Leitsatz (amtlich)

1. Obliegt mehreren Mietern eines Mehrfamilienhauses die gemeinschaftliche Pflicht zur Durchführung des Winterdienstes und erleidet einer der Mieter auf dem bei Eisglätte nicht gestreuten bzw. sonst abgestumpften Privatweg auf dem Grundstück einen Unfall, so kommt eine Schadenersatzanspruch unter den Mitverpflichteten nicht in Betracht. Etwas anderes gilt dann, wenn die Gemeinschaft eine klare Aufgabenteilung, z.B. durch Aufstellung eines Winterdienstplans, aufgestellt hat.

2. Die Verkehrssicherheit eines Fußweges ist ab dem Zeitpunkt sicherzustellen, ab dem seine gewöhnliche Benutzung einsetzt (hier: ab 7:00 Uhr). Sie kann unter besonderen Umständen zeitlich früher einsetzen; insoweit ist dem Verpflichteten jedoch eine angemessene Reaktionsfrist auf unerwartete Ereignisse zuzubilligen.

3. Zum (überwiegenden) Mitverschulden eines Mieters, der in Kenntnis der Nichtdurchführung des Winterdienstes einen eisglatten Privatweg ohne vorherige Prüfung der Begehbarkeit und ohne Vorkehrungen gegen eine Rutschgefahr nutzt.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 05.06.2013; Aktenzeichen 4 O 1407/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 5.6.2013 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Halle wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil des Senats und das o.a. Urteil des LG sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen i.S.v. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

B. Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Das LG hat im Ergebnis zu Recht darauf erkannt, dass der Kläger gegen die Beklagte aus keinem Rechtsgrund einen Anspruch auf Schadenersatz hat, d.h. weder aus deliktischer Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB (fahrlässige Körperverletzung) noch aus vertraglicher Haftung aus einem Vertrag der Beklagten mit anderen Mietern des Hauses J. Straße 10 mit Schutzwirkung zugunsten des Klägers. Selbst wenn eine fahrlässige Verletzung von Streupflichten durch die Beklagte zum Unfallzeitpunkt unterstellt wird, scheitert der Anspruch an einem überwiegenden, die allenfalls leichte Fahrlässigkeit der Pflichtverletzung der Beklagten verdrängenden Mitverschulden des Klägers.

I. Es kann offen bleiben, ob die Beklagte im Hinblick auf einen deliktischen Anspruch des Klägers passiv legitimiert ist; hieran könnten Zweifel bestehen.

1. Originärer Anspruchsgegner eines deliktischen Anspruchs wäre nicht die Beklagte. Der streitgegenständliche Sturz des Klägers am Morgen des 3.2.2011 ereignete sich - entgegen anfänglich missverständlichen Vorbringens des Klägers - unstreitig nicht auf einer öffentlichen Straße bzw. einem öffentlichen Weg, sondern auf dem Privatgelände des Mehrfamilienhauses J. Straße 10, dort auf dem (flach gestuften) Weg zwischen Hauseingangstür und Grundstücksgrenze. Die Verkehrssicherungspflicht für die von allen Mietern und Besuchern der Mieter genutzte "Verkehrs"einrichtung, den vorgenannten Weg, obliegt grundsätzlich dem Hauseigentümer bzw. Vermieter aus den Mietverträgen. Da hier ebenfalls unstreitig geblieben ist, dass der Vermieter die Räum- und Streupflichten des Winterdienstes in den Mietverträgen auf die Mietparteien als Gemeinschaft übertragen und selbst keine Regelungen zur Aufteilung der Pflichten getroffen hat, wäre der Winterdienst ohne weitere Vereinbarungen von der Gemeinschaft der Mietparteien i.S.v. §§ 741 ff. BGB zu gewährleisten gewesen. Obliegt aber mehreren Mietern eines Mehrfamilienhauses neben dem gemeinschaftlichen Nutzungsrecht auch die gemeinschaftliche Pflicht zur Durchführung des Winterdienstes und erleidet einer der Mieter auf dem nicht gestreuten bzw. sonst abgestumpften Privatweg auf dem Grundstück einen Unfall, so kommt ein Schadenersatzanspruch unter den Mitverpflichteten nicht in Betracht. Der Kläger wäre dann als geschädigter Mitverpflichteter aufgrund der ihm selbst (mit)obliegenden Sicherungspflicht nicht in den Schutzbereich der (daneben auch) den anderen Mietern obliegenden Verkehrssicherungspflicht einbezogen (vgl. BGH, Urt. v. 27.11.1984 - VI ZR 49/83, VersR 1985, 243 für eine Wohnungseigentümergemeinschaft; OLG Hamm, Urt. v. 19.9.2001 - 13 U 52/01, VersR 2002, 1299 für eine Anliegergemeinschaft einer privaten Straße).

2. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Gemeinschaft der Mieter eine klare Aufgabenteilung vorgenommen hätte. Das hat in erster Instanz keine der Prozessparteien vorgetragen. Soweit das LG aus den Angaben der Zeugin Z. auf eine entsprechende Aufteilung geschlossen und der Kläger einen entsprechenden Sachvortrag unter weiterem Beweisantritt mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 17.2.2014 gehalten hat, kommt es auf eine weitere Sachaufklärung für die hier zu treffende Entscheidung nicht an.

II. Selbs...

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