Leitsatz (amtlich)

Tritt ein Rechtsanwalt in die Kanzlei eines bisherigen Einzelanwaltes ein und bilden beide sodann eine Sozietät, so haftet er für den Mietzins als sog. Altverbindlichkeit ggü. dem Vermieter auch dann gem. § 28 HGB in analoger Anwendung, wenn er nicht zugleich in den bestehenden Mietvertrag als weitere Mietvertragspartei eintritt (Abgrenzung zu BGH v. 22.1.2004 - IX ZR 65/01, BGHReport 2004, 591 m. Anm. Schmidt = MDR 2004, 570 = ZIP 2004, 458).

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 04.07.2005; Aktenzeichen 4 O 4/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Kläger wird das am 4.7.2005 verkündete Schlussurteil des LG Halle (4 O 4/05) unter Zurückweisung der weiter gehenden Rechtsmittel abgeändert:

Die Beklagten zu 1) und zu 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 8.697,05 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.144,68 EUR seit dem 4.8.2004, 3.9.2004, 5.10.2004, 4.11.2004, 3.12.2005 und 5.1.2005, sowie auf einen weiteren Betrag von 684,29 EUR seit dem 13.5.2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Hinsichtlich der Kosten der ersten Instanz verbleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO abgesehen.

II. Berufung und Anschlussberufung sind zulässig. In der Sache hat lediglich die Anschlussberufung des Klägers i.E. überwiegend Erfolg:

Die Beklagten zu 1) und zu 3) haften neben dem Beklagten zu 2) als Gesamtschuldner für den vertraglich geschuldeten Mietzins für die Zeit von Juli 2004 bis einschließlich Januar 2005. Sie schulden weiter die abgerechneten Nebenkosten für die Jahre 2004 und 2005.

Dabei kann i.E. dahinstehen, ob die Beklagten zu 1) und zu 3) Mietvertragsparteien geworden sind. Grundsätzlich führt der Eintritt eines Gesellschafters in den Betrieb eines Einzelkaufmanns nicht dazu, dass die neu gegründete Gesellschaft kraft Gesetzes Vertragspartei eines von jenem abgeschlossenen Mietvertrages wird. Zu einem solchen Vertragsübergang ist vielmehr die Mitwirkung des Vermieters erforderlich (BGH v. 25.4.2001 - XII ZR 43/99, MDR 2001, 862 = BGHReport 2001, 538 = ZIP 2001, 1007 [1008]). Dies besagt indes nichts darüber, ob die neu entstandene Gesellschaft und bei persönlicher Haftung (wie bei der BGB-Gesellschaft) auch der neu eintretende Gesellschafter nicht jedenfalls für bestehende Verbindlichkeiten (sog. Altschulden) haften. In Betracht kommt insoweit eine Haftung in entsprechender Anwendung von § 28 Abs. 1 HGB. Ob eine entsprechende Anwendung von § 28 HGB anzunehmen ist, ist höchstricherlich nicht geklärt. Der XII. Senat des BGH hat dies (BGH v. 25.4.2001 - XII ZR 43/99, MDR 2001, 862 = BGHReport 2001, 538 = ZIP 2001, 1007 [1008]) offen gelassen, weil es sich im konkreten Fall nicht um einen Mietzinsanspruch, sondern um eine Nutzungsentschädigung handelte. Bei einem solchen Anspruch handele es sich nicht um eine Altschuld i.S.v. § 28 HGB. Demgegenüber gehört die Verpflichtung zur Zahlung des vertraglich vereinbarten Mietzinses zu den Altverbindlichkeiten (Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl., Rz. 1379). Der IX. Senat des BGH (BGH v. 22.1.2004 - IX ZR 65/01, BGHReport 2004, 591 m. Anm. Schmidt = MDR 2004, 570 = ZIP 2004, 458) hat die Haftung des neuen Sozius für Altverbindlichkeiten des bisherigen Einzelanwaltes für den Fall abgelehnt, dass diese Verbindlichkeit aus einem Mandatsvertrag des bisherigen Einzelanwalts stammt und dies im wesentlichen damit begründet, dass das Mandat mit einem Einzelanwalt in besonderer Weise von der persönlichen Dienstleistung durch diesen geprägt sei. Von einer vergleichbaren Situation kann indes in Bezug auf das Mietverhältnis über die Räumlichkeiten, in denen die Kanzlei ihre Tätigkeit erbringt, keine Rede sein. Der Abschluss des Mietvertrages hat mit den Besonderheiten, die mit der Erbringung von Dienstleistungen durch die Angehörigen der sog. freien Berufe (im Verhältnis zu gewerblicher Tätigkeit) im Zusammenhang stehen können (insb. dem i.d.R. erforderlichen besonderen Vertrauensverhältnis), nicht das Geringste zu tun. Es ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich, unter Berücksichtigung der Gläubigerinteressen des Vermieters danach zu differenzieren, ob sich zwei Angehörige eines freien Berufes oder zwei (nach herkömmlichem Begriffsverständnis) Gewerbetreibende zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenschließen. Mit einer in der Literatur seit langem vertretenen Ansicht (z.B. K. Schmidt, NJW 2003, 1897 [1903], m.w.N.) kommt eine analoge Anwendung des § 28 HGB daher jedenfalls dann auch auf Rechtsverhältnisse einer BGB-Gesellschaft von Angehörigen eines freien Berufes in Betracht, wenn diese die Besonderheiten dieser Art der Berufsausübung nicht betreffen. Der Anwendung des § 28 HGB steht auch nicht der G...

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