Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde wegen Untätigkeit des Familiengerichts

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Beschwerde zum OLG wegen Untätigkeit des FamG ist zulässig.

Der Senat kann in diesem Fall das Gericht konkret und unter Fristsetzung anweisen, bestimmte Handlungen vorzunehmen.

Im Rahmen der Entscheidung ist der Senat befugt, ergangene einstweilige Anordnungen zum Umgangsrecht auszusetzen.

 

Normenkette

FGG § 19; ZPO §§ 621, 621a

 

Verfahrensgang

AG Wittenberg (Beschluss vom 02.12.2004; Aktenzeichen 5 F 463/02)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 10.06.2005; Aktenzeichen 1 BvR 2790/04)

BVerfG (Beschluss vom 01.02.2005; Aktenzeichen 1 BvR 2790/04)

BVerfG (Beschluss vom 28.12.2004; Aktenzeichen 1 BvR 2790/04)

 

Tenor

I. Auf die Untätigkeitsbeschwerde des Amtsvormundes und der Pflegeeltern wird das AG - FamG - Wittenberg angewiesen, das Hauptsacheverfahren zum Umgangsrecht, Az.: 5 F 463/02, mit äußerster Beschleunigung weiterzuführen und zum Abschluss zu bringen, das heißt

1. unverzüglich einen - zweckmäßigerweise angesichts der Bedeutung der Sache hochqualifiziert aus dem Kreis der Hochschullehrer für Kinderpsychologie oder Kinderpsychiatrie auszuwählenden - Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens längstens binnen sechs Wochen zu der Frage zu beauftragen, ob - und ggf. in welcher Form und Häufigkeit - unter den obwaltenden Umständen der Umgang von Vater und Sohn dem Wohl des Kindes dient oder dessen Wohl gefährdet oder zu beeinträchtigen vermag,

2. längstens binnen sechs Wochen nach Eingang des Sachverständigengutachtens die Beteiligten und nötigenfalls den Sachverständigen anzuhören und abschließend zu entscheiden.

II. In Abänderung der einstweiligen Anordnung des AG Wittenberg vom 2.12.2004 wird auf Antrag des Amtsvormundes und der Pflegeeltern - unter Zurückweisung des weiter gehenden Antrags - der Umgang zwischen dem Kindesvater und seinem Sohn C.F. bis zur abschließenden Entscheidung des AG zum Umgangsrecht in der Hauptsache ausgeschlossen.

III. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die gem. den §§ 621 Abs. 1 Nr. 2, 621a Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 19 FGG und § 252 ZPO analog statthafte und zulässige Beschwerde des Amtsvormundes und der Pflegeeltern gegen die Untätigkeit des AG im Hauptsacheverfahren zum Umgangsrecht ist nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG begründet (1) und rechtfertigt die Anweisung an das AG, nunmehr unverzüglich nach notwendiger Beweiserhebung eine Entscheidung zur Hauptsache herbeizuführen (2), die entgegen der Auffassung des EURpäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht ohne zwischenzeitliche Aufklärung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts erfolgen kann (3).

Die Beschluss-Anordnung des AG vom 2. dieses Monats war antragsgemäß gem. § 620b Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 S. 1 i.V.m. den §§ 620a Abs. 4 S. 2, 621g ZPO abzuändern (4).

1. Die seit fast zweieinhalb Jahren andauernde Untätigkeit des AG Wittenberg im Hauptsacheverfahren - seit Eingang des auf Gewährung von Umgang gerichteten Antrags des Kindesvaters am 9.7.2002 beim AG ist bis dato in der Hauptsache keinerlei Verfahrensfortschritt erkennbar und soll auch nach der letzten Verlautbarung des AG vom 19.11.2004 (Bl. 69 Bd. IV d.A.) bis zu einer zweiten Entscheidung des BVerfG zu einer bereits zweimal rechtskräftig, das erste Mal im Jahre 2001 mit Billigung des Verfassungsgerichts abgelehnten Übertragung des Sorgerechts auf den Kindesvater auch weiterhin keine Entscheidung ergehen - verletzt sämtliche Beteiligte und namentlich den Amtsvormund sowie die Pflegeltern als Beschwerdeführer nachhaltig in ihrem verfassungsrechtlich garantierten und gerade bei Streitigkeiten über das Umgangsrecht besonders virulent werdenden Recht auf Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes in angemessener Zeit, das sich aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG ableiten lässt (so unlängst BVerfG v. 25.11.2003 - 1 BvR 834/03, FamRZ 2004, 689 ff., m.w.N.).

Dass eine ergebnislos verstrichene Verfahrensdauer von, wie hier, mittlerweile rund zweieinhalb Jahren für ein Umgangsverfahren, das seiner Natur nach in hohem Maße Sensibilität für die Problematik der Verfahrensdauer verlangt, unangemessen lang ist, bedarf keiner näheren Ausführung. Denn mit fortschreitender Verzögerung der Verfahrensdauer wird einerseits bei einer persönlich höchst bedeutsamen Angelegenheit gleichsam sukzessive eine faktische Vorentscheidung zu Lasten des Umgang begehrenden Elternteils getroffen, und andererseits ist zu beachten, dass das kindliche Zeitempfinden nicht den Maßstäben eines Erwachsenen entspricht (BVerfG v. 11.12.2000 - 1 BvR 661/00, NJW 2001, 961).

Gravierend fällt zudem ins Gewicht, dass, entgegen der im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 12 FGG i.V.m. den §§ 621 Abs. 1 Nr. 2, 621a Abs. 1 S. 1 ZPO geltenden Verpflichtung zur Ermittlung aller wesentlichen Tatsachen von Amts wegen, bis dato trotz einer fast zweieinhalbjährigen Verfahrensdauer kein notwendiges psychologisches S...

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