Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Aktenzeichen 2 SH 3/01)

AG Halle-Saalkreis (Aktenzeichen 95 C 5075/00)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des LG Halle vom 25.4.2001 – 2 SH 3/01 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 15.606,52 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landge-richtes Halle vom 25.4.2001, durch den es ihr Ablehnungsgesuch gegen die Richterin am AG E. (im Folgenden: Richterin) zurückgewiesen hat, hat in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat das Ablehnungsgesuch der Klägerin mit zutreffenden Erwägungen abgelehnt.

Die Klägerin hat im Verlaufe der mündlichen Verhandlung vor dem AG Halle- Saalkreis am 28.2.2001 einen Ablehnungsantrag wegen Besorgnis der Befangenheit gegen die Richterin angebracht, nachdem diese die persönlich und ohne anwaltlichen Beistand erschienene Beklagte zu 2) auf die mögliche Verjährung eines Teils der von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche hingewiesen hatte. Das hat die abgelehnte Richterin in ihrer dienstlichen Äußerung vom 2.3.2001 eingeräumt.

Die Klägerin hält die Richterin für befangen, weil diese von sich aus die Beklagte zu 2) auf die eingetretene Verjährung hingewiesen habe, ohne dass jene bis dahin die Verjährung eingewendet gehabt habe. Damit habe sich die Richterin zum Berater der Beklagten zu 2) gemacht.

Das LG hat das Ablehnungsgesuch mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Hinweis auf die Verjährung an die Gegenpartei begründe aus der Sicht der Klägerin bei vernünftiger objektiver Betrachtung kein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Richterin.

Dagegen beschwert sich die Klägerin ohne Erfolg. Der Senat geht wie das LG davon aus, dass der Hinweis des Gerichtes während der mündlichen Verhandlung an eine Prozesspartei auf die Verjährung für sich genommen nicht stets einen Ableh-nungsgrund begründet (streitig; vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 42 Rz. 27 m.w.N. und N. zur Gegenmeinung). Das ist jeweils unter den besonderen Gegebenheiten des Einzelfalles zu beurteilen.

Hinweise des Gerichts an die Parteien eines Zivilprozesses sind im Lichte der gerichtlichen Prozessleitungs- und Hinweispflicht nach den §§ 136 Abs. 3 und 139 Abs. 1 ZPO zu bewerten. Danach hat der Richter auf die Beibringung des im Rahmen der gestellten Anträge zur Rechtsfindung notwendigen Tatsachen- und Beweismaterials hinzuwirken. Er muss ferner gem. § 278 Abs. 3 ZPO auf übersehene rechtliche Gesichtspunkte hinweisen (Greger in Zöller, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 139 Rz. 1). Entgegen der früher herrschenden Meinung spricht heute viel dafür, den richterlichen Hinweis auf die Verjährungseinrede als zumindest vertretbare, jedenfalls nicht unsachliche oder willkürliche Anwendung des § 139 ZPO anzusehen (obiter dictum in BGH v. 12.11.1997 – IV ZR 214/96, NJW 1998, 612 = MDR 1998, 303).

Maßstab für die Grenzen der Aufklärungsbefugnisse und -pflichten des Gerichts und für die Zulässigkeit seiner Hinweise bleibt im Einzelfall seine Pflicht zu Neutralität und Gleichbehandlung der Parteien (vgl. BVerfG NJW 1979, 1925 [1928]; Greger in Zöller, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 139 Rz. 2). Diese Grenze hat die Richterin im Streitfall nicht überschritten. Den Hinweis auf die Verjährung, den die Klägerin ihrem Befangenheitsgesuch zugrundelegt, hat die Richterin nach den aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.2.2001 ersichtlichen Gesamtumständen angebracht, um der offensichtlichen Rechtsunkenntnis der Beklagten zu 2) abzuhelfen und sie damit erst in den Stand zu setzen, die Erhebung der Verjährungseinrede als Verteidigungsmittel zu erwägen. Auf die Aufrechterhaltung dieser Rechtsunkenntnis einer anwaltlichen nicht vertretenen und – im Gegensatz zur Klägerin – auch sonst mit mietrechtlichen Fragen und gerichtlichen Verfahrensabläufen nicht vertrauten Prozesspartei durch Unterlassung richterlicher Hinweise hat die Klägerin in Anbetracht der das Zivilverfahren beherrschenden Grundsätze der Waffengleichheit und der fairen Verfahrensführung keinen Anspruch.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 12 Abs. 1 S. 1, 14 Abs. 1 S. 1, 22 Abs. 1, 25 Abs. 2 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Der Wert des Beschwerdeverfahrens über die Richterablehnung entspricht dem Wert der Hauptsache (vgl. BGH NJW 1968, 796; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 3 Rz. 16 Stichwort „Ablehnung eines Richters”).

gez. Neuwirth gez. Wiedemann gez. Rüge

 

Fundstellen

Haufe-Index 1108581

OLGR-NBL 2002, 105

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