Entscheidungsstichwort (Thema)

Parteiverrat. Antrag des Anzeigeerstatters …, vertreten durch Rechtsanwältin …, auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 2 StPO

 

Tenor

I. Der Antrag des Anzeigeerstatters … vom 18.01.1999 auf gerichtliche Entscheidung im Klageerzwingungsverfahren wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

II. Der Antrag des Anzeigeerstatters auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Klageerzwingungsverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwältin … wird abgelehnt.

 

Gründe

Der Antrag des. Anzeigeerstatters … vom 18.01.1999 auf gerichtliche Entscheidung im Klageerzwingungsverfahren richtet sich gegen den ablehnenden Bescheid des Generalstaatsanwalts in Nürnberg vom 28.12.1998, durch den der Beschwerde des Anzeigeerstatters gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth vom 30.10.1998 keine Folge gegeben wurde.

Der zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung war als unbegründet zu verwerfen, da nach Überzeugung des Senats gegen die Beschuldigte, Rechtsanwältin …, kein hinreichender Verdacht im Sinne des § 170 Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 203 StPO für eine von der Beschuldigten zum Nachteil des Anzeigeerstatters begangene strafbare Handlung besteht. Insbesondere hat die Beschuldigte nicht den Tatbestand des § 356 StGB, Parteiverrat, verwirklicht.

Zwar kann ein Abwickler im Sinne des § 55 BRAO grundsätzlich Täter des § 365 StGB sein, wie der Anzeigeerstatter zutreffend unter Berufung auf Rudolphi, SK, § 356, RdNr. 9, ausführt (vgl. auch z.B. Schönke/Schröder, StGB, § 356 RdNr. 7).

§ 356 StGB setzt aber voraus, daß der „Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand … beiden Parteien … dient”; das heißt § 356 ist nur dann einschlägig, wenn der Rechtsbeistand beiden Parteien in solcher Eigenschaft dient (Leipziger Kommentar, StGB, § 356 RdNr. 51; SK, StGB, § 356 RdNr. 24). Demzufolge ist die Tätigkeit als Abwickler anwaltliche Berufstätigkeit im Sinne des § 356 StGB, wenn der Abwickler für Mandanten der abzuwickelnden Kanzlei tätig wird. Wenn der Abwickler jedoch entsprechend den (vormaligen) Hinweisen für die Tätigkeit des Abwicklers (BRAK-Mit. 1994, S. 22 ff, Ziffer III 3 b) bestehende Arbeitsverhältnisse – mit Angestellten der abzuwickelnden Kanzlei – kündigt, „dient” er nicht einem Mandanten (der Kanzlei); er wird nicht als Bevollmächtigter des Rechtsanwalts tätig, dessen Kanzlei abzuwickeln ist. Der Kanzleiabwickler ist kein Vertreter des früheren Rechtsanwalts; er steht vielmehr in einem öffentlich rechtlichen Rechtsverhältnis zu der ihm bestellenden Landesjustizverwaltung (vgl. Simonsen/Leverenz, BRAK-Mitt. 1995, 225; Feuerich/Braun 4. Auflage, § 55 RdNr. 17). Auf die Frage, ob die Beschuldigte als Abwicklerin überhaupt befugt war, den, Arbeitsvertrag zu kündigen (vgl. Feuerich/Braun, a.a.O.) kommt es dabei nicht an.

Auch § 45 Abs. 1 Nr. 3 BRAO, der es demjenigen, der „als Konkursverwalter … Nachlaßverwalter … Betreuer oder in ähnlicher Situation bereits befaßt war”, untersagt „gegen den Träger” des von ihm verwalteten Vermögens vorzugehen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar kann § 45 die „Pflichtwidrigkeit” des Dienens im Sinn des § 356 StGB begründen (vgl. Tröndle, StGB, § 356 RdNr. 6). Voraussetzung ist aber, daß der Tatbestand des § 356 überhaupt erfüllt ist. Nachdem vorliegend, wie ausgeführt, das Tatbestandsmerkmal des „Dienens” nicht gegeben ist, kann ein eventueller Verstoß gegen § 45 Abs. 1 Nr. 3 BRAO alleine eine Strafbarkeit nach § 356 StGB nicht begründen. Zudem ist generell festzustellen, daß die BRAO und das anwaltliche Standesrecht ohnedies – über das materielle Strafrecht hinausgehende – Verpflichtungen für Rechtsanwälte aufstellt, deren Verletzungen nicht regelmäßig zu einer Strafbarkeit des Anwalts führt.

Schließlich ist noch folgendes anzumerken: selbst wenn man eine Verwirklichung des objektiven Straftatbestands des § 356 StGB durch die Beschuldigte bejahen würde, läge zu deren Gunsten ein strafausschließender Irrtum vor. Bei einem Irrtum über normative Tatumstände wie „pflichtwidriges Dienen” kommt schon ein den Vorsatz ausschließender Tatbestandsirrtum nach § 16 Abs. 1 StGB in Betracht (Schönke/Schröder, StGB, § 356 RdNr. 24). Selbst wenn man aber (siehe Schönke/Schröder, a.a.O.) mit der Rechtsprechung lediglich einen Verbotsirrtum nach § 17 StGB annimmt, ist im vorliegenden Falle von der Unvermeidbarkeit dieses Irrtums auszugehen. Denn wenn die Beschuldigte ihrer in einem solchen Fall gebotenen Erkundigungspflicht nachgekommen wäre, wäre ihr (sogar) von der Rechtsanwaltskammer bestätigt worden, daß ihr Tun weder gegen § 356 StGB noch gegen § 45 Abs. 1 Nr. 3 BRAO verstößt (vgl. Schreiben der Rechtsanwaltskammer für den Bezirk des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 21.12.1998, Blatt 22 f. der Akten).

Nach allem ist festzustellen, daß ein hinreichender Verdacht einer strafbaren Handlung durch die Beschuldigte nicht angenommen werden kann. Nach Sachlage kann die Entscheidung deshalb nur lauten, daß es bei der Einstellungsverfügung der Staatsanwal...

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