Leitsatz (amtlich)

Ein Träger von Sozialleistungen (hier: eine gesetzliche Krankenkasse) ist nach § 64 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S 1 SGB X von der Pflicht zur Entrichtung von Gerichtsgebühren für eine Auskunft des Nachlassgerichts befreit, wenn die begehrte Auskunft aus Anlass der Erbringung einer Sozialleistung benötigt wird. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Auskunft im Zusammenhang mit der Prüfung eines Rückgriffs auf den Leistungsempfänger steht.

 

Verfahrensgang

AG Quedlinburg (Beschluss vom 11.11.2010; Aktenzeichen 1 VI 224/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde vom 3.12.2010 werden der Beschluss der Rechtspflegerin des AG - Nachlassgericht - Quedlinburg vom 11.11.2010 und der Kostenansatz des AG Quedlinburg vom 6.9.2010 (1104-11201-9) aufgehoben.

Das Erinnerungs- und das Beschwerdeverfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

A. Mit Schreiben vom 17.8.2010 bat die Beschwerdeführerin in der Nachlasssache betreffend den am 18.4.2010 verstorbenen H. Z. das AG Quedlinburg - unter Anführung verschiedener Fragen - um die Mitteilung des Verfahrensstandes. Mit Schreiben vom 2.9.2010 teilte das AG - Rechtspflegerin - der Beschwerdeführerin mit, dass bereits Erbschaftsausschlagungserklärungen vorlägen und für weitere mögliche Erben die Ausschlagungsfrist noch laufe. Gleichzeitig wies es auf die Gebührenpflichtigkeit dieser Auskunft gem. Nr. 800 Anlage zu § 2 Abs. 1 JVKostO hin. Unter dem 6.9.2010 erteilte das AG der Beschwerdeführerin eine entsprechende Kostenrechnung über 10 EUR, die diese beglich.

Gegen den Kostenansatz vom 6.9.2010 hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 21.9.2010 "Einwendung" mit der Begründung eingelegt, dass sie gem. § 8 Abs. 2 JVKostO i.V.m. § 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGB X kostenbefreit sei. Mit Beschluss vom 11.11.2010 hat das AG - Rechtspflegerin - die "Einwendung" als Erinnerung ausgelegt und dieser "nicht abgeholfen". Gegen die amtsgerichtliche Entscheidung hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 3.12.2010 Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 14.12.2010 hat das AG - Rechtspflegerin - der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem LG Magdeburg zur Entscheidung vorgelegt. Mit Verfügung vom 28.12.2010 hat der Vorsitzende der 3. Zivilkammer des LG Magdeburg das Verfahren zuständigkeitshalber an das OLG Naumburg abgegeben.

B.I. Die Beschwerde ist gem. § 13 Abs. 1 S. 2 JVKostO i.V.m. § 14 Abs. 3 S. 2 KostO zulässig.

II. Beschwerdegericht ist nach § 13 Abs. 1 S. 2 JVKostO i.V.m. §§ 14 Abs. 4 S. 2 KostO, 119 Abs. 1 Nr. 1b) GVG das OLG.

III. Der Senat entscheidet in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, weil der nach § 13 Abs. 1 S. 2 JVKostO i.V.m. §§ 14 Abs. 7 S. 1 Halbs. 2 KostO zuständige Einzelrichter das Verfahren dem Senat mit Beschluss vom 25.1.2011 wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache gem. § 13 Abs. 1 S. 2 JVKostO i.V.m. § 14 Abs. 7 S. 2 KostO übertragen hat.

IV. Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Beschwerdeführerin ist gem. § 8 Abs. 2 JVKostO i.V.m. § 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 SGB X von den Kosten befreit. Der Gebührenansatz vom 6.9.2010 ist daher ohne Rechtsgrund erfolgt.

1. Eine Kostenbefreiung nach § 64 Abs. 1 SGB X bleibt von vornherein außer Betracht. Diese Vorschrift gilt für das Verfahren bei den Behörden nach dem SGB X und nicht für das hier in Rede stehende gerichtliche Verfahren.

2. Der Beschwerdeführerin steht jedoch Gebührenfreiheit nach § 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 S. 1 SGB X zu.

a) Nach § 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 S. 1 SGB X sind Geschäfte und Verhandlungen, die aus Anlass der Beantragung, Erbringung oder der Erstattung einer Sozialleistung nötig werden, kostenfrei. Diese Regelung gilt, wie auch für die inhaltlich vergleichbare Bestimmung des § 118 Abs. 1 Halbs. 1 BSHG allgemein anerkannt war, nicht nur für die Rechtsbeziehungen zwischen Bürger und Sozialleistungsträger, sondern gleichfalls im Verhältnis von Sozialleistungsträgern zu anderen Behörden, und zwar auch zu solchen, deren Verwaltungstätigkeit nicht nach dem Sozialgesetzbuch ausgeübt wird.

aa) Dem steht die systematische Stellung des § 64 SGB X im Abschnitt "Kosten, Zustellung und Vollstreckung" nicht entgegen. Diese Bereiche betreffen nicht ausschließlich das Verhältnis des Bürgers zur Behörde. Denn zumindest die Vorschriften über Kosten und Zustellung haben auch im Verhältnis von Behörden zueinander ihren Sinn und ihre praktische Bedeutung.

bb) Auch die Vorschrift des § 7 Abs. 1 SGB X steht der Annahme der Kostenfreiheit nicht entgegen. § 64 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist insoweit als Spezialvorschrift anzusehen, die für das behördliche Zusammenwirken anlässlich der Beantragung, Erbringung oder Erstattung einer Sozialleistung stets Kostenfreiheit anordnet, gleichgültig, ob die betreffenden Maßnahmen auch als Amtshilfe anzusehen sind oder nicht. Denn die Befreiung von den Kosten bezweckt, im Bereich der Sozialleistungen die verfügbaren, der Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit dienenden Mittel (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB - Allgemeiner Teil) ...

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