Leitsatz (amtlich)

Die Eigenart und die inhaltliche Bedeutung des selbständigen Beweisverfahrens für die Verfahrensbeteiligten zwingen zu einer einschränkenden Auslegung des Begriffs der hinreichenden Erfolgsaussicht i.S.v. § 114 ZPO. Dies gilt insbesondere auch für den Antragsgegner, der regelmäßig die Anordnung der Beweiserhebung nicht verhindern kann.

"Erfolg" des Antragsgegners im Beweisverfahren kann sich grundsätzlich allein auf die Verschaffung rechtlichen Gehörs und auf die zweckentsprechende Wahrnehmung der prozessualen Rechte im Rahmen der Beweiserhebung beziehen.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Beschluss vom 09.07.2009; Aktenzeichen 11 OH 24/09)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des LG Magdeburg vom 9.9.2009 in Ziff. I seines Tenors abgeändert und, wie folgt, neu gefasst.

Der Antragsgegnerin wird ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Beweisverfahren, rückwirkend ab dem 24.8.2009 (Antragseingang), bewilligt.

Gleichzeitig wird ihr Rechtsanwalt H. aus M. zur Wahrnehmung der Rechte im Beweisverfahren beigeordnet.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Antragsteller haben im Juli 2009 beim LG Magdeburg die Anordnung einer Beweisaufnahme durch Einholung eines bautechnischen Gutachtens über behauptete Mängel an einem Einfamilienhaus im selbständigen Beweisverfahren beantragt. Sie sind anwaltlich vertreten.

Die Antragsgegnerin begehrt Prozesskostenhilfe für das Beweisverfahren. Sie macht u.a. zu ihrer Rechtsverteidigung geltend, dass zwischen den Beteiligten des Beweisverfahrens vertraglich ein Ausschluss der Gewährleistung für Sachmängel vereinbart worden sei, so dass es an einem Interesse der Antragsteller an der begehrten Beweisaufnahme fehle. Ein Teil der Fragestellungen im Antrag, insbesondere zum Zustand der elektrischen Hausanlagen sowie der Heizungsanlage, sei mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig.

Das LG hat das Prozesskostenhilfegesuch der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 9.9.2009, dort Ziff. I., zurückgewiesen. Diese Entscheidung hat die Kammer darauf gestützt, dass der Rechtsverteidigung im Beweisverfahren eine hinreichende Erfolgsaussicht fehle. Die materiell-rechtlichen Einwendungen der Antragsgegnerin gegen etwaige Gewährleistungsansprüche der Antragsteller seien im Beweisverfahren unerheblich. Für die Durchführung der Beweisaufnahme sei die Mitwirkung eines Rechtsanwaltes nicht erforderlich.

Mit demselben Beschluss unter Ziff. II des Tenors hat das LG die Beweiserhebung antragsgemäß angeordnet.

Die Antragsgegnerin hat gegen den ihr am 18.9.2009 zugestellten Beschluss mit einem am 19.10.2009 (Montag) beim LG eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde hinsichtlich der Zurückweisung des Prozesskostenhilfegesuches eingelegt. Auf den Inhalt des Beschwerdevorbringens wird Bezug genommen. Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und seinen Rechtsstandpunkt im Nichtabhilfebeschluss vom 22.10.2009 vertieft.

Im Beschwerdeverfahren vor dem Senat hatten die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme, von der sie jeweils keinen Gebrauch gemacht haben.

II. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die Kammer hat der Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin im Beweisverfahren zu Unrecht eine hinreichende Erfolgsaussicht aberkannt; mit dieser Begründung kann das Prozesskostenhilfegesuch der Antragsgegnerin nicht zurückgewiesen werden.

Auch die Kammer geht allerdings zutreffend davon aus, dass die Eigenart und die inhaltliche Bedeutung des selbständigen Beweisverfahrens für die Verfahrensbeteiligten zu einer einschränkenden Interpretation des Begriffes der hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung i.S.v. § 114 ZPO zwingt (vgl. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 30.4.2003 - 4 W 58/03, MDR 2003, 1436 - hier zitiert nach juris). Für die Beurteilung der Erfolgsaussicht ist auf den Gegenstand und den Zweck des Beweisverfahrens abzustellen und nicht etwa auf eine Prognose der Erfolgsaussichten in einem etwaigen bzw. bereits parallel anhängigen Hauptprozess (vgl. auch Geimer in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 114 Rz. 42 m.w.N.).

Für die Frage, ob eine hinreichende Erfolgsaussicht des Antragstellers im Beweisverfahren besteht, kommt es regelmäßig nur auf die Zulässigkeit des Beweisantrags und die Aussicht auf Durchführung des Beweisverfahrens an, weil sonst die Anforderungen an Inhalt und Umfang der Antragsbegründung für eine bedürftige Partei gegenüber einer Person, die das Beweisverfahren auf eigene Kosten führt, sehr viel höher wären und dies mit dem Zweck der Prozesskostenhilfe - der Herstellung von Waffen- und Chancengleichheit für bedürftige Personen - nicht vereinbar wäre (vgl. OLG Oldenburg, Beschl. v. 13.2.2002 - 8 W 12/02, MDR 2002, 910 - hier zitiert nach juris, m.w.N. in Rz. 4 f.; OLG Celle, Beschl. v. 20....

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