Leitsatz (amtlich)

Der Hersteller einer Geschwindigkeitsmessanlage ist hinsichtlich der bei einer Geschwindigkeitsmessung entstandenen Daten nicht Berechtigter i.S.d. § 202a StGB.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 05.12.2013; Aktenzeichen 5 O 110/13)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 5.12.2013 verkündete Urteil des LG Halle/Saale wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 Prozent des aus dem jeweiligen Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um das Auslesen verschlüsselter Rohdaten aus einer Geschwindigkeitsmessanlage.

Die Beklagte zu 1 bietet die Erstellung von forensischen Gutachten zu Geschwindigkeitsmessungen an. Geschäftsführer der Beklagten zu 1 war ursprünglich der Beklagte zu 2. Seit dem 12.8.2013 ist der Beklagte zu 3 Geschäftsführer. Zuvor war der Beklagte zu 3 bis 31.7.2013 bei der A. GmbH in der Niederlassung H. als Sachverständiger und Fachabteilungsleiter Unfallanalytik tätig.

Die Klägerin stellt die Geschwindigkeitsmessanlage ES3.0 her. Das Messprinzip beruht auf einer Weg-Zeit-Messung. Die Geschwindigkeit ergibt sich dabei aus der Messbasis und der Zeit, in der das zu messende Fahrzeug die Messbasis durchfährt. Bei der Durchfahrt wird in den fünf Sensoren der Messbasis ein Helligkeitsprofil des Fahrzeugs erfasst, digitalisiert und gespeichert. Mit Hilfe einer in der Messanlage installierten Software wird aus diesen aufgenommenen Messrohdaten die Geschwindigkeit bestimmt. Die Rohdaten werden in einer Messdatendatei gespeichert, ob verschlüsselt oder "nur" codiert ist streitig.

Die Klägerin bietet die Software eso Digitales II Viewer zum Kauf an, mit der das erzeugte Bild und die gemessene Geschwindigkeit ausgelesen werden können, nicht aber die Rohdaten. Darüber hinaus bietet die Klägerin gegen Entgelt an, bei ihr eine Rohdatenanalyse durchführen zu lassen, in deren Rahmen die Daten zu den erzeugten Helligkeitsprofilen ausgelesen werden.

Der Beklagte zu 3 nahm in der Vergangenheit im Rahmen von Geschwindigkeitsgutachten, die er als Mitarbeiter der A. erstellte, Zugriff auf Messdateien und wertete die Rohdaten selbst aus. Der Beklagte zu 2 wies in einem Gutachten zur Verkehrsmesstechnik ESO ES 3.0 am 3.4.2013 einen privaten Auftraggeber darauf hin, dass eine herstellerunabhängige Auswertung der Messrohdaten nur in direktem Gerichtsauftrag erfolgen könne.

Die Klägerin fühlt sich dadurch in ihren Rechten verletzt und hat die Ansicht vertreten, dass allein sie berechtigt sei, über die gesicherten Messrohdaten zu verfügen. Indem die Beklagten die Daten unter Überwindung der Verschlüsselung dennoch auslesen und auswerten bzw. eine solche Vorgangsweise anbieten würden, begründe dies einen (vorbeugenden) Unterlassungsanspruch gem. § 1004 Abs. 2 BGB analog i. m. V. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 202a, 202c StGB.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 3.1.2013 und 26.2.2013 wies die Klägerin die Beklagten zu 2 und 3 auf diese Rechtsansicht hin und forderte sie jeweils auf, eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben. Dieser Aufforderung kamen die Beklagten nicht nach.

Die Klägerin hat daher erstinstanzlich beantragt, die Beklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR jeweils zu verurteilen, es zu unterlassen, Rohdaten aus Geschwindigkeitsmessanlagen des Typs eso ES3.0, die mit dem eso Digitales II Viewer nicht ausgelesen werden, auszulesen, wirtschaftlich zu verwerten, sich zu verschaffen oder zu verbreiten bzw. dafür benötigte Software herzustellen oder solche sich oder anderen zugänglich zu machen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, dass die Beklagten zu 1 und 2 zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf Messrohdaten genommen hätten. Mit Gutachten vom 2.4.2013 habe der Beklagte zu 2 lediglich darauf hingewiesen, dass ihm eine solche Auswertung untersagt sei, ohne jedoch zu erklären, ob er dazu überhaupt in der Lage sei. Soweit der Beklagte zu 3 entsprechende Messrohdaten ausgewertet habe, fehle es für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 202a StGB bereits an einer besonderen Sicherung der Daten. Entgegen der Behauptung der Klägerin seien diese nicht verschlüsselt, sondern lediglich codiert, weshalb bereits mit Standardprogrammen, wie Microsoft Word, darauf zugegriffen werden könne. Darüber hinaus habe der Beklagte zu 3 auch nicht unbefugt gehandelt. Er habe im gerichtlichen Auftrag Rohdaten ausgelesen, welche ausschließlich von den Nutzern des Messgerätes, den jeweiligen Messbeamten, gewonnen worden seien. Keinesfalls handele es sich dabei um Daten der Klägerin.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens wird au...

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