Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorvertragliche Aufklärungsverpflichtung des Gewerberaummieters bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände

 

Leitsatz (amtlich)

Der Mieter ist verpflichtet, den Vermieter vor Abschluss eines Gewerberaummietvertrages über außergewöhnliche Umstände aufzuklären, mit denen der Vermieter nicht rechnen kann und die offensichtlich für diesen von erheblicher Bedeutung sind.

 

Normenkette

BGB § 123 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Naumburg (Urteil vom 28.10.2008; Aktenzeichen 9 U 39/08)

LG Magdeburg (Entscheidung vom 13.02.2008; Aktenzeichen 5 O 1879/07)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des OLG Naumburg vom 28.10.2008 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten aus abgetretenem Recht Räumung und Herausgabe eines Ladengeschäfts.

Rz. 2

Mit Vertrag vom 1.6.2007 vermietete die C. Immobilien GmbH und Co. KG (i. F.: Vermieterin), vertreten durch die Klägerin, an den Beklagten in dem von Friedensreich Hundertwasser entworfenen Geschäftshaus in M. ein Ladengeschäft zum Verkauf von Textilien und Sortimenten im Outdoorbereich. Bestandteil des Vertrages war eine als Anlage 5 beigefügte Sortimentsliste vom 23.5.2007, die allgemeine Angaben zu dem beabsichtigten Bekleidungsangebot enthält, ohne eine Marke zu nennen. Der Beklagte beabsichtigte, in den Mieträumen nahezu ausschließlich Waren der Marke "Thor Steinar" zu verkaufen, die von der M. GmbH, deren Geschäftsführer der Beklagte war, vertrieben wird. Diese Marke wird in der Öffentlichkeit in einen ausschließlichen Bezug zur rechtsradikalen Szene gesetzt.

Rz. 3

Nachdem die Klägerin von dem beabsichtigten Angebot der Marke "Thor Steinar" erfahren hatte, versuchte sie, den Beklagten zu einem Verzicht auf die Eröffnung des Ladens oder auf den Vertrieb des Warensortiments der Marke "Thor Steinar" zu bewegen.

Rz. 4

Am 27.7.2007, dem Tag der Eröffnung des Ladens, unterzeichnete der Beklagte auf Wunsch der Klägerin eine Erklärung zum Mietvertrag, in der er versicherte, dass von seinem Gewerbe keine verfassungsrechtlich relevanten Aktivitäten ausgingen und er auch keine rechts- oder linksextremistische Parteien oder Gruppierungen finanziell unterstütze und unterstützen werde. Diese Erklärung wurde auch von dem Vertreter der Klägerin unterzeichnet.

Rz. 5

Mit Schreiben vom 27.7.2007 kündigte die Vermieterin den Mietvertrag aus wichtigem Grund. Sie wiederholte die Kündigung mit Schreiben vom 2.8.2007 und erklärte darüber hinaus die Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung.

Rz. 6

Die Vermieterin hat ihre Ansprüche auf Räumung und Herausgabe des Mietobjekts an die Klägerin abgetreten.

Rz. 7

Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 8

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Rz. 9

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in NZM 2009, 128 veröffentlicht ist, hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte sei zur Räumung und Herausgabe verpflichtet. Er habe kein Recht zum Besitz, weil die Klägerin den Mietvertrag vom 1.6.2007 im Namen der Vermieterin mit Schreiben vom 2.8.2007 wirksam wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 Abs. 1 BGB angefochten habe.

Rz. 10

Der Beklagte sei unter Zugrundelegung seines eigenen Sachvortrags verpflichtet gewesen, der Klägerin im Zuge der Vertragsverhandlungen auch ohne ausdrückliche Nachfrage mitzuteilen, dass er weit überwiegend Ware der Marke "Thor Steinar" verkaufen wolle. Der Beklagte habe nach seinem eigenen Vortrag gewusst, dass es Presseberichterstattung gebe, die dem von ihm angebotenen Warensortiment eine hohe Affinität zur rechten Szene zuweise. In dieser Berichterstattung werde die Meinung vertreten, die Marke "Thor Steinar" werde bevorzugt von Anhängern und Mitgliedern der rechtsradikalen Szene gekauft und getragen und als Erkennungssymbol für die Zugehörigkeit zur "rechten Szene" genutzt. Ausweislich des von dem Beklagten vorgelegten Artikels aus der TAZ vom 2.5.2008 sei es in mehreren Fußballstadien der neuen Bundesländer, im Bundestag und im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern verboten, Kleidung des Labels "Thor Steinar" zu tragen. Es lasse sich zwar nach Aktenlage nicht feststellen, dass diese Verbote bereits vor dem Abschluss des Mietvertrages vom 1.6.2007 ausgesprochen worden seien. Es spreche aber nichts für das Gegenteil. Zumindest die W. GmbH und Co. KG a.A. habe spätestens am 27.4.2007 für Zuschauer, die Kleidung der Marke "Thor Steinar" tragen, ein Stadionverbot verhängt.

Rz. 11

Aus öffentlich zugänglichen Quellen wie dem Artikel "Thor Steinar" in der Internet-Enzyklopädie Wikipedia sei ersichtlich, dass bereits vor dem 1.6.2007 Presseberichterstattung existiert habe, die die Marke "Thor Steinar" mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht habe. Bereits aufgrund dieses negativen Bildes der Marke in der Öffentlichkeit sei der Beklagte, unabhängig davon, ob dieses Bild zu Recht bestehe, verpflichtet gewesen, die Vermieterin über den beabsichtigten überwiegenden Verkauf von Waren der Marke "Thor Steinar" aufzuklären.

Rz. 12

Da das Hundertwasserhaus eine Touristenattraktion darstelle, sei für den Beklagten offensichtlich gewesen, dass es für die Vermieterin bei der Entscheidung über den Abschluss des Mietvertrages von ausschlaggebender Bedeutung gewesen sei, ob eine Presseberichterstattung zu erwarten sei, die den Käuferkreis einer vom Mieter verkauften Marke in Zusammenhang mit der rechtsextremen Szene bringe.

Rz. 13

Die Verletzung der Aufklärungspflicht sei auch für den Abschluss des Mietvertrages ursächlich gewesen. Aus der umfangreichen Presseberichterstattung und den Reaktionen von Parlamenten und Fußballvereinen auf die Marke "Thor Steinar" könne geschlossen werden, dass die Kenntnis der Vermieterin von dem beabsichtigten Verkauf dieser Marke Einfluss auf ihre Entschließung gehabt hätte. Dass dies der Fall gewesen sei, zeige das anschließende Bemühen der Vermieterin um eine Beendigung des Vertragsverhältnisses.

Rz. 14

Den dadurch begründeten Anschein der Ursächlichkeit der Täuschung für den Vertragsschluss habe der Beklagte nicht entkräftet. Denn es stehe aufgrund der Beweisaufnahme fest, dass die Vermieterin, wie der Zeuge D. glaubhaft bekundet habe, bei Nennung der Marke während der Vertragsverhandlungen recherchiert, deren Brisanz bemerkt und deshalb den Vertrag nicht abgeschlossen hätte.

Rz. 15

Der Beklagte habe die Vermieterin auch arglistig getäuscht. Er habe von der bereits vor Abschluss des Mietvertrages vorhandenen kritischen Presseberichterstattung gewusst und es deshalb mindestens ernsthaft für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass der Mietvertrag bei Kenntnis der Vermieterin von dem beabsichtigten Verkauf der Marke "Thor Steinar" nicht zustande gekommen wäre.

Rz. 16

Die Anfechtung sei auch nicht durch eine Bestätigung des Mietvertrages gem. § 144 BGB ausgeschlossen. Eine solche Bestätigung sei, wie eine Würdigung der Zeugenaussagen ergebe, weder durch die schriftliche "Erklärung zum Mietvertrag" vom 27.7.2007 noch mündlich erfolgt.

II.

Rz. 17

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

Rz. 18

Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe.

Rz. 19

Der Beklagte kann ein Recht zum Besitz nicht aus dem Mietvertrag vom 1.6.2007 herleiten. Denn die Vermieterin hat den Vertrag wirksam gem. §§ 123 Abs. 1, 124 BGB wegen arglistiger Täuschung angefochten. Der Mietvertrag ist deshalb als von Anfang an nichtig anzusehen (§ 142 Abs. 1 BGB).

Rz. 20

1. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte die Vermieterin dadurch arglistig getäuscht hat, dass er sie vor Vertragsschluss nicht über seine Absicht, in den Mieträumen nahezu ausschließlich Waren der Marke "Thor Steinar" zu verkaufen, aufgeklärt hat.

Rz. 21

a) Zwar besteht bei Vertragsverhandlungen keine allgemeine Rechtspflicht, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentschließung beeinflussen könnten (Staudinger/Singer/v. Finckenstein BGB Bearb. 2004 § 123 Rz. 10; Kramer in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 123 Rz. 16 bis 18; vgl. zum Kaufvertrag: BGH, Urt. v. 13.7.1983 - VIII ZR 142/82, NJW 1983, 2493 [2494]; v. 12.7.2001 - IX ZR 360/00, NJW 2001, 3331 [3332]). Vielmehr ist grundsätzlich jeder Verhandlungspartner für sein rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen (BGH, Urt. v. 13.7.1988 - VIII ZR 224/87, NJW 1989, 763 [764 m.w.N.]).

Rz. 22

Allerdings besteht nach der Rechtsprechung eine Rechtspflicht zur Aufklärung bei Vertragsverhandlungen auch ohne Nachfrage dann, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten durfte, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind (RGZ 111, 233 [234]; vgl. zur Aufklärungspflicht des Vermieters: BGH, Urt. v. 16.2.2000 - XII ZR 279/97, NJW 2000, 1714 [1718]; v. 28.4.2004 - XII ZR 21/02, NJW 2004, 2674; v. 28.6.2006 - XII ZR 50/04, NJW 2006, 2618 [2619]; v. 15.11.2006 - XII ZR 63/04 - NZM 2007, 144; zur Aufklärungspflicht des Verkäufers: BGH, Urt. v. 12.7.2001 - IX ZR 360/00, NJW 2001, 3331; v. 25.10.2007 - VII ZR 205/06, NJW-RR 2008, 258 Rz. 20; Staudinger/Singer/v. Finckenstein BGB Bearb. 2004 § 123 Rz. 11; Kramer in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 123 Rz. 16 bis 18). Davon wird insb. bei solchen Tatsachen ausgegangen, die den Vertragszweck vereiteln oder erheblich gefährden können (BGH, Urt. v. 13.12.1990 - III ZR 333/89, NJW-RR 1991, 439; v. 8.12.1989 - V ZR 246/87, NJW 1990, 975, zu Kaufverträgen). Eine Tatsache von ausschlaggebender Bedeutung kann auch dann vorliegen, wenn sie geeignet ist, dem Vertragspartner erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.

Rz. 23

Die Aufklärung über eine solche Tatsache kann der Vertragspartner redlicherweise aber nur verlangen, wenn er im Rahmen seiner Eigenverantwortung nicht gehalten ist, sich selbst über diese Tatsache zu informieren (vgl. Staudinger/Singer/v. Finckenstein BGB Bearb. 2004 § 123 Rz. 17 m.w.N.).

Rz. 24

In der Gewerberaummiete obliegt es grundsätzlich dem Vermieter, sich selbst über die Gefahren und Risiken zu informieren, die allgemein für ihn mit dem Abschluss eines Mietvertrages verbunden sind. Er muss allerdings nicht nach Umständen forschen, für die er keinen Anhaltspunkt hat und die so außergewöhnlich sind, dass er mit ihnen nicht rechnen kann. Er ist deshalb auch nicht gehalten, Internetrecherchen zum Auffinden solcher etwaiger außergewöhnlicher Umstände durchzuführen.

Rz. 25

Für die Frage, ob und in welchem Umfang eine Aufklärungspflicht besteht, kommt es danach wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls an.

Rz. 26

b) Das Berufungsgericht hat ausgehend von diesen Grundsätzen rechtsfehlerfrei eine Aufklärungspflicht des Beklagten wegen der besonderen Umstände des Falles bejaht.

Rz. 27

Das Mietobjekt lag in dem von dem Künstler Friedensreich Hundertwasser entworfenen, im Zentrum von M. gelegenen sog. "Hundertwasserhaus", das mit einer Gesamtmietfläche von 7000 m2 von der Vermieterin als Geschäftshaus konzipiert war und aufgrund seiner besonderen Gestaltung eine Attraktion für Touristen und Kunden sein sollte.

Rz. 28

Nach den revisionsrechtlich nicht angreifbaren Feststellungen des Berufungsgerichts wurde dieses Ziel durch den von dem Beklagten geplanten Verkauf von Waren der Marke "Thor Steinar", die unstreitig in der öffentlichen Meinung ausschließlich der rechtsradikalen Szene zugeordnet werden, gefährdet. Denn der Verkauf solcher Waren kann zur Folge haben, dass das Hundertwasserhaus in den Ruf gerät, Anziehungsort für rechtsradikale Käuferschichten zu sein und damit ein Ort, an dem - auch aufgrund von Demonstrationen - gewaltsame Auseinandersetzungen zu erwarten sind. Diese, das gesamte Anwesen treffende mögliche rufschädigende Wirkung ist geeignet, Kunden und Touristen fernzuhalten und damit andere Mieter im Anwesen zu einer Minderung oder Beendigung des Mietvertrages zu veranlassen und potentielle Mieter von dem Abschluss eines Mietvertrages abzuhalten. Der Verkauf von Waren der Marke "Thor Steinar" kann deshalb der Vermieterin erheblichen wirtschaftlichen Schaden zufügen.

Rz. 29

Darüber hinaus ist die Vermietung von Räumen zum Verkauf von Waren, die in der öffentlichen Meinung ausschließlich der rechtsradikalen Szene zugeordnet werden, geeignet, den Vermieter in der öffentlichen Meinung in die Nähe zu rechtsradikalem Gedankengut zu stellen und sich auch deshalb geschäftsschädigend für ihn auszuwirken.

Rz. 30

Im Hinblick auf diese möglichen gravierenden Auswirkungen war der beabsichtigte Verkauf von Waren dieser Marke für die Vermieterin von erheblicher Bedeutung.

Rz. 31

Sie durfte darüber auch redlicherweise eine Aufklärung erwarten. Denn sie konnte ohne einen Hinweis auf die Marke nicht erkennen, dass der Beklagte in den Mieträumen Waren verkaufen wollte, die nahezu ausschließlich rechtsradikalen Kreisen zugeordnet werden. Sie hatte auch keine Veranlassung, dies anzunehmen. Denn bei dem Verkauf solcher Waren handelt es sich um einen außergewöhnlichen Umstand, mit dem sie nicht rechnen musste. Darüber hinaus bestand für sie aufgrund der verharmlosenden Angaben des Beklagten zum Sortiment kein Anlass zu einer Nachfrage.

Rz. 32

Im Hinblick auf diese dem Beklagten bekannten Umstände musste es sich ihm aufdrängen, dass sich die Vermieterin insoweit über die Waren, die er zum Verkauf anbieten wollte, im Irrtum befand und dass der beabsichtigte Verkauf von Waren der Marke "Thor Steinar" für deren Entscheidung, den Mietvertrag abzuschließen, von erheblicher Bedeutung war.

Rz. 33

Der Beklagte war deshalb nach Treu und Glauben und den Grundsätzen eines redlichen Geschäftsverhaltens verpflichtet, die Vermieterin über den beabsichtigten Verkauf von nahezu ausschließlich Waren der Marke "Thor Steinar" zu informieren.

Rz. 34

c) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch die subjektiven Voraussetzungen für eine arglistige Täuschung durch unterlassene Aufklärung bejaht. Nach seinen Feststellungen wusste der Beklagte, dass die Marke "Thor Steinar" in der öffentlichen Meinung rechtsradikalen Kreisen zugeordnet wird und dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages zumindest in Fußballstadien von W. ein Verbot für das Tragen von "Thor Steinar" bestand. Ihm war deshalb bewusst, dass der Verkauf von Waren dieser Marke in dem von Friedensreich Hundertwasser gestalteten großen Geschäftshaus geeignet war, erhebliche wirtschaftliche Nachteile für die Vermieterin zu verursachen. Daraus ergibt sich, dass er zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass die Vermieterin den Mietvertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn sie vor Vertragsschluss Kenntnis von dem beabsichtigten Verkauf der Marke "Thor Steinar" gehabt hätte.

Rz. 35

d) Das Berufungsgericht hat weiter rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Verletzung der Aufklärungspflicht für den Entschluss der Vermieterin, den Mietvertrag abzuschließen, ursächlich war. Wie oben ausgeführt, handelte es sich bei dem beabsichtigten Verkauf von Waren der Marke "Thor Steinar" um einen Umstand, der angesichts der drohenden wirtschaftlichen Auswirkungen für die Vermieterin von erheblicher Bedeutung war. Diese Annahme wird zusätzlich gestützt durch das Verhalten der Vermieterin nach Kenntniserlangung von diesem Umstand. Sie hat nämlich noch am Tag der Eröffnung des Ladens durch den Beklagten am 27.7.2007 versucht, sich von dem Mietvertrag zu lösen.

Rz. 36

2. Entgegen der Ansicht der Revision ist die Anfechtung des Mietvertrages auch nicht gem. § 144 BGB durch eine Vertragsbestätigung der Vermieterin ausgeschlossen.

Rz. 37

Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, dass eine hier allein in Betracht kommende konkludente Bestätigung des anfechtbaren Vertrages nur vorliegt, wenn das Verhalten des Anfechtungsberechtigten eindeutig Ausdruck eines Bestätigungswillens ist und jede andere, den Umständen nach einigermaßen verständliche Deutung ausscheidet (BGH, Urt. v. 1.4.1992 - XII ZR 20/91, NJW-RR 1992, 779 [780]; BGH, Urt. v. 2.2.1990 - V ZR 266/88, BGHZ 110, 220 [222]). Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ebenso wie das LG die Zeugenaussagen dahin gewürdigt, dass weder aus der schriftlichen Erklärung des Beklagten vom 27.7.2007, noch aus den mündlichen Besprechungen an diesem Tag, noch aus der Überreichung eines Hundertwasserbildes anlässlich der Geschäftseröffnung auf eine Bestätigung des Mietvertrages durch die Vermieterin geschlossen werden kann. Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts ist umfassend und in sich widerspruchsfrei. Sie verstößt auch nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze.

Rz. 38

3. Die Anfechtung ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Mietvertrag zum Zeitpunkt der Anfechtung bereits in Vollzug gesetzt war. Eine auf Abschluss eines Mietvertrages gerichtete Willenserklärung kann auch nach Überlassung der Mietsache wegen arglistiger Täuschung angefochten werden (BGH, Urt. v. 6.8.2008 - XII ZR 67/06, BGHZ 178, 16 Rz. 34 f.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2422688

NJW 2010, 3362

EBE/BGH 2010

NZM 2010, 786

ZAP 2010, 1154

ZfIR 2011, 57

JA 2011, 866

MDR 2010, 1306

GuT 2010, 338

NJW-Spezial 2010, 739

BBB 2011, 53

GreifRecht 2011, 5

IGZInfo 2011, 30

IGZInfo 2011, 59

LL 2011, 11

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