Leitsatz (amtlich)

Zur Sittenwidrigkeit eines Grundstückskaufvertrages nach § 138 Abs. 1 BGB, der zu einem überhöhten Preis abgeschlossen wurde.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Aktenzeichen 4 O 734/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Magdeburg vom 28.5.2001, Geschäftszeichen: 4 O 734/01, abgeändert:

Die Zwangsvollstreckung aus dem Grundstückskaufvertrag vom 7.6.1999, UR-Nr. 818/1999 des Notars H. St. aus O., wird für unzulässig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 543 Abs. 1 a.F. ZPO, 26 Nr. 5 S. 1 EGZPO i.V.m. §§ 542 Abs. 1 n.F., 543 Abs. 1 n.F. ZPO, 26 Nr. 7 S. 1, Nr. 8 EGZPO abgesehen.

 

Gründe

Für das Rechtsmittel der Kläger sind weiterhin die am 31.12.2001 geltenden Vorschriften anzuwenden, da die angefochtene Entscheidung auf eine vor dem 1.1.2002 geschlossene mündliche Verhandlung zurück geht (§ 26 Nr. 5 S. 1 EGZPO). Die danach zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache Erfolg. Das LG hat den Grundstückskaufvertrag vom 7.6.1999 zu Unrecht als wirksam und die Zwangsvollstreckung der Beklagten daher für zulässig erachtet. Das Gegenteil ist der Fall (§§ 138 Abs. 1 BGB, 767 Abs. 1, 795, 794 Abs. 1 Nr. 5, 797 Abs. 4 ZPO).

Der Grundstückskaufvertrag der Parteien ist sittenwidrig und aus diesem Grunde nichtig (§ 138 Abs. 1 BGB). Ein auf Leistungsaustausch gerichteter Vertrag, der den Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB nicht in allen Punkten erfüllt, kann auch dann gegen die guten Sitten verstoßen und nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht und weitere Umstände hinzutreten, z.B. der Begünstigte aus verwerflicher Gesinnung gehandelt hat, was insbesondere dann der Fall ist, wenn der begünstigte Partner die wirtschaftlich schwächere Lage des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt oder sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sich der andere nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den ungünstigen Vertrag einlässt. Ist ein Missverhältnis besonders grob, so ist allein deswegen der Schluss auf bewusste oder grob fahrlässige Ausnutzung irgendeines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigtenden Umstandes und damit auf eine verwerfliche Gesinnung zulässig (BGH v. 19.1.2001 – V ZR 437/99, BGHReport 2001, 269 = MDR 2001, 683 = NJW 2001, 1127; v. 5.10.2001 – V ZR 237/00, BGHReport 2002, 47 = MDR 2002, 82 = NJW 2002, 429 [430]). Von so einem besonders groben Missverhältnis ist dann auszugehen, wenn der Wert der Leistung objektiv betrachtet zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses knapp doppelt so hoch ist, wie der Wert der Gegenleistung des Begünstigten (BGH v. 19.1.2001 – V ZR 437/99, BGHReport 2001, 269 = MDR 2001, 683 = NJW 2001, 1127 [1128]; v. 5.10.2001 – V ZR 237/00, BGHReport 2002, 47 = MDR 2002, 82 = NJW 2002, 429 [430 f.]). Das ist hier der Fall.

Der für das Kaufgrundstück vereinbarte Kaufpreis betrug 22 DM/m², mithin insgesamt 22.000 DM (vgl. § 2 des Vertrages). Tatsächlich wies das Grundstück der Beklagten und ihrer inzwischen verstorbenen und von den Beklagten allein beerbten Mutter I.G. am 7.6.1999 einen Verkehrswert von 12.000 DM auf, wie sich aus den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) W.W. in seinem schriftlichen Verkehrswertgutachten vom 15.2.2002 ergibt, die keine der Parteien angezweifelt und gegen die auch der Senat nichts zu erinnern hat.

Eine solche außergewöhnliche Leistung wird – auch für die Beklagten bzw. den für den Beklagten zu 2) handelnden Beklagten zu 1) ersichtlich (§ 166 Abs. 1 BGB) – nicht ohne Not oder nicht ohne einen anderen, den Benachteiligten hemmenden Umstand zugestanden. Dies rechtfertigt die Vermutung, dass sich der Beklagte zu 1) bewusst oder grob fahrlässig der Einsicht verschlossen hat, dass die Kläger den Vertrag nur aus Mangel an Urteilsvermögen oder wegen erheblicher Willensschwäche eingegangen sind. Allein das objektive Wertverhältnis führt vor diesem Hintergrund zum Schluss auf die verwerfliche Gesinnung auf Seiten der Beklagten (BGH v. 19.1.2001 – V ZR 437/99, BGHReport 2001, 269 = MDR 2001, 683 = NJW 2001, 1127 [1128]; v. 5.10.2001 – V ZR 237/00, BGHReport 2002, 47 = MDR 2002, 82 = NJW 2002, 429 [432]), ohne dass es darauf ankommt, ob ihnen überhaupt bewusst war, dass sie ein außergewöhnliches Zugeständnis erfuhren (BGH v. 19.1.2001 – V ZR 437/99, BGHReport 2001, 269 = MDR 2001, 683 = NJW 2001, 1127 [1128]). An diese Beweiswürdigungsregel ist der Tatrichter gebunden; sie kann nur dann nicht zur Anwendung gelangen, wenn sie im Einzelfall durch besondere Umstände, die die Beklagten darzulegen und zu beweisen haben, erschüttert ist (BGH NJW 2001, 1127 [1129]; v. 5.10.2001 – V ZR 237/00, BGHReport 2002, 47 = MDR 2002, 82 = NJW 2002, 429 [432]). Dies ist den Beklagten nicht gelungen.

Zu den Umständen, die der verwerfl...

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