Leitsatz (amtlich)

1. Ein Gebäudeeigentümer, der zum Besitz an dem dazugehörigen Grund und Boden nach Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 1 Buchst. a EGBGB berechtigt ist, schuldet keine Nutzungsentschädigung nach § 987 ff. BGB (Eigentümer-Besitzer-Verhältnis).

2. Eine Entschädigung nach Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 8 EGBGB kann der Bodeneigentümer erst ab dem Zeitpunkt verlangen, in dem er das notarielle Vermittlungsverfahren nach § 87 ff. SachenRBerG beantragt. Auf ein früher vom Gebäudeeigentümer eingeleitetes Bodenordnungsverfahren nach dem LwAnpG kann sich der Bodeneigentümer insoweit nicht berufen.

3. Bei der Anwendung des § 19 SachenRBerG ist stets von Baureife, unbebautem Land auszugehen, alle übrigen Stufen der Baulandentwicklung (Rohbauland, Bauerwartungsland, begünstigtes Agrarland) bleiben außer Betracht.

4. Führt der Abzug für Aufwendungen für Erschließung, Vermessung und Baureifmachung zu einem negativen Bodenwert, ist mindestens der Wert für Rohbauland anzusetzen.

5. Die Nutzungsentschädigung des Gebäudeeigentümers erstreckt sich auch auf die dazugehörige Funktionsfläche. Wird nur ein Teil eines Grundstückes als Funktionsfläche benötigt, trifft die Darlegungs- und Beweislast hierfür den Gebäudeeigentümer.

6. Eine Zinsanpassung nach § 47 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SachenRBerG von 3,5 % auf 7 % jährlich ist vorzunehmen, wenn eine ehemalige zwischenbetriebliche Einrichtung Lagerhallen nicht mehr selbst nutzt, sondern verpachtet, dadurch die Nutzungsüberlassung an einen Dritten ein Wechsel in der bisherigen Art der Nutzung vorliegt.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 07.06.2001; Aktenzeichen 4 O 443/00)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des LG Halle vom 7.6.2001 – Geschäftszeichen 4 O 443/00 – teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.987,26 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 10.1.2001 zu zahlen.

Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die weiter gehende Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges hat die Klägerin 86 %, die Beklagte 14 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsrechtszuges hat die Klägerin 68 %, die Beklagte 32 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer beider Parteien übersteigt 60.000 DM nicht.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Nutzungsentschädigung.

Am 21.9.1999 wurde die Klägerin als Eigentümerin des im Grundbuch von E., Bl. 105 verzeichneten Grundstückes der Flur 4, Flurstück 18/1 mit einer Größe von 3,530 ha eingetragen.

Im Jahr 1980 errichtete die ZBE T., bei der es sich um die Rechtsvorgängerin der Beklagten handelt, auf dem Grundstück drei Lagerhallen mit jeweils einer Länge von 71,5 im und einer Breite von 24 m. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten erwarb an den Hallen selbstständiges Gebäudeeigentum.

Im Jahr 1997 beauftragte die Erbengemeinschaft P., in deren Eigentum sich zu diesem Zeitpunkt das streitgegenständliche Grundstück befand, den Rechtsanwalt J. aus J. mit der Aufnahme von Verhandlungen über den Ankauf der auf dem Grundstück errichteten Gebäude durch die Erbengemeinschaft oder über die Veräußerung der zu den Hallen gehörenden Funktionsflächen an die Beklagte.

Ebenfalls im Jahre 1997 beantragte die Beklagte die Einleitung eines Bodenordnungsverfahrens gem. des 8. Abschn. des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes bei dem Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung W.

Am 13.12.1999 beantragte die Klägerin in Unkenntnis des bereits von der Beklagten angestrengten Bodenordnungsverfahrens das notarielle Vermittlungsverfahren gem. §§ 87 ff. Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG). Auf Antrag der Beklagten stellte die Notarin Js. aus M. mit Beschluss vom 31.8.2000 das notarielle Vermittlungsverfahren in Anbetracht des laufenden Bodenordnungsverfahrens ein.

Unter dem 13.1.2000 teilte die Beklagte der Klägerin schriftlich mit, dass sie die Ermäßigung des Erbbauzinses gem. § 51 Abs. 1 SachenRBerG in Anspruch nehme.

Die Klägerin hat unter Vorlage eines Privatgutachtens des Gutachterausschusses für Grundstückswerte für den Bereich des Katasteramtes Z. vom 22.10.1997 behauptet, die Beklagte nutze die Gebäude- und Freifläche des Flurstückes 18/1 mit einer Größe von 16.920 qm. Zwar weise der Grundstücksteil, auf dem sich die Hallen befinden, eine geringere Grundfläche auf. Die von der Beklagten genutzten Gebäude seien jedoch derart im nördlichen Teil des Grundstückes angeordnet, dass eine wirtschaftliche Nutzung der sie umgebenden Freiflächen ausgeschlossen sei. Daher müsse die Beklagte die Nutzungsentschädigung für die gesamte Funktionsfläche mit einer Größe von 16.920 qm bezahlen.

Die Klägerin hat ferner – ebenfalls unter Berufung auf das von ihr eingeholte Privatgutachten – behauptet, der Bodenwert für das von der Beklagten genutzte Grundstück betrage 9 DM/qm. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Ermittlung des Bodenwertes wird auf das schriftliche Gut...

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