Leitsatz (amtlich)

Bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen eines Unterlassungsanspruchs gem. § 97 UrhG ist bei der Prüfung des Verfügungsgrundes zunächst darauf abzustellen, dass in der Zeit zwischen dem Erlass einer einstweiligen Verfügung und einer möglichen Hauptsacheentscheidung erneute Rechtsverstöße drohen, die als solche durch die Hauptsacheentscheidung nicht rückgängig gemacht werden können.

Maßgeblich für das Bestehen eines Verfügungsgrundes ist allerdings auch, inwieweit der in Anspruch Genommene dadurch, dass ihm im einstweiligen Verfügungsverfahren Beweismittel nur nach Maßgabe des § 294 ZPO zur Verfügung stehen und dass er die Aussicht auf einen nur zweistufigen Instanzenzug hat, Nachteile bei der Rechtsverteidigung erleidet.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 28.12.2011; Aktenzeichen 2 O 1696/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das am 28.12.2011 verkündete Urteil des LG Halle abgeändert.

Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft (Ordnungsgeld im Einzelfall bis zu EUR 250.000,00, Ordnungshaft bis zu sechs Monate, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahre), verboten, die von der Verfügungsklägerin als Lizenznehmerin genutzten Lichtbildwerke

(Abbildungen wurden aus Anonymisierungsgründen entfernt)

(Abbildungen wurden aus Anonymisierungsgründen entfernt)

ohne Zustimmung der Verfügungsklägerin zu vervielfältigen oder öffentlich zugänglich zu machen und/oder diese Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen, wie es insbesondere auf der Homepage www ... de sowie der Internetplattform eBay unter dem Verkäufernamen "... -de" und den Artikel-Nrn. ... und ... erfolgte.

Die Kosten des Verfahrens werden der Verfügungsbeklagten auferlegt.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II. Die Berufung ist zulässig, sie hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des LG sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gem. §§ 935, 940 ZPO gegeben.

1. Insbesondere liegt ein Verfügungsgrund vor. Das Begehren der Verfügungsklägerin ist in einem Ausmaß eilbedürftig, das den Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtfertigt und erfordert.

a) Zunächst ist dem LG dahingehend zuzustimmen, dass eine gesetzliche Vermutung der Eilbedürftigkeit analog § 12 Abs. 2 UWG für den Anwendungsbereich des Urheberrechtsgesetzes nicht besteht. Insoweit hält der erkennende Senat an der bereits in dem vom LG zitierten Beschluss vom 3.3.2011 zum Az. 9 W 25/11 vertretenen Auffassung fest. Maßgeblich für das Vorliegen eines Verfügungsgrundes ist, ob nach den allgemeinen, für die Anwendung der §§ 935, 940 ZPO geltenden Regeln die tatsächlichen Voraussetzungen einer besonderen Eilbedürftigkeit, also des Bedürfnisses nach einer Entscheidung vor dem möglichen Ergehen einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren, glaubhaft gemacht sind.

b) In dem Beschluss vom 3.3.2011 (9 W 25/11) hat der Senat dem Umstand, dass der Verfügungskläger das Verfahren nachdrücklich betrieben hat, ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Dem tritt das LG entgegen im Wesentlichen mit der Begründung, es sei bislang allgemein anerkannt, dass das beschleunigte Betreiben eines Anspruches selbst keine Eilbedürftigkeit begründe, sondern nur umgekehrt ein nicht beschleunigtes Betreiben eines Anspruchs eine aus anderem Grund entstandene Eilbedürftigkeit wieder entfallen lassen oder andere Indizien für eine Eilbedürftigkeit widerlegen könne. Dem vermag der erkennende Senat zumindest nicht in vollem Umfang zu folgen. Daraus, dass das nicht beschleunigte Betreiben eines Anspruchs einem Verfügungsgrund entgegensteht oder jedenfalls entgegenstehen kann, folgt im Umkehrschluss, dass das beschleunigte Betreiben des Anspruchs Voraussetzung einer einen Verfügungsgrund darstellenden Eilbedürftigkeit ist oder wenigstens sein kann. Zumindest spricht das beschleunigte Betreiben eines Anspruchs dafür, dass der Anspruchsteller sein Begehren subjektiv für eilig hält; dies wiederum ist ein Indiz für die Eilbedürftigkeit.

Im vorliegenden Fall ist diese Voraussetzung erfüllt. Unstreitig ist zwischen Kenntniserlangung und Einleitung des Verfügungsverfahrens weniger als ein Monat verstrichen. Die von der Verfügungsklägerin im Berufungsverfahren praktizierte Beschleunigung ist kaum zu überbieten; bereits einen Tag nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils ist die Berufung mit Berufungsbegründung beim OLG eingegangen.

Allerdings rechtfertigt das beschleunigte Betreiben eines Anspruchs allein und ohne Hinzutreten weiterer für die Eilbedürftigkeit sprechender Umstände die Geltendmachung eines Anspruchs im einstweiligen Verfügungsverfahren noch nicht. Dem LG ist zuzugeben, dass dies im Senatsbeschluss vom 3.3.2011 (9 W 25/11) deutlicher hätte zum Ausdruck gebracht werden können. Beispie...

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