Leitsatz (amtlich)

Vorliegende Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse stellen eine typische Einwendung dar, die gegen den vollstreckenden Altgläubiger im Wege der Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden kann. Haben mehrere Gläubiger dieselbe Forderung gepfändet, so ist die Überweisung zur Einziehung zwar an jeden zulässig. Der Drittschuldner sollte aber zweckmäßigerweise an den vorrangigen Pfändungsgläubiger leisten und einer eventuellen Leistungsklage des nachrangigen Gläubigers mit der Einrede der vorrangigen Pfändung begegnen. Trotz der erfolgreichen Vollstreckungsabwehrklage besteht, solange die Schuld nicht erloschen ist, allerdings kein Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels.

 

Verfahrensgang

LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 01.04.2011; Aktenzeichen 4 O 418/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 1.4.2011 verkündete Urteil des LG Dessau-Roßlau teilweise abgeändert.

Die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten aus dem Urteil des LG Dessau-Roßlau vom 28.11.2008 - 4 O 805/07, wird für unzulässig erklärt.

Die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 27.5.2009 und 3.8.2009 - 4 O 805/07, wird für unzulässig erklärt.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin 1/3 und der Beklagte 2/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Beschwer der Parteien übersteigt jeweils 20.000 EUR nicht.

und beschlossen:

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.659,25 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Von der Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Die Berufung ist insofern begründet, als die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten unzulässig ist. Einen Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigungen der streitgegenständlichen Titel hat die Klägerin jedoch nicht.

1. Die Abtretungen an die Beklagtenvertreter und Frau M. als solche stehen der Zwangsvollstreckung durch den Beklagten allerdings in der Tat nicht entgegen, weil er auf Grund der ausdrücklich erteilten Einziehungsermächtigung berechtigt bleibt, die Leistung an sich zu verlangen. Der Titelgläubiger behält trotz Abtretung die Legitimation, den Anspruch im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzen, wenn er aufgrund einer Einziehungsermächtigung materiell weiterhin befugt bleibt, Leistung an sich zu verlangen. Von einer solchen Sachlage ist bei einer sog. stillen Sicherungsabtretung grundsätzlich auszugehen, wenn keine Tatsachen vorgetragen sind, die im Einzelfall auf eine von der Regel abweichende Abrede hindeuten (vgl. BGHZ 120, 387 [395]; NJW 1980, 2527 [2528]; WM 1982, 1313, insbesondere BGH, NJW 2001, 231 ff.). Im vorliegenden Fall wurde die Einziehungsermächtigung zunächst sogar ausdrücklich erteilt.

2. Der Vollstreckung durch den Beklagten im eigenen Namen stehen aber ohne weiteres die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse entgegen, die von verschiedenen anderen Gläubigern inzwischen erwirkt wurden.

a) Wie das LG noch mit Beschluss vom 14.10.2009 im Ergebnis zu Recht angenommen hatte, ist die vom Beklagten betriebene Zwangsvollstreckung unzulässig, weil er nicht mehr Gläubiger der titulierten Forderungen ist. Die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung ergibt sich aber entgegen der damaligen Einschätzung des LG nicht aus den streitigen Abtretungen, sondern aus den zugunsten anderer Gläubiger bestehenden Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen.

Ausgelöst durch Ausführungen des damaligen Einzelrichters im Senatsbeschluss 1 W 45/09 vom 30.12.2009 hat das LG sich fortan mit der Frage beschäftigt, ob die Abtretungsempfänger der titulierten Forderung, also die Beklagtenvertreter und die Zeugin M., im Wege wirksamer Abtretung als neue Gläubiger an die Stelle des Beklagten als ursprünglichen Gläubiger getreten sind. Weil das LG diesen Gläubigerwechsel bejaht hat, vertrat es die Auffassung, dass die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zugunsten des Finanzamtes und des Gläubigers K., auf welche die Klägerin sich zur Begründung ihrer Zwangsvollstreckungsabwehrklage beruft, "ins Leere" gingen. Diesen Schluss hält der Senat jedoch im vorliegenden Vollstreckungsabwehrverfahren nicht für zulässig und die Frage nach der Wirksamkeit der Abtretungen im Ergebnis für irrelevant. Im Verfahren nach § 767 ZPO kommt es nicht darauf an, welcher von mehreren möglichen neuen Gläubigern tatsächlich Forderungsinhaber ist, solange feststeht, dass der titulierte Anspruch jedenfalls dem Altgläubiger nicht mehr zusteht, dieser aber gleichwohl die Vollstreckung im eigenen Namen weiter betreibt.

aa) Denn schon die hier vorliegenden förmlichen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse stellen eine typische Einwendung dar, die gegen den vollstreckenden Altgläubiger im Wege der Vollstreckungsabwehrklage geltend gemacht werden kann (vgl. Zöller/Herget, 28. Aufl. 2010, § 767 Rz. 12, Stichpunkte "Pfändun...

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