Leitsatz (amtlich)

1. Das Anerkenntnis eines Anspruchs, der erst im Laufe des Prozesses fällig wird, kann nicht mehr als „sofortiges” Anerkenntnis gewertet werden, wenn es der Beklagte in der nächsten mündlichen Verhandlung noch zu einer Erörterung der Sach- und Rechtslage kommen lässt und erst dann, wenn auch noch vor Antragstellung, den Anspruch anerkennt.

2. Der Streitwert einer Klage auf Freigabe eines hinterlegten Betrages richtet sich danach, in welcher Höhe (einschließlich Nebenforderungen) der Beklagte dem Kläger die Herausgabe streitig macht.

 

Normenkette

ZPO § 3 ff., § 93

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 2 O 9647/01)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird Nr. II des Anerkenntnisurteils des LG Nürnberg-Fürth vom 15.4.2002 dahin geändert, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden.

II. Auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III. Der Streitwertbeschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 15.4.2002 wird dahin geändert, dass der Streitwert für die erste Instanz 1.500 Euro beträgt.

IV. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt 600 Euro.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 99 Abs. 2 S. 1 ZPO) und zum Teil auch begründet.

I. 1. Das Anerkenntnis des Beklagten in der Sitzung des LG vom 15.4.2002 kam zu spät, um noch die Voraussetzungen eines „sofortigen” Anerkenntnisses zu erfüllen.

Zu Recht hat allerdings das LG dargelegt, dass und weshalb der Beklagte bei Einreichung der Klage noch nicht verpflichtet war, den hinterlegten Betrag ganz oder teilweise zu Gunsten der Klägerin freizugeben. Hierzu war er erst dann verpflichtet, als die Klägerin durch Vorlage des Vollstreckungsbescheids vom 26.10.2000 und der aktuellen Forderungsaufstellung ihre Vorrangstellung ggü. dem Anspruch des Beklagten glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt hatte (Schriftsatz vom 14.3.2002, beim LG eingegangen am 19.3.2002, an den Beklagten hinausgegeben am 20.3.2002).

Hätte nun der Beklagte nach Erhalt und Prüfung dieser Unterlagen das Freigabeverlangen der Klägerin – soweit es berechtigt war (vgl. unten 2.) – unverzüglich anerkannt, so wäre sein Anerkenntnis noch als „sofortiges” i.S.d. § 93 ZPO zu werten gewesen. Unerheblich ist hierbei, ob auf ein nur beschränktes Anerkenntnis hin sogleich – also schon vor der erst später erfolgten Beschränkung des Klageantrags – ein „Anerkenntnisurteil” nach § 307 ZPO hätte ergehen können (zum Problem des beschränkten Anerkenntnisses vgl. Musielak, 3. Aufl., § 307 ZPO Rz. 4 ff.); denn die Kostenfolge des § 93 ZPO ist nicht an ein förmliches Anerkenntnisurteil geknüpft, sondern lediglich an ein sofortiges Anerkenntnis des „Anspruchs”, d.h. der berechtigten Klageforderung (Stein/Jonas/Bork, 21. Aufl., § 93 ZPO Rz. 3a, 4; Musielak/Wolst, 3. Aufl., § 93 ZPO Rz. 3; vgl. ferner Roidl, NJW 1968, 1865 [1866]).

Statt auf die Vorlage des Vollstreckungsbescheids und der aktuellen Forderungsaufstellung hin den Freigabeanspruch im nunmehr nachgewiesenen Umfang sofort anzuerkennen, reagierte der Beklagte auf den Schriftsatz der Klägerin vom 19.3.2002 zunächst nicht. Selbst in der mündlichen Verhandlung vom 15.4.2002 erklärte er sein Anerkenntnis nicht schon bei Sitzungsbeginn, vielmehr ließ er es – ausweislich des Protokolls – noch zu einer Erörterung der Sach- und Rechtslage kommen, bevor er den (inzwischen eingeschränkten) Klageantrag vorbehaltlos anerkannte.

Angesichts dieses Geschehensablaufes stellt das Anerkenntnis des Beklagten kein „sofortiges Anerkenntnis” i.S.d. § 93 ZPO dar. Demzufolge bleibt es insoweit beim gesetzlichen Grundsatz, dass die Kosten des Rechtsstreits vom Unterlegenen – hier also dem Beklagten – zu tragen sind (§ 91 ZPO).

2. Auf der anderen Seite ist auch die Klägerin mit ihrem ursprünglichen Klageantrag nicht im vollem Umfang durchgedrungen. War ihr Klageantrag zunächst auf Freigabe „sämtlicher bereits hinterlegter sowie zukünftig noch zu hinterlegender Beträge” gerichtet, so hatte sie ihn später auf Anregung des LG auf die Höhe ihrer eigenen aktuellen (Rest-)Forderung beschränkt. Für den Beklagten bedeutete diese Beschränkung eine Verbesserung seiner Vollstreckungsaussichten, weil sie ihm die Chance wahrte, nach Tilgung dieser Restforderung möglicherweise mit der Durchsetzung seines eigenen Anspruchs gegen den Schuldner doch noch zum Zuge zu kommen.

Die Beschränkung des ursprünglich weiter gehenden Klageantrags (§ 264 Nr. 2 ZPO) wirkte i.E. wie eine teilweise Klagerücknahme (Zöller/Greger, 23. Aufl., § 264 ZPO Rz. 4a). Insoweit fallen die Kosten des Rechtsstreits kraft Gesetzes der Klägerin zur Last (§ 269 Abs. 3 S. 2 ZPO). Der allgemein gehaltene Antrag des Beklagten, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen (enthalten in der Wendung „unter Verwahrung gegen die Kostenlast”), war zwar nicht als Antrag nach § 269 Abs. 4 ZPO gedacht, kann aber bei interessengerechter Auslegung als solcher gewertet werden.

II. 1. Wägt man das beiderseitige Unterliegen ab (Anerkenntnisurteil einerseits, teilwei...

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