Leitsatz (amtlich)

Die Freigabe der Kreuzungseinfahrt durch grünes Ampellicht entbindet den Fahrer nicht von der Pflicht, die Einfahrt in die Kreuzung zurückzustellen, wenn dies die Verkehrslage erfordert, insb. wenn in früherer Ampelphase eingefahrene Nachzügler sich noch im Kreuzungsbereich befinden, denen zunächst im Interesse des fließenden Verkehrs die Räumung der Kreuzung zu ermöglichen ist; dies gilt auch für den nach links abiegenden Querverkehr, der in früherer Ampelphase eingefahren war (KG VM 1983, 84).

Hat der in die Kreuzung Einfahrende das Anfahren des Kreuzungsräumers tatsächlich erkannt und fährt er dennoch unter Berufung auf das grüne Ampellicht selbst an, so trifft ihn im Falle der Kollision – abweichend von der Regelquote von 2/3 zu seinen Lasten – die volle Haftung.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 21.12.2001; Aktenzeichen 24 O 118/00)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 21.12.2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin – 24 O 118/00 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die gem. §§ 511, 511a ZPO statthafte Berufung wahrt die gesetzlichen Formen und Fristen der §§ 516, 518 und 519 ZPO. Sie ist zulässig, hat aber in der Sache aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung keinen Erfolg.

Das LG hat die Klage zu Recht in vollem Umfang abgewiesen.

Die Freigabe der Kreuzungseinfahrt durch grünes Ampellicht entbindet den Fahrer nicht von der Pflicht, die Einfahrt in die Kreuzung zurückzustellen, wenn dies die Verkehrslage erfordert; wenn insb. liegen gebliebene Nachzügler sich noch im Kreuzungsbereich befinden, denen zunächst im Interesse des fließenden Verkehrs die Räumung der Kreuzung zu ermöglichen ist. Dies gilt auch bezüglich des linksabbiegenden Querverkehrs (KG VerkMitt 1983, 84).

Kommt es auf einer Kreuzung, auf welcher der Fahrzeugverkehr durch eine Lichtzeichensignalanlage geregelt ist, zu einem Zusammenstoß zwischen einem Fahrzeug, das bei dem Umschalten der Ampel auf „Grün” anfährt, und einem Fahrzeug des Querverkehrs, das die Kreuzung noch räumen will, weil die Führer beider Fahrzeuge nicht auf den jeweiligen Querverkehr achten, dann kommt im Allgemeinen eine Verteilung des Schadens im Verhältnis von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Anfahrenden im Hinblick auf das Vorrecht des räumenden Verkehrs in Betracht, falls nicht besondere Umstände einen höheren Verursachungsanteil des einen oder anderen Beteiligten rechtfertigen (KG DAR 1978, 48).

Den in die Kreuzung einfahrenden Querverkehr kann die volle Haftung treffen, wenn er den Kreuzungsräumer rechtzeitig erkennen konnte oder aus dem Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer mit Kreuzungsräumern rechnen musste (KG VerkMitt 1993, Nr. 27).

In Anwendung dieser Grundsätze geht das LG im Rahmen der gem. § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung zu Recht davon aus, dass der Kläger den streitgegenständlichen Unfall allein selbst verschuldet hat.

Wenn eine volle Haftung des in die Kreuzung Einfahrenden bereits dann in Betracht kommt, wenn er den Kreuzungsräumer rechtzeitig hätte erkennen können bzw. er aus dem Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer mit Kreuzungsräumern hätte rechnen müssen, dann ist von seiner vollen Haftung jedenfalls dann auszugehen, wenn er – wie vorliegend der Kläger – den Kreuzungsräumer tatsächlich wahrgenommen hat, bevor er in die Kreuzung eingefahren ist.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger das auf der Kreuzung stehende, von der Beklagten zu 2) geführte Fahrzeug bemerkt hat, bevor er in die Kreuzung einfuhr. Die vom LG vorgenommene Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden.

Tatsachen, aus denen sich ergeben könnte, dass der Kläger die von dem Zeugen B. sinngemäß aufgenommene Äußerung – „Die Autofahrerin stand mitten auf der Kreuzung und wollte nach links abbiegen. Als ich dann Grün bekam, fuhr ich los und das Auto ebenfalls, aber ich hatte ja Grün” – nicht abgegeben hat, hat der Kläger auch in zweiter Instanz nicht vorgetragen. Weder aus der unrichtigen Schätzung des Schadens noch aus dem Nichterkennen der Verletzungen des Klägers durch die den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten ergibt sich, dass der Zeuge B. am Unfallort in der Wiedergabe der Anhörung des Klägers eine Äußerung niedergeschrieben hat, die dieser so nicht abgegeben hat.

Der Kläger hat auch in zweiter Instanz keine Tatsachen vorgetragen, aus denen darauf geschlossen werden könnte, dass er zu keinem klaren Gedanken mehr fähig war und die ihm zuzurechnende Äußerung nicht bewusst abgegeben habe. Wie das LG zutreffend ausführt, ergibt sich das Gegenteil bereits aus dem Verhalten des Klägers nach dem Unfall.

Dahinstehen kann, ob sich das von der Beklagten zu 2) geführte Fahrzeug im Zeitpunkt des Aufpralls noch in Bewegung befand oder nicht. Sowohl nach der vom Kläger ggü. dem Zeugen B. abgegebenen Erklärung als auch nach der von den Beklagten vorgetragenen Unfallschilderung stand die Beklagte zu 2) mit dem von ihr geführten Fahrzeug zunächst auf ...

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