Leitsatz (amtlich)

Eine Dringlichkeitsvermutung besteht für Unterlassungsansprüche nach § 6 GeschGehG zwar nicht, die Vorschrift des § 12 Abs. 1 UWG ist nicht analog anwendbar. Bei Ansprüchen aufgrund der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen ergibt sich der nach §§ 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund jedoch regelmäßig aus der Sache selbst.

 

Normenkette

GeschGehG § 6; ZPO §§ 935, 940

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 3 HK O 7178/22)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21.03.2023, Az. 3 HK O 7178/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im Verfügungsverfahren um Unterlassungsansprüche auf Grund der behaupteten Verletzung von Geschäftsgeheimnissen.

Mit Endurteil vom 21.03.2023 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Verfügungsklägerin mit ihrer Berufung. Mit Schriftsatz vom 15.05.2023 hat sie beantragt, die Frist für die am 22.05.2023 endende Berufungsbegründung um einen Monat, d.h. bis zum 22.06.2023 zu verlängern. Zur Begründung des Verlängerungsantrags hat sie ausgeführt:

Auf Grund von zahlreichen auswärtigen Terminen des Unterfertigten und alleinigen Sachbearbeiters der Angelegenheit hat sich eine Arbeitsüberlastung des Unterzeichners ergeben. Daher konnte eine Besprechung mit der Mandantschaft, die für die Fertigung einer sachgerechte Berufungsbegründung notwendig ist, innerhalb der Frist bisher noch nicht stattfinden.

Mit Schriftsatz vom 22.06.2023 hat die Verfügungsklägerin die Berufung begründet.

II. Die Berufung hat nach derzeitiger Aktenlage keine Aussicht auf Erfolg. Die Zurückweisung des Verfügungsantrags durch das Landgericht ist jedenfalls deswegen zu Recht erfolgt, weil zumindest nunmehr der für den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund nicht mehr gegeben ist.

1. Eine Dringlichkeitsvermutung besteht für Unterlassungsansprüche nach § 6 GeschGehG zwar nicht, die Vorschrift des § 12 Abs. 1 UWG ist nicht analog anwendbar. Bei Ansprüchen aufgrund der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen ergibt sich der nach §§ 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund jedoch regelmäßig aus der Sache selbst.

a) Der Senat schließt sich der Rechtsmeinung an, die eine analoge Anwendung der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG auf Unterlassungsansprüche nach § 6 GeschGehG mangels planwidriger Regelungslücke ablehnt (vgl. MüKoUWG/Krbetschek, 3. Aufl. 2022, GeschGehG § 6 Rn. 40; OLG München, GRUR-RR 2019, 443 Rn. 14 - Medizinisches Fachpersonal). Denn der Gesetzgeber dehnte die Dringlichkeitsvermutung anlässlich der Übernahme der §§ 17-19 UWG a.F. in das am 26.4.2019 in Kraft getretene GeschGehG in Kenntnis dieser Spezialregel nicht auf dieses Gesetz aus. Vielmehr führte er aus, dass es - soweit keine speziellen Bestimmungen für die Geltendmachung der dort vorgesehenen Ansprüche im einstweiligen Rechtsschutz getroffen wurden - bei den allgemeinen verfahrensrechtlichen Bestimmungen verbleibe (Begründung zum RegE vom 04.10.2018, BT-Drs. 19/4724, S. 34). Daraus ergibt sich, dass er im GeschGehG bewusst von spezifischen Regelungen zum Verfügungsverfahren absah, während er mit Wirkung zum 14.01.2019 - also im engen zeitlichen Zusammenhang zum hiesigen Gesetzgebungsverfahren - eine Dringlichkeitsvermutung in Kennzeichensachen einführte (§ 140 Abs. 3 MarkenG).

b) Darauf kommt es jedoch im Ergebnis nicht an. Denn bei Ansprüchen aufgrund der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen ergibt sich die Dringlichkeit regelmäßig aus der Natur der Sache.

Ein Verfügungsgrund gemäß §§ 935, 940 ZPO besteht in der objektiv begründeten Besorgnis, durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes werde die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert, so dass er aufgrund einer besonderen Dringlichkeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache einer einstweiligen Sicherung seines Anspruchs bedarf. Notwendig ist eine einzelfallorientierte Interessenabwägung. Dabei ist eine Folgenabschätzung vorzunehmen: Das Interesse des Verfügungsklägers muss die Nachteile eines Zuwartens bis zur Hauptsacheentscheidung so überwiegen, dass der Eingriff in die Sphäre des Verfügungsbeklagten auf Grund eines bloß summarischen Verfahrens gerechtfertigt ist (OLG Nürnberg, GRUR-RR 2019, 64 Rn. 13 - CurryWoschdHaus).

Bei einer Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses ergibt die Abwägung der sich gegenüberstehenden Parteiinteressen, dass regelmäßig der nach §§ 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund zu bejahen ist. Denn ein Geschä...

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