Leitsatz (amtlich)

Ein Mietinteressent, der beabsichtigt, in bevorzugter Innenstadtlage einer Landeshauptstadt ein Ladengeschäft anzumieten und dort das Warensortiment einer Marke anzubieten, die in der Presseberichterstattung in Zusammenhang mit der rechtsextremen Szene gebracht wird, muss dem Vermieter bei den Vertragsverhandlungen die Marke des Warensortiments ungefragt mitteilen.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 13.02.2008; Aktenzeichen 5 O 1879/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 11.08.2010; Aktenzeichen XII ZR 192/08)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 13.2.2008 verkündete Urteil des LG Magdeburg (5 O 1879/07) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 30.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 21.790,57 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Anspruch auf Räumung eines Ladengeschäfts geltend. Mit Vertrag vom 1.6.2007 (Anlage K 1, Bd. I Bl. 11 ff. d.A.) vermietete die C. Immobilien GmbH & Co. KG, vertreten durch die Klägerin, dem Beklagten die in dem Objekt Breiter Weg 10 in Magdeburg gelegenen, als Gewerbe 0.02 bezeichneten Räume im Erdgeschoss. Die C. Immobilien GmbH & Co. KG ist Eigentümerin des Objekts. Sie und die Klägerin sind mit dem katholischen Bistum Magdeburg verbunden. Das Anwesen Breiter Weg 10 war von dem Künstler Friedensreich Hundertwasser entworfen worden; es ist als "Die Grüne Zitadelle von Magdeburg" oder als "Hundertwasser-Haus" bekannt. Das Mietverhältnis wurde gem. § 2 des Vertrages für die Dauer von 3 Jahren, beginnend am 1.8.2007, fest abgeschlossen.

Gemäß § 1 Nr. 4 des Mietvertrages erfolgt die Vermietung zum Zweck "Verkauf und Vertrieb von Textilien und Sortimenten im Outdoorbereich"; dem Vertrag ist als Anlage 5 eine Sortimentsliste (Anlage K 2, Bd. I Bl. 35 d.A.) beigefügt, die Bestandteil des Vertrages ist. Diese Sortimentsliste enthält allgemeine Angaben zu dem beabsichtigten Verkauf von Textilien und Bekleidungsartikeln. Der Beklagte, der Geschäftsführer der M. GmbH war, beabsichtigte bereits zur Zeit des Vertragsschlusses, in den Mieträumen weit überwiegend das von der M. GmbH vertriebene Warensortiment der Marke "Thor Steinar" anzubieten; ein Hinweis auf diese Marke ist in der Sortimentsliste nicht enthalten.

Am 20.7.2007 wurden die Gewerberäume dem Beklagten übergeben. Am 25.7.2007 wurde die Klägerin von Mietern darüber in Kenntnis gesetzt, dass in der Öffentlichkeit behauptet werde, das vom Beklagten angebotene Warensortiment der Marke "Thor Steinar" sei der rechten Szene zuzuordnen. Daraufhin fand am 26.7.2007 ein Gespräch zwischen dem geschäftsführenden Gründungskommanditisten der Eigentümerin N. D. und dem Beklagten in Anwesenheit der Zeugen Dr. R. L., G. N. und A. K. statt. Bei dem Gespräch ging es um einen Verzicht des Beklagten auf die Eröffnung des Ladens oder auf den Vertrieb des Warensortiments der Marke "Thor Steinar". Der Zeuge D. schlug vor, eine Erklärung für den Beklagten vorzubereiten, die dieser unterzeichnen möge; die Erklärung sollte in einer Pressekonferenz verlesen werden.

Am 27.7.2007 fand ein Gespräch des Beklagten mit Vertretern der Klägerin und deren Rechtsanwalt J. S. statt. Im Nachgang zu dieser Besprechung unterzeichnete der Beklagte als Mieter folgende "Erklärung zum Mietvertrag" mit der C. Immobilien GmbH & Co. KG:

"1. Vermieterin und Mieter sind über einen Gewerberaummietvertrag vom 1.6.2007 über die im Erdgeschoss der Liegenschaft Breiter Weg 10, 39104 Magdeburg, gelegene Einheit 0.02 zu einer Größe von 67,82 m2 mietvertraglich miteinander verbunden.

2. In Zusammenhang mit diesem Mietverhältnis erklärt der Mieter, dass von dem von ihm betriebenen Gewerbe keine verfassungsrechtlich relevanten Aktivitäten ausgehen. Des Weiteren erklärt der Mieter, dass er rechts- oder linksextremistische Parteien oder Gruppierungen finanziell nicht unterstützt und dies auch in Zukunft nicht tun wird."

Die Erklärung wurde außer vom Beklagten auch durch Rechtsanwalt S. unterzeichnet. Sie wurde am 27.7.2007 durch Vertreter der Eigentümerin auf einer Pressekonferenz verlesen.

Ebenfalls am 27.7.2007 eröffnete der Beklagte sein Ladengeschäft. Anlässlich der Eröffnung überreichte der geschäftsführende Gründungskommanditist der Vermieterin N. D. dem Beklagten als Geschenk ein Bild von Friedensreich Hundertwasser.

Mit Schreiben vom 27.7.2007 kündigte die Klägerin im Namen der Eigentümerin den Mietvertrag aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung. Nachdem der Beklagte die mangelnde Bevollmächtigung der Klägerin durch die Eigentümerin gerügt hatte, wiederholte sie die Kündigung unter Vollmachtsvorlage mit Schreiben vom 2.8.2007 (Anlage K 6, Bd. I Bl. 41 ff. d.A.); in diesem Kündigungsschreiben erklärte die Klägerin vorsorglich...

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