Leitsatz (amtlich)

Eine eigenhändige Unterschrift unter einem Testament i.S.v. § 2247 Abs. 1 Satz 1 BGB muss räumlich so zu der letztwilligen Verfügung stehen, dass diese von ihr gedeckt ist. Diese für die Wirksamkeit des Testaments notwendige und unverzichtbare Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn sich die zeitgleich zur Errichtung des Testamentstextes geleistete Unterschrift auf einem anderen Blatt Papier befindet, welches weder körperlich mit dem Testament verbunden ist noch aus den Umständen des Einzelfalls ohne weiteres als äußere Fortsetzung und Abschluss der Testamentsurkunde verstanden werden kann.

 

Verfahrensgang

AG Merseburg (Beschluss vom 10.09.2020; Aktenzeichen 04 VI 197/20)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Merseburg vom 10. September 2020 aufgehoben.

Das Nachlassgericht wird angewiesen, der Beteiligten zu 1) auf deren Antrag vom 26. Mai 2020 einen Erbschein zu erteilen, der ausweist, dass die im Beschlusseingang genannte Erblasserin von der Beteiligten zu 1) allein beerbt worden ist.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beteiligte zu 2) zu tragen.

Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 40.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Erblasserin war in zweiter Ehe verheiratet mit dem vorverstorbenen W. G. . Die Beteiligte zu 1) ist ihre Tochter aus ihrer ersten Ehe mit H. N..

Die Erblasserin hatte ein notariell beurkundetes Testament zu UR Nr. 1394/2019 der Notarin R. W. in H. vom 13.02.2019 errichtet und in amtliche Verwahrung gegeben (Az.: 04 IV 69/19 (G) AG Merseburg). Dieses Testament wurde am 08.10.2019 auf deren Antrag an die Erblasserin herausgegeben. Die Erblasserin wurde darauf hingewiesen, dass das Testament durch die Rückgabe aus der amtlichen Verwahrung als widerrufen gilt.

Die Erblasserin verfasste unter dem 08.10.2019 handschriftlich ein Schriftstück mit folgendem Inhalt:

"Testament

Hirmit hebe ich alle Verfügungen von Todes wegen auf und und testatiere wie folgt neu:

Ich setze als meine Erben die deutsche Krebshilfe für für Kinder ein.

In jeden Fall etnerbe ich meine Tochter und meinen Enkel S. V..

D. den 8.10.2019"

Das Schriftstück ist nicht unterzeichnet.

Das Amtsgericht - Nachlassgericht - Merseburg hat nach der Anzeige des Todesfalls durch die Beteiligte zu 1) am 21.02.2020 das vorgenannte Schriftstück als Testament eröffnet und im Protokoll darauf hingewiesen, dass mit der Eröffnung keine Klärung der Wirksamkeit des Testaments erfolgt (Az.: 04 IV 18/20 (G)).

Am 26.05.2020 hat die Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Erbscheins beantragt, welcher sie als Alleinerbin ausweist und sich auf den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge berufen.

Die Beteiligte zu 2) ist dem Antrag entgegengetreten und hat geltend gemacht, dass sie die Alleinerbin kraft testamentarischer Erbfolge geworden sei. Sie hat die Auffassung vertreten, dass der Antrag auf Herausgabe des notariellen Testaments als Begleitschreiben zu dem handschriftlichen Testament und deswegen das handschriftliche Testament als eigenhändig unterschrieben anzusehen seien.

Das Nachlassgericht hat mit seinem Beschluss vom 10.09.2020 festgestellt, dass beabsichtigt ist, den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins der Beteiligten zu 1) vom 26.05.2020 zurückzuweisen, und die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses ausgesetzt. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Erblasserin am Tage der Testamentserrichtung ein weiteres Schreiben verfasst und unterzeichnet habe, mit dem die Herausgabe des in amtlicher Verwahrung befindlichen notariellen Testaments und "offensichtlich" die Entgegennahme des neuen handschriftlichen Testaments in amtliche Verwahrung begehrt worden sei. Aus dem Gesamtzusammenhang beider Schriftstücke sei auf eine wirksame Testamentserrichtung nach § 2247 BGB zu schließen.

Gegen diese, ihr am 16.09.2020 zugestellte Entscheidung wendet sich die Beteiligte zu 1) mit ihrer am 07.10.2020 beim Nachlassgericht eingegangenen Beschwerde. Sie verweist darauf, dass das Testament selbst nicht unterzeichnet sei. In dem Protokoll der Herausgabe des notariellen Testaments finde ein neues Testament keine Erwähnung; dieses Protokoll habe die Erblasserin zudem nicht unterschrieben, sondern lediglich ihren Namen in Druckbuchstaben daruntergesetzt. Hilfsweise sei zu berücksichtigen, dass die Erbeinsetzung in dem handschriftlich errichteten Testament unbestimmt sei. Es gebe eine Reihe von selbständigen Institutionen, welche die Begriffe "deutsch", "Krebshilfe" und "Kinder" jeweils in ihrem Namen führten, ohne dass zu erkennen sei, welche Organisation die Erblasserin habe bezeichnen wollen.

Das Nachlassgericht hat mit seinem Beschluss vom 08.10.2020 dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.

Im Beschwerdeverfahren ist den Beteiligten rechtliches Gehör gewährt worden.

B. I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist zulässig. Sie ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft, die nach § 61 Abs. 1 FamFG notwend...

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