Leitsatz (amtlich)

1. Ist die Mitwirkung eines Verteidigers weder aufgrund der Schwere der Tat noch wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage geboten, so führt auch der Umstand, dass der Angeklagte der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, nicht generell zu einer notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Abs. 2 StPO, da dessen Rechte auf Ausgleich der mit den sprachbedingten Verständigungsschwierigkeiten einhergehenden Beschränkungen durch die mit Wirkung vom 06.07.2013 neu gefasste Vorschrift des § 187 GVG hinreichend gewahrt werden.

2. Wird der Angeklagte durch einen sprachkundigen Wahlverteidiger vertreten, kann dies gemäß § 187 Abs. 2 Sätze 4 und 5 GVG nach den Umständen des Einzelfalls dazu führen, dass es keiner schriftlichen Übersetzung der Anklageschrift und des Urteils gemäß § 187 Abs. 2 Satz 1 GVG bedarf.

 

Normenkette

StPO § 140 Abs. 2; GVG § 187 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 13.01.2014; Aktenzeichen 4 Ns 705 Js 67666/13)

 

Tenor

Die Beschwerde des Angeklagten R... gegen den Beschluss der 4. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 13.01.2014 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Der Angeklagte ist polnischer Staatsangehöriger. Gemäß Auszug aus dem Bundeszentralregister ist er vorgeahndet. Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Nürnberg vom 22.10.2010 (52 Cs 705 Js 71818/10), rechtskräftig seit 22.11.2010, ist gegen ihn wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 15 € verhängt worden.

Im laufenden Strafverfahren begehrt der Angeklagte die Beiordnung eines Pflichtverteidigers für das Berufungsverfahren. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Bei einer Verkehrskontrolle am ...2012 wurde er von der Polizei angehalten und legte hierbei einen polnischen Führerschein vom 15.01.2009 vor. Da die Überprüfung dieses Führerscheins laut Aktenvermerk der Verkehrspolizeiinspektion Fürth "Unstimmigkeiten im Bereich des OVI, der UV-Sicherung, des verwendeten Urkundenpapiers, des Durchsichtregisters sowie der Lichtbilder (primär und sekundär)" ergab, wurde er sichergestellt. Das eingeholte Gutachten des Bayerischen Landeskriminalamts vom 26.11.2012 ergab, dass sich das untersuchte Dokument in seiner Ausführung (Bedruckstoff, Drucktechnik, Sicherheitsausstattung) von authentischem Vergleichsmaterial unterscheidet, eine Nachahmung darstellt und nicht von einer amtlichen/autorisierten Stelle ausgestellt wurde.

Mit Schriftsatz vom 12.12.2012 teilte Rechtsanwalt Z... unter Beifügung einer Vollmacht des Angeklagten der Polizeiinspektion Fürth mit, dass dieser ihn mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen beauftragt habe und vorerst keine Angaben zur Sache machen werde.

Mit Verfügung vom 05.07.2013 erteilte die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth dem Verteidiger des Angeklagten Akteneinsicht mit der Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schriftsatz vom 13.07.2013 leitete der Verteidiger die Akte zurück und bat um Verlängerung der Äußerungsfrist bis 30.08.2013.

Nachdem keine Stellungnahme einging, hat die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth am 03.09.2013 ihre Ermittlungen abgeschlossen und mit Anklageschrift vom 04.09.2013 Anklage wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Urkundenfälschung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, §§ 267 Abs. 1, 282, 53 StGB zum Amtsgericht Nürnberg erhoben sowie Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren gestellt.

Mit Verfügung vom 16.09.2013 ordnete das Amtsgericht Nürnberg an, eine beglaubigte Abschrift der Anklageschrift vom 04.09.2013 an den Angeklagten und dessen Verteidiger zuzustellen, und setzte eine Stellungnahmefrist von einer Woche. Eine Übersetzung der Anklageschrift in die polnische Sprache wurde nicht beigefügt. Die Zustellung erfolgte an den Angeklagten am 18.09.2013 und an dessen Verteidiger am 19.09.2013.

Mit an die Staatsanwaltschaft gerichtetem Schriftsatz vom 17.09.2013 - also noch vor Erhalt und in Unkenntnis der Anklageschrift - regte der Verteidiger an, das Strafverfahren einzustellen.

Nachdem keine Stellungnahme zur Anklageschrift erfolgte, hat das Amtsgericht Nürnberg mit Beschluss vom 27.09.2013 die Entscheidung im beschleunigten Verfahren abgelehnt, die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht - Strafrichter - Nürnberg eröffnet.

Mit Schriftsatz vom 04.10.2013 hat Rechtsanwalt Z... beantragt,

ihn dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beizuordnen.

Zur Begründung hat er ausgeführt, der Angeklagte sei der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig. Es komme hinzu, dass der Angeklagte polnischer Staatsbürger sei und somit einem anderen Rechtskreis entstamme. Er sei weder mit seinen Rechten und Pflichten als Angeklagter noch mit dem Verfahrensablauf vertraut. Aufgrund des abweichenden Rechtsverständnisses gebiete die faire Verfahrensführung die Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Die Hinzuziehung eines Dolmetschers sei nicht ausreichend.

Diesen Antrag hat das Amtsgericht Nürnberg mit Beschluss vom 10.10.2013 abgelehnt. Di...

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