Leitsatz (amtlich)

Nur weil Spezialkenntnisse eines Rechtsanwalts für die Vertretung einer Partei nützlich sind, heißt dies noch nicht, dass dessen ansonsten nicht notwendige Gebühren und Auslagen auf Kosten des Prozessgegners erstattet werden müssen.

 

Verfahrensgang

LG Dessau (Beschluss vom 07.04.2005; Aktenzeichen 6 O 1653/03)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Dessau - Rechtspfleger - vom 7.4.2005 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die von der Klägerin an die Beklagten zu 1) und 2) zu erstattenden Kosten werden auf 1.782,48 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 10.2.2005 festgesetzt.

Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen 63 %, die Klägerin 37 % der Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 230,20 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin hat die in R. wohnhaften Beklagten auf Schadensersatz aufgrund des Todes ihres Pferdes, welches aufgrund eines Pensionsvertrags bei den Beklagten untergestellt war, verklagt.

Die Klage wurde am 20.11.2003 beim LG Dessau eingereicht. Die Beklagten haben Rechtsanwalt Bn. - öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Pferdezucht und -haltung - von der Kanzlei Br. und Partner in V. zur Vertretung im Rechtsstreit beauftragt. Dieser hat zwei Termine zur mündlichen Verhandlung vor dem LG Dessau wahrgenommen.

Nachdem die Klage mit Urt. v. 28.1.2005 vollumfänglich abgewiesen wurde und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt wurden, hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 8.2.2005 den Antrag auf Kostenfestsetzung und dabei u.a. Reisekosten und Abwesenheitsgeld für die Wahrnehmung der Gerichtstermine durch ihn i.H.v. 230,20 EUR in Ansatz gebracht.

Der Rechtspfleger der 6. Zivilkammer des LG Dessau hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7.4.2005 die Kosten i.H.v. 1.697,57 EUR festgesetzt, wobei er die Gebühren um 10 % ermäßigt und die Reisekosten und Abwesenheitsgelder des Prozessbevollmächtigten in vollem Umfang nicht berücksichtigt hat.

Gegen diesen, den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 28.4.2005 zugestellten Beschluss haben diese mit einem am 2.5.2005 bei dem LG Dessau eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Sie wenden sich mit ihrem Rechtsmittel gegen die vollständige Absetzung der Reisekosten und Abwesenheitsgelder, die sie für erstattungsfähig erachten, und tragen hierzu vor, dass es im vorliegenden Rechtsstreit um eine Spezialmaterie gegangen sei, die nur von sehr wenigen Rechtsanwälten im Bundesgebiet bearbeitet werde.

Zumindest die fiktiven Reisekosten eines am Wohnort der Partei ansässigen Rechtsanwalts seien erstattungsfähig.

Der Rechtspfleger der 6. Zivilkammer des LG Dessau hat am 1.6.2005 beschlossen, der sofortigen Beschwerde der Klägerin nicht abzuhelfen und diese dem OLG Naumburg zur Entscheidung in der Sache vorzulegen.

II. Die gem. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. §§ 11 Abs. 1, 21 Nr. 1 RPfIG zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache nur teilweise Erfolg.

1. Die Erstattungsfähigkeit der im Streit befindlichen Reisekosten des am Prozessgericht nicht zugelassenen, aber postulationsfähigen (§ 78 ZPO) auswärtigen Anwalts richtet sich nach § 91 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 ZPO (st. Rspr. des BGH: vgl. BGH, Beschl. v. 18.12.2003 - I ZB 21/03, BGHReport 2004, 635 = MDR 2004, 839 = NJW-RR 2004, 855; Beschl. v. 11.3.2004 - VII ZB 27/03, MDR 2004, 838 = BGHReport 2004, 1062 = NJW-RR 2004, 858).

Sie sind dementsprechend nur dann erstattungsfähig, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren (BGH, Beschl. v. 18.12.2003 - I ZB 21/03, BGHReport 2004, 635 = MDR 2004, 839 = NJW-RR 2004, 855; Beschl. v. 11.3.2004 - VII ZB 27/03, MDR 2004, 838 = BGHReport 2004, 1062 = NJW-RR 2004, 858). Dies hat das LG zutreffend verneint. Die Beauftragung der in V. ansässigen Rechtsanwaltskanzlei als Hauptbevollmächtigte durch die Beklagten stellt sich nicht als eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung i.S.d. § 91 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 ZPO dar. Die Klägerin hätte sich im Interesse einer Kostenersparnis eines am Ort des Prozessgerichts in Dessau residierenden Rechtsanwaltes als Hauptbevollmächtigten bedienen müssen.

Die Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind, hat sich danach auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt (ex ante) als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte unternehmen. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleich gearteten Maßnahmen die kostengünstigere auszuwählen (BGH v. 11.11.2003 - VI ZB 41/03, MDR 2004, 539 [540] = BGHReport 2004, 345).

Bei der diesbezüglichen Prüfung ist eine typisierende Betrachtungs...

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