Leitsatz (amtlich)

1. Das Nachlassgericht ist außerhalb eines Erbscheinverfahrens auch im Rahmen der ihm nach dem bayerischen Landesrecht (Artikel 37 BayAGGVG) obliegenden Erbenermittlungspflicht mangels einer hierfür erforderlichen Rechtsgrundlage nicht befugt, über die Wirksamkeit einer Ausschlagung der Erbschaft oder einer Anfechtung deren Annahme durch einen förmlichen Feststellungsbeschluss zu entscheiden.

2. Gegen einen gleichwohl ergangenen Feststellungsbeschluss des Nachlassgerichts ist die befristete Beschwerde (§§ 58 ff. FamFG) statthaft; sie führt zur Aufhebung eines solchen Beschlusses.

 

Verfahrensgang

AG Weiden i.d. OPf. (Aktenzeichen VI 2051/14)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 4. wird der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Weiden i.d.OPf. vom 5. Oktober 2021, Az. VI 2051/14, aufgehoben.

2. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.

Außergerichtliche Kosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der Erblasser ... ist am 19. November 2014 verstorben. Er war mit Frau ... (Beteiligte zu 10.) verheiratet, die am 6. April 2020 verstorben ist. Aus der Ehe sind sechs Kinder hervorgegangen, die Beteiligten zu 2., 3., 4., 5., 6. und 8.

Der Erblasser schloss mit seiner Ehefrau am 31. März 2011 (Bl. 11 ff. d.A.) einen notariell beurkundeten Erbvertrag, mit dem sie sich gegenseitig zu alleinigen (befreiten) Vorerben einsetzen. Zu Nacherben des Erstversterbenden wurden die Kinder des Erblassers und seiner Ehefrau berufen. Ferner setzten der Erblasser und seine Ehefrau ihre Kinder zu Schlusserben des Längerlebenden ein.

Nach dem Tod des Erblassers erklärten die Abkömmlinge ... (Beteiligte zu 4.) und ... (Beteiligte zu 5.) die Ausschlagung der Nacherbschaft zur Niederschrift des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Würzburg, um den Pflichtteil geltend zu machen.

Nachdem die Ehefrau des Erblassers am 6. April 2020 verstorben war, nahmen die Beteiligten zu 2., 3., 6. und 8. die Erbschaft jeweils durch schriftliche Erklärungen an.

Die Beteiligten zu 3. und 6. haben am 13. Juli 2017 zur Niederschrift des Nachlassgerichts Weiden i.d.OPf. die Anfechtung der Annahme der Erbschaft erklärt (Bl. 83 f. d.A.). Der Beteiligte zu 2. erklärte durch notariell beurkundete Erklärung ebenfalls die Anfechtung der Annahme der Erbschaft (Bl. 89 f. d.A.). Zur Begründung haben die Beteiligten zu 2., 3. und 6. geltend gemacht, dass ihnen bei Annahme der Erbschaft nicht bewusst gewesen sei, dass die Nacherbschaft nicht werthaltig sein könnte, was jetzt vermutlich der Fall sei. Ferner hätten sie bei Annahme der Erbschaft gedacht, dass sie keinen Pflichtteil an ihre Geschwister leisten müssten. Sie seien mit Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Weiden i.d.OPf. vom 18. Juni 2021 auf der ersten Stufe zur Ergänzung des Nachlassverzeichnisses verurteilt worden. Erst in der vorausgegangenen mündlichen Verhandlung am 18. Juni 2021 sei ihnen bewusst geworden, dass sie wirklich zur Zahlung des Pflichtteils herangezogen werden könnten.

Mit "Feststellungs-Beschluss" vom 5. Oktober 2021 (Bl. 122 ff. d.A.) hat der Rechtspfleger des Nachlassgerichts festgestellt, dass die Beteiligten zu 2., 3. und 6. nicht Erben des Erblassers geworden seien. Der Beschluss ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung über die Einlegung der befristeten Beschwerde versehen. Zur Begründung hat das Nachlassgericht ausgeführt, dass die erklärte Anfechtung der Annahme der Erbschaft wirksam sei. Den Beteiligten zu 2., 3. und 6. sei die Zusammensetzung und die Werthaltigkeit des Nachlasses nicht bewusst gewesen. Sie seien davon ausgegangen, dass der Pflichtteil, den ihre Geschwister geltend gemacht haben, bereits durch die Vorerbin bezahlt worden sei. Es habe damit bei den Beteiligten ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft bestanden. Die Anfechtungserklärung sei auch nicht verfristet. Die Beteiligten hätten glaubhaft dargelegt, dass sie erst mit Erlass des Anerkenntnisurteils vom 18. Juni 2021 Kenntnis vom Anfechtungsgrund erlangt hätten.

Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 4. mit Anwaltsschriftsatz vom 8. Oktober 2021, eingegangen beim Erstgericht am gleichen Tag, Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass für den ergangenen Feststellungsbeschluss schon die funktionale Zuständigkeit des Rechtspflegers nicht gegeben sei, da eine Verfügung von Todes wegen vorliege. Ferner sei der Feststellungsbeschluss auch deshalb unwirksam, da es für diesen keine Rechtsgrundlage gebe.

Das Erstgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 19. Oktober 2021 (Bl. 135 ff. d.A.) nicht abgeholfen.

II. Die Beschwerde der Beteiligten zu 4. ist nach den §§ 58 ff. FamFG zulässig. Die Beschwerde ist insbesondere als nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaftes Rechtsmittel anzusehen. Die Beschwerde findet gemäß § 58 Abs. 1 FamFG nur gegen die im ersten Rechtszug ergangenen "Endentscheidungen" statt. Die Frage, ob es sich bei der angefochtenen Entscheidung nach deren Gegenstand und Regelungsgehalt tatsächlich um...

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