Leitsatz (amtlich)

1. Tatsachen, aus denen sich das Vorliegen einer im Gerichtsbezirk begangenen unerlaubten Handlung ergibt, sind nicht bereits dann schlüssig behauptet, wenn bei summarischer Prüfung das Bestehen eines Anspruchs als nicht abwegig erscheint oder nach dem Klagevorbringen zumindest ernsthaft zu erwägen ist. Ein Anspruch aus unerlaubter Handlung ist vielmehr nur dann schlüssig dargelegt, wenn der als wahr zu unterstellende Sachvortrag der klagenden Partei die Tatbestandsmerkmale eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung auch bei umfassender Prüfung der Rechtslage ausfüllt.

2. Das "Machen" unrichtiger vorteilhafter Angaben oder Verschweigen nachteiliger Tatsachen hinsichtlich anlageerheblicher Umstände i.S.d. § 264a StGB ist abgeschlossen und damit beendet, sobald die unrichtigen Prospekte einem größeren Kreis von potentiellen Anlegern aufgrund eines Handelns des Täters zugänglich sind; der Vertrieb des Prospekts gehört nach dessen erstmaliger Veröffentlichung nicht mehr zur Tathandlung.

3. Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des Verschweigens nachteiliger Tatsachen i.S.d. § 264a StGB.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 10.02.2004; Aktenzeichen 4 O 518/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das am 10.2.2004 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Halle aufgehoben.

Das LG Halle als Gericht des ersten Rechtszuges wird für örtlich unzuständig erklärt und der Rechtsstreit an das zuständige LG Göttingen verwiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Kläger übersteigt 20.000 Euro nicht.

 

Gründe

A. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

B. Die Berufung ist zulässig, sie hat aber nur mit dem hilfsweise gestellten Antrag auf Verweisung des Rechtsstreits an das LG Göttingen Erfolg. Zu Recht hat das LG Halle die Klage als unzulässig abgewiesen; im Bezirk des OLG Naumburg ist ein Gerichtsstand nicht begründet.

I.1. Auch im Berufungsverfahren ist von Amts wegen zu prüfen, ob im Bezirk des OLG Naumburg ein Gerichtsstand begründet ist. § 513 Abs. 2 ZPO steht dieser Prüfung nicht entgegen, da er, abweichend von der Regelung für das Revisionsverfahren in § 545 Abs. 2 ZPO, nicht für den Fall gilt, dass das erstinstanzliche Gericht seine Zuständigkeit verneint hat (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 513 Rz. 11).

2. Im Bezirk des OLG Naumburg ist für keinen der Beklagten der allgemeine Gerichtsstand i.S.d. §§ 12, 13 ZPO gegeben; keiner der Beklagten hat seinen Wohnsitz in Sachsen-Anhalt.

Der von den Beklagten in Erwägung gezogene Prospekthaftungsgerichtsstand analog § 22 ZPO kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil die S. AG ihren Gerichtsstand i.S.v. § 17 ZPO ebenfalls nicht im Bezirk des OLG Naumburg hat, sondern in Göttingen.

Auch der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. § 29 ZPO ist nicht gegeben, denn vertragliche Beziehungen bestehen zwischen den Parteien nicht. Bereits aus diesem Grund eröffnet auch § 29c ZPO keinen Gerichtsstand in Sachsen-Anhalt; zudem wird eine Haustürsituation auch nicht behauptet.

II. Auch der einzige ernsthaft in Betracht kommende Gerichtsstand, der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gem. § 32 ZPO, ist nicht eröffnet.

1. Ein Ort, an dem die unerlaubte Handlung i.S.v. § 32 ZPO begangen ist, ist allerdings jeder Ort, an dem auch nur eines der wesentlichen Tatbestandsmerkmale verwirklicht worden ist. Das ist bei den Begehungsdelikten sowohl der Ort, an dem der Täter gehandelt hat, als auch der Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 32 Rz. 16). Ist die unerlaubte Handlung durch Verbreitung von Druckschriften erfolgt, ist der Gerichtsstand des § 32 ZPO außer am Erscheinungsort des Druckwerks auch an Orten begründet, an welche die Druckschrift der Bestimmung des Verbreiters gem. gelangt ist (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 32 Rz. 17). Bei dem Prospekt der S. AG handelt es sich um eine Druckschrift, die der Bestimmung der Verbreiter gem. auch nach M., zum Wohnort der Kläger, gelangt ist. Dieser Ort liegt im Zuständigkeitsbereich des LG Halle und des OLG Naumburg.

2. Dennoch ist ein Gerichtsstand gem. § 32 ZPO im Bezirk eines der zum Zuständigkeitsbereich des OLG Naumburg gehörenden LG nicht begründet.

a) Zur Begründung der Zuständigkeit ist es erforderlich, dass der Kläger schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich das Vorliegen einer im Gerichtsbezirk begangenen unerlaubten Handlung ergibt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 32 Rz. 19, BGH NJW 1994, 1413 f.; NJW 1996, 1411 [1412 f.]). Ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs ist schlüssig und damit erheblich, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die i.V.m. einem Rechtssatz geeignet sind, das mit der Klage geltend gemachte Recht als in der Person der Kläger entstanden erscheinen zu lassen (BGH v. 5.7.1995 - XII ZR 246/93, NJW-RR 1996, 56). Die Schlüssigkeit eines Klageanspruchs ist damit nicht bereits da...

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