Leitsatz (amtlich)

Hat das Erstgericht von Anfang an die Auslegung des Vertragsformulars durch den Kläger geteilt, bestand für diesen keine Notwendigkeit weiteren Sachvortrag dazu zu halten und Beweismittel dafür zu benennen, dass seine Auslegung auch dem beiderseitigen Willen der Vertragsparteien entspricht. Wird die Auslegung erstmals im Berufungsrechtszug als zweifelhaft diskutiert, ist die Benennung eines Zeugen für den Parteiwillen zwar neues Vorbringen, aber zuzulassen.

 

Verfahrensgang

LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 08.08.2011; Aktenzeichen 4 O 134/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8.8.2011 verkündete Urteil des LG Dessau-Roßlau (4 O 134/10) unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 53.970,09 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5-Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.12.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 16 % und die Beklagte zu 84 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 65.000, - Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 7.500, - Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 64.438,33 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger macht restlichen Werklohn aus einem Ingenieurvertrag (vom 30.6./14.7.2006) geltend, betreffend die (§ 1 (1)):

Abwasserentsorgung An. und Ortsteil G. als Unterdruckentwässerungssystem einschl. zur Überleitung nach P.

Das Vertragsformular wurde als Vordruck vom Kläger gestellt. Als Vertragspartner des Klägers ist die Gemeinde An. genannt. Auf Seiten der Gemeinde hat deren damaliger Bürgermeister, O.H., den Vertrag unterzeichnet. Die Gemeinde An. war Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft A. -P. Die Verwaltungsgemeinschaft ihrerseits wurde im Zuge der Gemeindeneugliederung aufgelöst und die Gemeinde An. wurde in die Stadt A. (= Beklagte) eingemeindet (§ 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt betreffend den Landkreis Wittenberg vom 8.7.2010 [GVBl.-LSA 2010, S. 420]). Die gebildete Einheitsgemeinde (= die Beklagte) wurde dabei Rechtsnachfolgerin der Verwaltungsgemeinschaft und der diese bildenden Gemeinden (Art. 1, § 2 Abs. 5 S. 2 Begleitgesetz zur Gemeindegebietsreform vom 14.2.2008 [GVBl.-LSA 2008, S. 40).

Mit Beschluss vom 15.3.2005 hat der Gemeinderat der Gemeinde An. beschlossen, die Leistungsphasen 1 und 2 an den Kläger zu vergeben (Bl. 241 I). Nach dem Vortrag der Beklagten hat der Bürgermeister (der Zeuge H.) den Kläger sodann mit den Leistungsphasen 3 - 5 zunächst ohne vorherigen Gemeinderatsbeschluss beauftragt. Dies sei nachträglich vom Gemeinderat gebilligt worden. Einen Beschluss hinsichtlich der Leistungsphasen 6 - 9 gebe es nicht.

Mit Beschluss des Gemeinschaftsausschusses der Verwaltungsgemeinschaft A. -P. vom 17.3.2008 wurde entschieden, dass das Projekt für die Gemeinde An. von der Verwaltungsgemeinschaft übernommen wird (Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft A. -P. vom 14.2.2009 [Anlage K 2 AB]). Der Verwaltungsgemeinschaft wurden vom Landesverwaltungsamt mit Zuwendungsbescheid vom 22.12.2008 Fördermittel für die Durchführung des Projekts gewährt. Im Beschluss des Gemeinderates vom 19.1.2009 der Gemeinde An. heißt es: Nichtinanspruchnahme der Leistungsphasen 6 - 9 (Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft A. -P. vom 10.2.2009 [Teil der Anlage K 2 AB]).

In § 3 des Vertrages (Leistungen des Auftragnehmers) werden in Abs. 1 die Leistungsphasen 1 - 4 genannt. In § 3 (2) des Vertrages heißt es:

(2) Der Auftraggeber

[X] überträgt

[] beabsichtigt zu übertragen

die folgenden Leistungen:

(Hier sind aus den Leistungsphasen 5-9 und § 57 HOAI die zu übertragenden Leistungen einzutragen - stufenweise Beauftragung)

Darunter werden die Leistungsphasen 5-9 genannt. In § 3 (4) heißt es:

(4) 1. Der Auftraggeber beabsichtigt, die weiteren in § 3 Abs. 2 genannten Leistungen (ab Phase 5) dann in Auftrag zu geben, wenn die endgültige Entwurfsplanung vorliegt, diese vom Auftragnehmer und ggf. von anderen Stellen gebilligt (genehmigt) wird, die Finanzierung gesichert ist und kein wichtiger Grund in der Person des Auftragnehmers entgegensteht, ohne dass hierauf ein Rechtsanspruch besteht. Die Übertragung erfolgt schriftlich.

Der Auftraggeber behält sich vor, die weiteren in § 3 Abs. 2 genannten Leistungen (ab Phase 5 jeweils für Abschnitte der Gesamtmaßnahme in Auftrag zu geben (abschnittsweise Beauftragung)

In § 8 (5. Spiegelstrich) heißt es:

  • Eine Beauftragung der Leistungen ab Leistungsphase 6 erfolgt stufenweise, d.h. entsprechend der Bewilligung von Fördermitteln

Diese Regelung wurde nach dem Vortrag des Beklagten nach Abstimmung mit der Verwalt...

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