Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindesunterhalt: Verurteilung zur Leistung in voller Höhe trotz vorausgegangener Titulierung von Teilbeträgen zugunsten der Unterhaltsvorschusskasse

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verurteilung zur Leistung kann auch dann in voller Höhe erfolgen, wenn der Unterhaltspflichtige durch Urteil verpflichtet wurde, an die Unterhaltsvorschusskasse Zahlungen zu erbringen. Im Tenor ist darzustellen, dass diese Leistungen auf den vollen Unterhalt anzurechnen sind.

 

Normenkette

BGB §§ 1601, 1603, 1610, 1612a

 

Verfahrensgang

AG Stendal (Urteil vom 08.08.2008; Aktenzeichen 5 F 377/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 8.8.2008 verkündete Urteil des AG - Familiengerichts - Stendal (Geschäftszeichen 5 F 377/07) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgenden Unterhalt zu zahlen

a) für die Zeit vom 1.5.2007 bis 28.2.2009 Unterhaltsrückstand i.H.v. insgesamt 1.330 EUR,

b) ab 1.3.2009

einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 93,7 % des Mindestunterhalts der ersten Altersstufe abzgl. hälftiges Kindergeld i.H.v. 82 EUR unter Anrechnung etwaiger von dem Beklagten aufgrund des Urteils des AG - Familiengerichts - Stendal vom 8.8.2008 - 5 F 750/07 - an die Unterhaltsvorschusskasse auf den ab 1.3.2009 zu leistenden Unterhalt gezahlten Beträge.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt zu 1/10 die Klägerin und zu 9/10 der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision ist nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Berufungsstreitwert wird auf 3.733 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Der Beklagte ist der Vater der Klägerin.

Die Klägerin hat wegen Nichtzahlung von Unterhalt durch den Beklagten Unterhaltsvorschusszahlungen vom Landkreis S. i.H.v. 111 EUR im Mai und Juni 2007, i.H.v. monatlich 109 EUR bis Dezember 2007 und danach monatlich 125 EUR, ab dem 1.1.2009 monatlich 117 EUR erhalten.

Durch rechtskräftiges Urteil vom 8.8.2008 im Rechtsstreit des Landkreises S. gegen die Unterhaltsvorschusskasse (Geschäftszeichen 5 F 750/07) ist der Beklagte verurteilt worden, an die Vorschusskasse für die Zeit vom 1.3.2007 bis 31.8.2007 insgesamt 949 EUR zu zahlen (monatlich 82 EUR bis Juni 2007, monatlich 81 EUR bis Dezember 2007 und danach monatlich 45 EUR).

Die Klägerin hat gegen den Beklagten ab dem 1.5.2007 bis zum 31.12.2007 100 % des Regelbetrages nach der bis dahin geltenden Regelbetragsverordnung und danach den Mindestunterhalt für ein Kind der ersten Altersstufe unter Berücksichtigung bzw. Abzug der von der Vorschusskasse geleisteten Zahlungen geltend gemacht.

Durch das angefochtene Urteil hat das AG die Klage abgewiesen, weil der Beklagte nicht mehr Unterhalt zahlen könne, als in der angefochtenen Entscheidung im Rechtsstreit der Unterhaltsvorschusskasse gegen den Beklagten festgestellt worden sei.

Beim Beklagten, der seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nicht nachgekommen sei, könne nur ein fiktives Einkommen von insgesamt 1.000 EUR angenommen werden; 800 EUR könne er normal verdienen, weitere 200 EUR durch Nebentätigkeiten.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin.

Sie kritisiert, dass der Berechnung zugrunde gelegte Einkommen des Beklagten. Bei Aushilfstätigkeit als Taxifahrer habe er schon 895 EUR verdient, und zwar ohne Trinkgeld.

Demnach sei von einem höheren Einkommen auszugehen.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten (unter Berücksichtigung erhaltener Vorschusszahlungen) zu verurteilen, an sie für den Zeitraum vom 1.5.2007 bis 28.2.2009 insgesamt 1.627 EUR Unterhalt zu zahlen und danach einen Unterhalt von monatlich 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzgl. hälftiges Kindergeld.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II. Die Berufung ist zulässig, denn sie ist statthaft, formgemäß und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung hat überwiegend Erfolg.

Zu Recht hat das AG mit zutreffender Begründung, die der Senat teilt, zwar darauf verwiesen, dass den Beklagten als Unterhaltsverpflichteten ggü. der minderjährigen Klägerin die Obliegenheit zu gesteigertem Erwerb trifft. Das zugrunde gelegte Einkommen ist allerdings nicht hinnehmbar. Denn der Beklagte hatte schon als aushelfender Taxifahrer einen monatlichen Verdienst von 895,55 EUR (Bescheinigung für Juli 2004) und nicht nur 800 EUR, wie vom AG ausgeführt. Dabei sind üblicherweise gezahlte Trinkgelder nicht berücksichtigt.

Es liegt daher nahe, von einem erzielbaren Nettoeinkommen i.H.v. 1.100 bis 1.150 EUR auszugehen, dem ein möglicher Nebenverdienst etwa durch Aushilfsarbeiten, Prospektaustragen und Ähnliches von zwischen 150 und 200 EUR zuzuschlagen ist. Mithin kann der Unterhaltsberechnung ein Einkommen von 1.300 EUR zugrunde gelegt werden.

Daraus ergeben sich nachfolgende Unhaltsansprüche der Klägerin, wobei die Klägerin ab dem Monat der auf die letzte mündliche Verhandlung folgt, die Zahlung des vollen Unterhaltsbetrages an sich verla...

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