) als unangemessen hoch zu kürzen und eine Sachverständigenvergütung nur in Höhe von 540,32 EUR brutto festzusetzen, da ein abrechenbarer Gesamtzeitaufwand von 5,5 Stunden ausreichend und somit als "erforderlich" anzusehen sei.

Nach Anhörung des Sachverständigen, der auf seiner Rechnungstellung beharrte, hat das AG Schwandorf durch den zuständigen Betreuungsrichter mit Beschluss vom 20.10.2014 die Vergütung des Sachverständigen antragsgemäß auf 763,44 EUR festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss hat der Bezirksrevisor Beschwerde erhoben mit dem Ziel, die Sachverständigenvergütung auf 540,32 EUR herabzusetzen.

Nach Einholung eines medizinischen Gutachtens zur Frage des erforderlichen Zeitaufwandes für die fragliche Erstellung eines Gutachtens zur Beurteilung der Betreuungsbedürftigkeit hat die zuständige Zivilkammer des LG Amberg als Beschwerdegericht mit Beschluss vom 25.06.2015 die Beschwerde des Bezirksrevisors zurückgewiesen und gleichzeitig die weitere Beschwerde zugelassen.

Mit Schreiben vom 09.07.2015 hat der Bezirksrevisor bei dem LG Amberg in Verfolgung seines unveränderten Begehrens, die Sachverständigenvergütung auf 540,32 EUR herabzusetzen, weitere Beschwerde erhoben und diese begründet.

Mit Beschluss vom 08.09.2015 hat das Beschwerdegericht eine Abhilfe abgelehnt und die Sache dem Oberlandesgericht Nürnberg zur Entscheidung über die weitere Beschwerde vorgelegt.

II. Die weitere Beschwerde des Vertreters der Staatskasse ist statthaft (§ 4 Abs. 5 Satz 1 JVEG) und wurde auch in zulässiger Form und Frist erhoben, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

1. Die weitere Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung des Beschwerdegerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht, die revisionsrechtlichen Vorschriften der §§ 546 und 547 ZPO gelten entsprechend (§ 4 Abs. 5 Satz 2 JVEG).

2. Das nach Stundensätzen zu bemessende Honorar eines Sachverständigen wird gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt.

Nach der Konzeption der gesetzlichen Regelung bedarf es für das hier nach Stundensätzen zu bemessende Honorar einer Ermittlung der tatsächlich aufgewandten Zeit nicht. Maßgeblich für die Vergütung des Sachverständigen ist nämlich nicht die tatsächlich aufgewandte, sondern gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG die für die Erstattung des Gutachtens erforderliche Zeit.

Diese ist nach einem abstrakten Maßstab zu ermitteln, der sich an dem Aufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen orientiert. Eine Schätzung des tatsächlichen Zeitaufwands als Grundlage eines nach Stundensätzen bemessenen Honorars ist daher der gesetzlichen Regelung fremd. Um die Erforderlichkeit feststellen zu können, muss sich das Gericht im Einzelnen mit dem geltend gemachten Arbeitsaufwand des Sachverständigen auseinander setzen. Maßstab hierfür ist derjenige Zeitaufwand, den ein Sachverständiger mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen braucht, um sich nach sorgfältigem Aktenstudium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen machen zu können und nach eingehenden Überlegungen seine gutachterliche Stellungnahme zu den ihm gestellten Fragen schriftlich niederzulegen. Dabei sind ...

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