Leitsatz (amtlich)

Bei der Frage, ob dem Antragsteller für ein selbständiges Beweisverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, kommt es bei der Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung nur darauf an, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen für das selbständige Beweisverfahren vorliegen. Auf die Erfolgsaussichten eines etwaigen Hauptprozesses kommt es nicht an.

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Beschluss vom 23.01.2004; Aktenzeichen 6 OH 1/04)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Hildesheim vom 23.1.2004 geändert:

Den Antragstellern wird für das selbständige Beweisverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... in ... bewilligt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die Antragsteller sind je zur ideellen Hälfte Miteigentümer des Hausgrundstücks ... Der Antragsgegner erstellte im Februar/März 1998 für das Haus der Antragsteller das Kellergeschoss. Im Juni/Juli 2002 kam es von außen zu erheblichen Durchfeuchtungen der Kellerwände.

Die Antragsteller begehren die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens, durch das die Ursache des Mangels sowie der Mängelbeseitigungsaufwand geklärt werden soll. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG Hildesheim den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass etwaige Mängelgewährleistungsansprüche der Antragsteller gegen den Antragsgegner verjährt seien. Dagegen wenden sich die Antragsteller mit ihrer sofortigen Beschwerde.

Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Antragsteller ist begründet. Den Antragstellern kann Prozesskostenhilfe nicht mit der Erwägung versagt werden, dass ein Rechtsschutzinteresse an der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens nicht bestehe, weil ein etwaiger Anspruch gegen den Antragsgegner in einem Streitverfahren wegen der von dem Antragsgegner erhobenen Verjährungseinrede nicht durchzusetzen sei. Denn im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens kommt es auf die Erfolgsaussichten eines etwaigen Hauptprozesses nicht an. Für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für das selbstständige Beweisverfahren kann nichts anderes gelten. Daher kommt es für die Bewilligung nur darauf an, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein selbstständiges Beweisverfahren vorliegen. Das ist hier der Fall.

Nach § 485 Abs. 2 ZPO können die Antragsteller die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran haben, dass der Zustand des von dem Antragsgegner hergestellten Kellers, die Ursachen für Mängel und der Aufwand für die Beseitigung der Mängel festgestellt werden soll. Ein rechtliches Interesse ist nach § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Der Begriff des rechtlichen Interesses ist dabei weit auszulegen (vgl. OLG Celle v. 14.2.1992 - 16 W 5/92, BauR 1992, 405 [406]). Kommen materiell-rechtliche Ansprüche der Antragsteller wie hier Gewährleistungsansprüche in Betracht, ist das Feststellungsinteresse auch dann zu bejahen, wenn der Antragsgegner vorprozessual schon jede Vergleichsbereitschaft hat vermissen lassen und sich auf Verjährung beruft. Ob die Gewährleistungsansprüche der Antragsteller verjährt und damit möglicherweise nicht mehr durchsetzbar sind, kann im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens dahinstehen, denn das rechtliche Interesse des § 485 Abs. 2 ZPO setzt nicht voraus, dass das Beweisthema in einem späteren Prozess erheblich sein muss. Die Erfolgsaussichten eines späteren Hauptprozesses sind nicht zu prüfen. Bereits aus § 487 ZPO ergibt sich, dass der Antrag auf Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens lediglich die Angabe des Gegners, die Bezeichnung der Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, die Benennung der Beweismittel und die Glaubhaftmachung der Tatsachen, die die Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens und die Zuständigkeit des Gerichts begründen sollen, enthalten muss. Die Prüfung der Erfolgsaussicht des Hauptprozesses macht demgegenüber die dezidierte Darlegung des Streitverhältnisses erforderlich. Dieses zu klären, wozu auch die Prüfung der materiell-rechtlichen Wirkungen der Verjährungseinrede gehört, ist grundsätzlich Aufgabe des Hauptsacheverfahrens selbst (OLG Düsseldorf v. 13.10.2000 - 21 W 43/00, OLGReport Düsseldorf 2001, 25 = MDR 2001, 50).

Ein rechtliches Interesse kann daher nur zu verneinen sein, wenn es an jeglichem rechtlichen Bezug zum Antragsgegner fehlte. Das wäre der Fall, wenn die nachgesuchte Beweiserhebung unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt einem Rechtsstreit zugeordnet werden kann (vgl. KG BauR 1992, 303 [304]; OLG Celle BauR 2000, 601; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 485 Rz. 7a m.w.N.).

Würde man für das Beweisverfahren eine rechtliche Begründung der verfolgten Ansprüche und die Klär...

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