Leitsatz (amtlich)

Die Geltendmachung von Leistungsverweigerungs- und Zurückbehaltungsrechten sowie die Ausübung eines Minderungsrechts stehen der Aufrechnung i.S. des § 302 ZPO nicht gleich, der Erlass eines Vorbehaltsurteils ist in derartigen Fällen nicht möglich.

Der Erlass eines Vorbehaltsurteils ist zudem grundsätzlich ermessensfehlerhaft, wenn der Beklagte mit einem Anspruch auf Mängelbeseitigungskosten gegen den Kaufpreisanspruch des Klägers aufrechnet.

 

Verfahrensgang

LG München II (Aktenzeichen 2 HK O 1861/14)

 

Tenor

1. Eine Entscheidung ergeht am Ende der Sitzung, nicht vor 15 Uhr.

2. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf Euro 56.305,31 festgesetzt.

Die Sitzung wird um 11:33 Uhr unterbrochen.

Nach Wiederaufruf der Sache um 16:42 Uhr wird festgestellt, dass niemand erschienen ist.

Sodann verkündet der Vorsitzende unter Bezugnahme auf die Urteilsformel

Im Namen des Volkes

folgendes

Endurteil

 

Gründe

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Vorbehaltsurteil des Landgerichts München II, Az. 2 HK O 1861/14, vom 06.04.2017 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht München II zurückverwiesen.

II. Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 56.305,31 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 56.252,87 Euro seit dem 02.05.2017 und aus 52,44 Euro seit dem 16.05.2017 zu bezahlen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet. Dabei kann die Klägerin die zur Vollstreckung des landgerichtlichen Urteils bereits geleistete Sicherheit, soweit der Höhe nach ausreichend, einsetzen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Das soeben verkündet Endurteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO wie folgt begründet:

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO Bezug genommen wird, hat die Beklagte durch Vorbehaltsurteil zur Zahlung von 50.000,00 Euro nebst Zinsen verurteilt und die Entscheidung über eine mögliche Aufrechnungsforderung der Beklagten in Höhe von 48.452,60 Euro wegen Mängelbeseitigungskosten vorbehalten.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung und beantragt,

1. das Vorbehaltsurteil des Landgerichts München II vom 06.04.2017, Az. 2 HK O 1861/14 aufzuheben und die Sache an das Landgericht München II zurückzuverweisen.

2. hilfsweise, für den Fall, dass ein Zurückverweisung nicht möglich sein sollte: das Vorbehaltsurteil des Landgerichts München II vom 06.04.2017, Az. 2 HK O 1861/14 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

3. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 56.305,31 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. aus 56.252,87 Euro seit dem 02.05.2017 und aus 52,44 Euro seit dem 16.05.2017 zu bezahlen.

Die Klägerin beantragt,

1. das Vorbehaltsurteil des Landgerichts München II vom 06.04.2017, Az. 2 HKO 1861/17 aufrecht zu erhalten;

2. die Widerklage abzuweisen.

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2017 Bezug genommen.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg, ebenso die in zweiter Instanz erhobene Widerklage der Beklagten.

1. Das Vorbehaltsurteil des Landgerichts ist aufzuheben und das Verfahren nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO an das Landgericht München II zurückzuverweisen.

1.1. Der Erlass des Vorbehaltsurteils war unzulässig, die Voraussetzungen des § 302 Abs. 1 ZPO lagen und liegen nicht vor.

1.1.1 Die eingeklagte Forderung der Klägerin in Höhe von 50.000,00 Euro ist nicht entscheidungsreif. Die Beklagte hat bereits in erster Instanz in Höhe von insgesamt 10.000,00 Euro die Minderung wegen zweier Mängel erklärt. Die Minderung ist ein Gestaltungsrecht, das unmittelbar zur Herabsetzung der Kaufpreis- bzw. Werklohnforderung führt und der Aufrechnung mit einer Gegenforderung nicht gleichzusetzen ist, so dass § 302 ZPO keine Anwendung findet (Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl, § 302 Rz. 3; Elzer in BeckOK ZPO, 26. Edition, § 302 Rz. 8; OLG Celle, NJW-RR 2005, S. 654). Das Landgericht hat sich mit der Minderung im Urteil nicht befasst. Für die Entscheidung hierüber bedarf es einer Beweisaufnahme (s. unten Ziff. 1.3.2).

1.1.2 Die Beklagte hat in erster Instanz bezüglich der geltend gemachten Mängel keine Aufrechnung erklärt, sondern sich lediglich auf ein Leistungsverweigerungsrecht berufen (Schriftsatz vom 29.04.2015, S. 4, Bl. 114 d.A., Schriftsatz vom 14.02.2017, B. 143 d.A). Die Geltendmachung von Leistungsverweigerungs- und Zurückbehaltungsrechten steht der Aufrechnung i.S. des § 302 Abs. 1 ZPO nicht gleich (Vollkommer in Zöller, a.a.O., § 302 Rz. 3; Elzer in BeckOK, a.a.O., § 302 Rz. 7; OLG Hamm, NZBau 2009, S. 43, 44). Auch das bloße Vorbehalten einer Aufrechnung ohne Aufrechnungserk...

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