Leitsatz (amtlich)

1. Nach einem unzulässigen Teilurteil darf das Berufungsgericht den noch in erster Instanz befindlichen Teil an sich ziehen und in der Sache insgesamt entscheiden (vgl. BGH vom 13.10.2008 - II ZR 112/07).

2. Es liegt ein Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nach § 43a Abs. 4 BRAO vor, wenn eine Rechtsanwalts- GmbH als solche mit einem Unternehmer einen Handelsvertretervertrag abschließt, der neben der Vermittlung von Lieferantenverträgen für Holzhackschnitzel auch die Erstellung und rechtliche Prüfung dieser Verträge zum Inhalt hat und in dem die Parteien eine erfolgsabhängige, allein am von der Rechtsanwalts-GmbH verhandelten Einkaufspreis orientierte Vergütung vereinbarten. Hieraus ergibt sich ein Interessenskonflikt zwischen den Interessen der Rechtsanwalts-GmbH einerseits und den Interessen des Unternehmers, da die konkrete Gefahr besteht, dass eine ausgewogene, allein am Interesse des Unternehmers orientierte Beratung und rechtliche Prüfung der Lieferantenverträge nicht vorgenommen, sondern primär das eigene Vergütungsinteresse verfolgt wird.

3. Der Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen i.S.d. § 43a Abs. 4 BRAO zieht als Rechtsfolge die Nichtigkeit des Vertragsverhältnisses nach § 134 BGB nach sich. Da der Interessenswiderstreit gerade die Verknüpfung der erfolgsabhängigen, provisionspflichtigen Vertragsvermittlung mit der rechtlichen Prüfung der vermittelten Lieferantenverträge betrifft, ist das Vertragsverhältnis insgesamt nichtig.

4. Der Rechtsanwalts-GmbH stehen weder aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 670, 677, 683 BGB noch aus Bereicherungsrecht Ansprüche gegen den Unternehmer zu.

 

Normenkette

ZPO § 538 Abs. 2 S. 3, § 301; HGB § 89a Abs. 2; BGB § 280; HGB § 252; BGB § 134; BRAO § 43a

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 16.10.2013; Aktenzeichen 10 HK O 8071/13)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 12.05.2016; Aktenzeichen IX ZR 241/14)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil des LG München I vom 16.10.2013 - 10 HK O 8071/13, aufgehoben.

2. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche in Höhe entgangener Provisionen wegen nach Auffassung der Klägerin unberechtigter außerordentlicher Kündigung des Handelsvertreter- Vertragsverhältnisses durch die Beklagte sowie über Ansprüche auf Buchauszug nach § 89b Abs. 2 HGB.

Die Klägerin, eine im Handelsregister eingetragene Rechtsanwalts-GmbH, schloss als solche mit der Beklagten A. GmbH, der Betreiberin eines Biomasse-Kraftwerks, am 04.05./9.5.2012 (vgl. Anlage K 2) eine Vereinbarung, aufgrund derer sich die Klägerin verpflichtete, "sämtliche Leistungen im Zusammenhang mit dem Rohstoffeinkauf von Hackschnitzeln und Landschaftspflegeholz der in Anlage 1.1. bezeichneten Art und Qualität im Wege einer Dienstleistung zu übernehmen (vgl. Anlage K 2, § 1 1.1. S. 1)".

In der Präambel zu o.g. Vereinbarung wird unter Punkt A. der Erwerb eines Biomassekraftwerks durch die Beklagte und diese als Betreiberin des Biomasse-Kraftwerks nach Installation der Holztrocknungsanlage und Fördertechnik dargestellt und als Voraussetzung für den Betrieb die Belieferung mit Hackschnitzeln bestimmter Qualität genannt.

Unter Punkt B. erfolgt die Darstellung der Klägerin wie folgt:

"K. ist seit mehr als 13 Jahren u.a. als Händler im Hackschnitzelmarkt tätig. Gegenstand des Geschäfts von K. ist u.a. die Vermittlung von Hackschnitzellieferanten, die Übernahme des vollständigen Rohstoffeinkaufes im Wege einer Geschäftsbesorgung, einschließlich rechtlicher Beratung zur Strukturierung der Lieferverträge."

In § 1 1.1. der Vereinbarung verpflichtete sich die Klägerin insbesondere zur Erbringung folgender Leistungen:

a) Prüfung des Portfolios an Bestandslieferanten und ggf. Optimierung des Lieferantenportfolios durch Ermittlung von Lieferanten, zur Deckung des gesamten Bedarfes der A. in Bezug auf die Vertragsprodukte zu marktgerechten Konditionen;

b) Pflege der Lieferantenkontakte;

c) Erstellung bzw. Prüfung und Verhandlungen der Lieferantenverträge mit für A. akzeptablen Bedingungen;

d) Koordinierung der zeitgerechten Belieferung der A. mit den jeweiligen Lieferanten, Steuerung der Abrufe und Lieferantenrahmenverträgen;

e) Erstellung und rechtliche Prüfung der Lieferantenverträge;

f) Bearbeitung von Mängelrügen, einschließlich außergerichtlicher Verhandlungen mit Lieferanten;

g) Rechnungsprüfung.

Ziel des Vertrags ist nach § 1 1.2. u.a. die Vermittlung von unterschriftsreifen Verträgen zur möglichst kostengünstigen Belieferung von A.

Die weiteren Pflichten der Klägerin ergeben s...

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